Ohne Innovation keine Wirtschaftlichkeit
a3BAU Round Table: DIE TEILNEHMER
Reinhard Egger, Geschäftsführer Gerstl Bau
Elmar Hagmann, Sprecher der Geschäftsführung/Miteigentümer DI Wilhelm Sedlak GesmbH
Bernd Oswald, Co-Founder Gropyus
Herwig Pernsteiner, Vorstandsvorsitzender ISG, Verbandsvorstand Gemeinnützige Bauvereinigungen in Österreich (GBV)
Hubert Rhomberg, Geschäftsführer Rhomberg Holding GmbH, Rhomberg ventures GmbH
Hans-Peter Schöll, Geschäftsführer Schöll Bau
Sabine Müller Hofstetter: Hubert Rhomberg hat in seinem Blog zu Beginn des Jahres geschrieben: „Ich erwarte keine kurzfristige Markterholung. Die Bauwirtschaft, ähnlich wie die Automobilbranche, wird vermutlich noch ein bis zwei Jahre in der Rezession bleiben. Es wird hart. Herr Pernsteiner, wie hart wird's? Sie haben aktuelle Zahlen mitgebracht …
Herwig Pernsteiner: Auch wenn viele Fachleute im Raum sind, lohnt sich ein kurzer Rückblick auf die Entwicklungen und die aktuelle Lage. Die Baubewilligungszahlen sind derzeit deutlich rückläufig. Aktuell liegen wir bei etwa 24.000 Baubewilligungen pro Jahr, was im historischen Vergleich wenig ist. Im gemeinnützigen Bereich liegt der Anteil bei rund einem Drittel bis zur Hälfte, je nach Bundesland. Während Wien eher unterdurchschnittlich beteiligt ist, ist der Anteil in anderen Bundesländern, besonders im mehrgeschossigen Wohnbau, höher. Grosso modo nehmen die Baubewilligungen in den letzten Jahren ab. Aber kommen wir zum Thema Baukosten: Seit 1990 erhebt Statistik Austria den Baukostenindex für den Wohnhaus- und Siedlungsbau. Viele erinnern sich an die Weltwirtschaftskrise 2003. Da waren viele Ängste und keiner wusste, in welche Richtung es weitergeht. Wenn wir uns aber diesen kleinen Höcker anschauen, der sich damals ergeben hat, dann war das ein Minimundus zu dem, was wir seit 2020/21 sehen. Jedenfalls zeigen die Daten über die letzten 25 Jahre – besonders ab 2012 – eine deutliche Steigerung. Die Baukosten setzen sich zu etwa gleichen Teilen aus Materialkosten und Lohnkosten zusammen. Letztere sind vor allem durch die regelmäßigen Kollektivvertragserhöhungen kontinuierlich gestiegen. Ein Vergleich mit dem quartalsweise veröffentlichten Baupreisindex zeigt seit etwa 2022 eine deutliche Spreizung: Die Baupreise sind empirisch nachweisbar wesentlich stärker gestiegen als die reinen Baukosten. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Bilanzen großer Bauunternehmen wider, deren Ertragskennzahlen sich in den letzten fünf Jahren teils gewaltig erhöht haben. Das verdeutlicht die wachsende Differenz zwischen den realen Baukosten und den Preisen, die am Markt erzielt werden. Dabei bleibt festzuhalten, dass wir mit den amtlichen Zahlen arbeiten und in der gemeinnützigen Wohnbautätigkeit mit Obergrenzen konfrontiert sind, wie etwa in Oberösterreich, wo die zulässigen Errichtungskosten bei 2.300 bis 2.400 Euro pro Quadratmeter Netto-Nutzfläche liegen – abhängig vom AV-Verhältnis. Diese Werte orientieren sich an der ÖNORM B 1801, Teil 1 bis 9, also alles ohne Grundkosten, aber sämtliche Erschließungen. Damit liegen wir in Oberösterreich im Bundesländervergleich unter dem Durchschnitt. In Salzburg liegen die Werte etwa 25 Prozent höher, in Vorarlberg mal zwei. Im Burgenland bewegen sich die Werte auf ähnlichem Niveau wie in Oberösterreich, allerdings bestehen dort andere Herausforderungen, etwa beim Zugang zu Wohnbauförderungsmitteln. Die zuletzt genannten Zahlen stammen vom 15. Juni 2025 und bilden den aktuellen Stand ab.
Reinhard Egger: Ich glaube, was wir in letzter Zeit bemerkt haben, ist, dass sich durch bestimmte Entwicklungen, wie etwa bei Corona, neue Geschäftsideen ergeben haben. Wir sind zu 95 Prozent Generalunternehmer und damit konfrontiert, dass in manchen Branchen, etwa im Trockenbau oder bei Stahl, quasi Monopolverhältnisse herrschen. Die können machen, was sie wollen. Es gibt nur zwei Anbieter, und wenn diese Firmen nicht liefern, kommt es zu massiven Engpässen. Teilweise dürfen bestimmte Unternehmen Österreich gar nicht beliefern, weil es keine entsprechenden Händlerstrukturen gibt. Das ist einfach die Realität. Ich erinnere mich etwa an die Situation bei Parkettböden, da haben wir die absurdesten Dinge erlebt. Ein Lieferant meinte sinngemäß, er habe die Ware zwar, aber liefern könne er nur, wenn der Preis bei 30 Euro pro Quadratmeter liegt. Dabei hatten wir schon lange zuvor, oft ein Jahr im Voraus, entsprechende Verträge abgeschlossen und konkrete Liefertermine vereinbart.
Pernsteiner: Aber diese Zeiten sind vorbei.
Egger: Aber trotzdem sind die Preise hoch geblieben. Parkett ist bis heute nicht wirklich günstiger geworden. Wenn man dann hört, dass Händler sagen, sie könnten beim Preis nichts machen, weil sich der Markt durch die Indexierung so entwickelt hat. Jetzt kann man streiten, ob fünf oder neun Prozent Indexierung angemessen sind. Aber es zeigt, wie sehr sich der Einkauf in den letzten zehn Jahren verändert hat. Auch beim Beton hat es keine nennenswerte Entspannung gegeben, da haben sich die Preise in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Wir sehen vielerorts eine deutliche Marktkonzentration. Und genau das spiegelt sich letztlich in den Baukosten wider.
Michael Zimper: Das betrifft die Baukosten, erklärt aber nicht das Delta bei den Baupreisen …
Egger: Die sind entsprechend auch nach oben gegangen. Und das EGT ist in den letzten 15 Jahren auch gestiegen, aber nicht in der Weise, wie sich die Baupreise entwickelt haben.
Elmar Hagmann: Wir mögen diese plakative Darstellung zwar ganz gern, auch wenn sie ein bisserl unterstellt, dass sich die Baufirmen bereichern. Kropik erklärt dazu, dass die Baukosten mit dem zugrunde liegenden Warenkorb ermittelt werden. Doch ob dieser Warenkorb der passende ist, um die tatsächlichen Baukosten realistisch abzubilden, ist fraglich. Momentan erleben wir etwa einen regelrechten Tiefbau-Boom. Wenn man sich ansieht, was alles unterirdisch und oberirdisch umgebaut oder angepasst wird, oft im Rahmen von Klimaanpassungsmaßnahmen, dann fließt derzeit ein großer Teil des Bauvolumens in den Tiefbau. Dieser Bereich wird im derzeitigen Baukosten-Warenkorb jedoch nur unzureichend abgebildet. Das spiegelt die Realität nicht ganz wider – und wir wissen das. Gleichzeitig wird oft betont, dass das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, das EGT, massiv gestiegen sei. Wahrscheinlich hat es sich von 1,5 auf 4,5 Prozent erhöht – in einer Branche, die einem enormen Risiko ausgesetzt ist. Bauunternehmen befinden sich genau in der Mitte der Wertschöpfungskette: Sie sind klassische Lohnfertiger, ohne direkten Zugriff auf die Eingangsressourcen Rohstoffe, Boden, etc. aber auch ohne direkten Zugang zum Endkunden. Sie stehen dazwischen. Jeder Immobilienentwickler strebt einen Gewinn von zehn Prozent an, was kaum infrage gestellt wird. In guten Zeiten sind sogar 20 Prozent möglich, in schlechten vielleicht sieben oder acht Prozent. Doch wenn Bauunternehmen fünf Prozent Gewinn machen, ist man ihnen das neidig und empfindet dies als ungebührlich teuer.
Pernsteiner: Das ist kein Vorwurf, sondern basiert auf empirischen Daten. Ich bin völlig bei Ihnen – jeder soll und muss etwas verdienen, und ich bin froh, wenn das gelingt. Die Situation ist ohnehin volkswirtschaftlich betrachtet prekär, wenn der Erfolg der Bauunternehmen langfristig nicht nachhaltig abgesichert ist. Um die Diskussion anzustoßen, habe ich bewusst auf Datensätze zurückgegriffen, die mich auch persönlich beschäftigen. Wir sprechen hier ja nicht nur über Baukosten im engeren Sinn. Die Kosten explodieren in allen Bereichen: bei der Finanzierung, bei den Grundstücken, und in unserem Bereich kommt noch das dritte und vierte mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz (MILG) dazu. Dadurch verlieren wir in den nächsten vier Jahren rund 865 Millionen Euro, weil wir die – ohnehin schon sehr niedrigen – Mieten nicht wertindexieren dürfen. Ich nenne ein Beispiel: Eine Frau wohnt seit 25 Jahren in einer 60- bis 70-Quadratmeter-Wohnung, die damit ohnehin eine Bagatelle kostet. Eine Inflationsanpassung würde die Miete um neun Euro im Monat erhöhen. Diese moderate Anpassung ist aber gesetzlich untersagt. Hochgerechnet auf Millionen Wohnungen ergibt sich daraus ein massiver Verlust, der unsere Branche stark trifft. Wenn wir dann noch darüber diskutieren, ob jemand einen etwas höheren Deckungsbeitrag erzielt oder ob wir mit Manfred Haimbuchner diskutieren, ob wir bessere Qualität bauen sollten, zeigt das nur: Wir haben kaum mehr Spielraum. Mit 2.200 Euro pro Quadratmeter können wir im Grunde nur noch Schachteln bauen, also einfache Standardlösungen umsetzen. Mehr lässt sich damit schlicht nicht realisieren.
Egger: Die Qualität verfolge ich sehr genau, besonders in der Seestadt – auch, weil wir dort selbst investiert sind. Unser erstes Projekt vor Ort war im Jahr 2013, und ich erinnere mich gut: Damals lagen die Baukosten bei knapp 1.400 Euro pro Quadratmeter als GU. In diesen zwölf Jahren hat sich viel verändert – nicht nur, weil wir heute mehr bauen, sondern vor allem, weil wir ganz andere Qualitäten umsetzen als noch vor zehn Jahren. Ich erinnere mich gut an die Anfänge: Als ich als Techniker angefangen habe 1987, kamen die Architekten, haben schnell ein paar Wege eingezeichnet und ein bisschen Begrünung dazu – das war in zwei Stunden erledigt. Heute braucht es dafür einen ausführlichen Landschaftsplan. Und das ist auch gut so, wenn man diese gestalterischen Ansprüche hat, dann soll das auch entsprechend umgesetzt werden. Aber wir müssen uns bewusst sein: In den Außenanlagen haben sich die Kosten nahezu verdoppelt, weil sich auch die Anforderungen verändert haben. Ähnlich ist es bei der Haustechnik – heute arbeiten wir mit komplexen Installationen. Auch das ist notwendig und sinnvoll, gerade mit Blick auf Nachhaltigkeit und Standards wie etwa im Passivhausbereich. Aber das alles wirkt sich auf die Kosten aus. Es ist also nicht nur eine Preissteigerung – wir bauen heute schlichtweg eine ganz andere Qualität als früher. Und das spiegelt sich natürlich auch in den Preisen wider.
Pernsteiner: Herr Egger, da bin ich ganz bei Ihnen – und ich könnte Ihnen dazu hunderte Beispiele nennen. Die plakativsten möchte ich kurz herausgreifen. Natürlich bauen wir zu wenig hoch, aber das ist nur ein Teil des Problems. Man muss hier differenzieren: In Wien ist es vergleichsweise einfach, aber in einer Gemeinde mit 1.500 Einwohnern kann man eben keine sechs Stockwerke errichten. Sie haben es aber vorher angesprochen – die Außenanlagen sind noch das wenigste. Denken Sie nur daran, wie wenig Stahl früher in die Decken eingebaut wurde und wie das damals aussah. Ich arbeite bei einer Gesellschaft, die es seit 75 Jahren gibt. Wir haben uns kürzlich alte Pläne und Gebäude aus dieser Zeit angesehen – die Häuser stehen nach wie vor einwandfrei. Auch Reihenhäuser, die wir vor 50 Jahren gebaut haben. Wir haben überprüft, wie viel Stahl damals pro Kubikmeter Beton verwendet wurde – das war sehr wenig und der Beton wurde händisch gemischt. Trotzdem stehen die Gebäude noch heute, vielleicht mit einer abgesprungenen Fliese, aber grundsätzlich solide.
Egger: Das nächste Thema ist die Bauweise. Mit der Betonwende um das Jahr 2000 und den Eurocodes verwenden wir deutlich mehr Bewehrung und bauen mit höheren Betongüten. Ich spreche hier nicht vom Infrastrukturbau oder Tiefbau, wo das jedenfalls notwendig ist, sondern vom klassischen Hochbau. Da muss man mit der Normung reden. Wir setzen heute wesentlich mehr Stahl und Beton ein – ob immer mit gutem Grund, sei dahingestellt. Dabei stehen die alten Häuser immer noch. Sie beweisen, dass man früher mit deutlich weniger Material auch langlebige Bauten schaffen konnte. Ich will damit nicht sagen, dass wir zurück müssen, aber es gibt viele Punkte, an denen man sich fragen sollte, ob alles wirklich notwendig ist.
Pernsteiner: Ja, und das andere große Problem sind die vielen Normen. Das habe ich schon vor zehn Jahren thematisiert. Damals wurde jedes Jahr an rund 360 bautechnischen Normen gearbeitet – überarbeitet oder neu eingeführt. Auch die ganzen OIB-Richtlinien kamen dazu. Wir dachten ursprünglich, mit der Harmonisierung der Baugesetze und der Einführung der OIB-Richtlinien würde vieles einfacher. Stattdessen wurde in vielen Bereichen weiter nach oben limitiert. Heute bräuchten wir vieles davon gar nicht mehr in dieser Form. Wenn wir über Kosten und Innovation sprechen, könnten wir vielleicht durch industrielle Fertigung manche Dinge kompensieren. Aber die Vielzahl an zusätzlichen Anforderungen, die wir als Bürden bekommen – etwa im Brandschutz, in der Elektronik oder in der Haustechnik –, verursacht enorme Kosten. Diese Komplexität zwingt uns förmlich dazu, innovativ zu sein, um überhaupt noch wirtschaftlich bauen zu können.
Sabine Müller-Hofstetter: Höre ich da heraus, dass wir vieles, wie wir es jetzt bauen, gar nicht so bauchen?
Egger: Schauen wir uns an, was wir heute wirklich brauchen. Ich habe das Gefühl, wir übertreiben es mittlerweile, besonders beim Dämmen. Ich war selbst einmal Zielscheibe der Dämm-Lobby – man dämmt heute oft einfach nur um des Dämmens willen. Ein konkretes Beispiel: Wir dämmen Kelleraußenwände genauso stark wie Außenwände, obwohl diese oft zweieinhalb Meter unter der Erde liegen. Warum? Weil die entsprechenden Richtlinien aus den 1990er-Jahren stammen – einer Zeit, in der der Klimawandel noch kein Thema war. Heute dämmen wir vielfach über das sinnvolle Maß hinaus. In Kellern sind mittlerweile 18 Zentimeter Dämmung Standard – früher waren es fünf. Wir machen das inzwischen fast nur noch rechnerisch, obwohl wir längst wissen, dass der zusätzliche Effekt in vielen Fällen kaum noch etwas bringt, in der vierten Kommastelle vielleicht.
Pernsteiner: Da wird oft einfach noch zwei Zentimeter Styropor draufgepackt, nur damit im Energieausweis ein grünes Lämpchen aufleuchtet – faktisch bringt das aber nichts. Das betrifft eine Vielzahl an Normen.
Hagmann: Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber es stimmt: Beim Thema Klima und Bauvorschriften erleben wir oft einen regelrechten Expertenwettstreit. In der Normung, insbesondere auf EU-Ebene, versucht jeder, noch mehr Sicherheit zu schaffen – das führt immer auch zu einer weiteren Entmündigung der Nutzer. Ein Beispiel: Früher hat es keinen Unterlaufschutz gegeben, da hat man gesagt, „Schau, wo du hingehst. Wenn eine Stiege da ist und man dagegen läuft, ist man selbst schuld“. Heute wird ein Unterlaufschutz bei einer Treppe im Raum verlangt – also ein zusätzliches Bauteil, damit man nicht schauen muss, wo man hinläuft. Das ist völlig übertrieben und steht exemplarisch für viele solcher Fälle. Auch im Bereich der Bauphysik gäbe es Optimierungspotenzial, aber der Fokus liegt oft nur auf maximaler Absicherung. Dabei geht es im Kern meist um den Schutz vor Haftung. Ein großes Problem ist auch das mangelhafte Nutzerverhalten. Viele glauben zum Beispiel, sie müssten im Sommer den Keller lüften – was physikalisch genau das Falsche ist. Wir denken in der Planung viel zu wenig an die Nutzerschulung. Wenn wir diese stärker aufklären und einbeziehen würden, könnten wir deutlich mehr erreichen. Stattdessen aber wird alles so gestaltet, dass niemand mehr nachdenken muss. Das führt zu einem System, das den Nutzer entmündigt und dabei oft über das Ziel hinausschießt.
Pernsteiner: Wir statten inzwischen alle Wohnungen mit Hygrometern aus, damit man sieht, wann es zu feucht wird – das funktioniert vielleicht zwei Tage gut, dann ist es vergessen. Aber das eigentliche Thema, auf das ich immer wieder zurückkomme, ist das Normungswesen, insbesondere die ÖNORMEN. Ein gutes Beispiel ist die ÖNORM B 1600, die den barrierefreien Wohnbau regelt. Wir alle kennen die Vorgaben, etwa dass Schwellen unter drei Zentimetern bleiben müssen – das ist sinnvoll und darüber will ich gar nicht diskutieren. Das Problem beginnt aber dort, wo sich Normvorgaben mit landesrechtlichen Vorgaben überschneiden. In Oberösterreich etwa schreibt die Wohnbauförderung vor, dass eine Zwei-Zimmer-Wohnung nicht größer als 50 Quadratmeter und eine Drei-Zimmer-Wohnung nicht größer als 70 Quadratmeter sein darf. Gleichzeitig verlangt die ÖNORM B 1600 bestimmte Bewegungsradien, insbesondere einen großen Wendekreis im Eingangsbereich und im Bad. Das führt dazu, dass bei ohnehin schon kleinen Wohnungen ein überproportional großer Teil der Fläche für Vorraum und Bad verwendet werden muss – während die eigentlichen Wohnräume kleiner werden, wie das Kinderzimmer, das oft auf unter zehn Quadratmeter schrumpft. Und das hat wiederum neue Folgen: In so kleinen Räumen, mit geschlossener Tür, dichter Gebäudehülle und modernen Fenstern, ist die Luft in der Nacht oft schon nach zwei Stunden verbraucht. Dazu kommt, dass wir all diese Maßnahmen in 100 Prozent der Wohnungen umsetzen, obwohl nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung tatsächlich dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Natürlich ist es gut, dass der Anteil so gering ist, aber es zeigt, dass wir ein Missverhältnis haben. Wir denken in der Barrierefreiheit fast ausschließlich an Rollstuhlnutzer, dabei gibt es viele andere Einschränkungen – etwa Seh- oder Hörbeeinträchtigungen –, die kaum berücksichtigt werden. Die starke Fokussierung auf den Rollstuhl-Wendekreis führt dazu, dass wir zwar formal barrierefreie, aber praktisch oft unzureichend nutzbare Wohnungen bauen.
Hans-Peter Schöll: Ich denke, wir sprechen sehr viel darüber, was sich ändern muss – und das zu Recht. Es ist ein umfangreiches Thema, das endlich klar und vor allem praxisnah reguliert werden sollte. Vereinfachung ist dabei essenziell. Aber vielleicht sollten wir in dieser Runde auch einmal überlegen, was wir selbst konkret tun können. Der Fokus auf uns selbst, auf das Machbare, wäre ein guter Ansatz. Ich bin regionaler Baumeister im Burgenland und baue hauptsächlich zwei- bis dreigeschoßige Wohnbauten. Die Situation in Wien ist damit kaum vergleichbar – das ist eine völlig andere Liga. Ich selbst hatte ein sehr schwieriges Jahr, eigentlich zwei schwierige Jahre – bei mir schaut die Spanne nicht so aus – und ich weiß, dass es vielen in der Branche ähnlich geht. Irgendwo verlieren wir so viel Geld, dass man sich das oft nicht ganz erklären kann. Ich habe viele Jahre im Ausland gearbeitet – unter anderem in New York und São Paulo – und viel gesehen. Kürzlich war ich beim B.R.I.O.-Projekt der ÖSW in Wien, Das wird im geförderten Wohnbau für 8,50 Euro netto pro Quadratmeter vermietet – und das bei beeindruckender baulicher Qualität und Detailgenauigkeit. Ich finde, was wir in Österreich technisch leisten, ist im internationalen Vergleich sehr stark. Unsere Bauweise hat sich in den letzten 20 Jahren enorm weiterentwickelt – ein riesiger Unterschied zu dem, was noch mein Vater gebaut hat. Aber was ich sagen möchte: Ich selbst bin Bauunternehmer und Immobilienentwickler, ein Drittel meines Umsatzes stammt aus eigenen Projekten. Ich baue jährlich rund 20 von mir selbst entwickelte Reihenhäuser. Da bin ich in Totalunternehmerschaft: Ich kaufe die Grundstücke, plane sie komplett selbst – plane von innen nach außen, so wie es auch im Early Contracting empfohlen wird. Ich hole mir meine Installateure, Haustechniker und Elektriker frühzeitig ins Boot. Ich baue mit Deckenheizung, Deckenkühlung, Tiefenbohrung und Erdwärmepumpe. Nachhaltigkeit ist mir wichtig – meine Häuser erreichen klimaaktiv-Gold-Standard, was alles andere als einfach ist. Was ich sagen will: Ich hole mir meine Leute früh herein und mein Technikraum ist daher nur 3,8 Quadratmeter, der bei der Konkurrenz hat sieben bis zehn Quadratmeter. Ich plane das Haus und dann beginnen wir zu bauen. Meine Baukosten sind teilweise billiger als ein Genossenschaftsbau. Da ich frühzeitig plane, direkt beauftrage und effizient baue, kann ich so ein nachhaltiges Reihenhaus oft günstiger errichten als ein vergleichbares gefördertes Gebäude. Das zeigt, worauf es ankommt. Ein zentraler Punkt ist, dass Planen und Bauen heute meist voneinander getrennt ablaufen. Da gab es den tollen Vortrag von Professor Achammer bei den Bautagen im vergangenen Jahr, der genau das kritisiert hat. Denn genau da verlieren wir enorm viel – Zeit, Geld und Qualität durch Kommunikationsverlust. Ich sehe das auch im Alltag mit meinen Kindern die dreisprachig aufwachsen: Einer sagt etwas, der andere versteht etwas anderes. Genauso ist es oft auf der Baustelle – der Plan kommt vom Architekten, dann übernimmt der Bauleiter, dann die ausführenden Firmen. Da geht so viel Information und Abstimmung verloren. Im Burgenland hatten wir einen Bauträger, der ein Jahr lang von einem CEO begleitet wurde. Der wollte alles innovativ machen, bis hin zur Haustechnik, jedoch funktionierte die Basis, nämlich die Kommunikation und die Baukoordination, überhaupt nicht. Irgendwann hieß es: „Vergiss es – so verlieren wir den Bau“ – und schlussendlich er seinen Job. Ich selbst baue meine Häuser in zwölf Monaten, während andere zwei Jahre dafür brauchen. Da liegt so viel Potenzial – auch wirtschaftlich. Wenn man diese Prozesse besser aufeinander abstimmt und integrativer denkt, dann kann man nicht nur effizienter bauen, sondern wirklich auch viel Geld sparen – mehr als mit Digitalisierung, was natürlich der nächste oder begleitende Schritt sein muss.
Zimper: Wie sind die Gedanken dazu aus der Sicht von Gropyus?
Bernd Oswald: Das sind zwei zentrale Punkte, die man sich bewusst machen sollte. Es ist schön, wenn sich einzelne Kostenelemente verändern und sich dadurch der Baukostenindex bewegt – aber das bringt nur dann einen echten Vorteil, wenn sich auch die Prozesse verändern und wir dadurch tatsächlich Kosten senken können. Ein positiver Effekt entsteht nur, wenn wir zum Beispiel den Verschnitt von 20 auf zwei Prozent reduzieren oder den Personalaufwand von 50 auf 20 Prozent senken. Genau dort liegen die großen Hebel. Es reicht also nicht, einfach weiterzumachen wie bisher und sich dann zu wundern, dass die Ergebnisse gleich bleiben – nur eben auf einem höheren Kostenniveau, weil sich alle Inputfaktoren verteuert haben. Planung und Ausführung müssen viel enger integriert werden – das ist heute unverzichtbar. In der Baubranche herrscht noch immer eine starke Fragmentierung: Der Architekt entwirft ein Kunstwerk, die Bauingenieure machen es irgendwie realisierbar, kümmern sich aber nicht um die Kosten, weil das nicht ihr Spezialgebiet ist. Der Projektentwickler streicht alles zusammen, was zu teuer wirkt – und am Ende entsteht ein Produkt, das niemand wirklich wollte. Deshalb muss man den Prozess umdrehen: Zuerst die Frage, was der Nutzer tatsächlich braucht, was ihm einen echten Mehrwert bietet – und dann rückwärts denken. Welche Schritte, Systeme und Prozesse braucht es, um dieses Ziel effizient zu erreichen? Wir brauchen möglichst hohen Wiederholungsfaktor, standardisierte Lösungen, möglichst hohe Industrialisierung und so wenig Einzellösungen wie möglich. Es sollte nicht sein, dass die Haustechnik jedes Mal neu entwickelt wird. Für ein Gebäude einer bestimmten Größe muss es standardisierte, skalierbare Techniklösungen geben, die modular aufgebaut und einfach austauschbar sind – gerade bei Komponenten wie der Haustechnik, die typischerweise häufiger ersetzt wird als etwa die Gebäudehülle. So habe ich nicht bei jedem Projekt wieder die Planungskosten dafür. Was ist Industrialisierung? Was ist ein integrierter Produktansatz? Wenn ich weiß, ich brauche ein Produktfeature, etwa die Heizung, dann plane ich die Heizung nicht als spätere Ergänzung, sondern als festen Bestandteil des gesamten Produkts von Anfang an – genauso wie den Grundriss, die Fassade oder das Dach. Teile der Technik installiere ich schon im Werk, anderes als Modul vor Ort, einen haustechnischen Container, den ich aufs Dach setze und bei Bedarf tauschen kann, weil man Haustechnik typischerweise öfter mal tauscht als andere Gebäudeteile, das ist Teil eines integrierten Produktansatzes. Der setzt aber voraus, dass ich den gesamten Prozess unter Kontrolle habe – ein echter End-to-End-Ansatz. Wenn hingegen nur einzelne Leistungen getrennt vergeben werden, ist eine integrierte Planung kaum möglich. Genau hier liegt der Unterschied: Nur wenn ich Architektur, Bau, Fertigung und Betrieb gemeinsam denke, kann ich das volle Potenzial ausschöpfen. Das ist ein Wahnsinns-Hebel. Dann lassen sich technische Anforderungen, Design und Nachhaltigkeit miteinander verbinden, ohne dass das eine gegen das andere ausgespielt wird. Unsere Grundlogik lautet: Automatisierung und Industrialisierung, wo immer es sinnvoll ist. Denn heute kostet Automatisierung nicht mehr viel – das muss man ehrlich sagen. Wir haben eine Fabrik errichtet, mit einer Jahreskapazität von 250.000 Quadratmetern Bruttogeschoßfläche – das entspricht rund 3.500 Wohneinheiten, je nach Größe. Damit konnten wir den Anteil der Personalkosten des Gesamtbauwerks auf etwa die Hälfte reduzieren. Die gesamte Investition in Maschinenpark, die gesamte Investition, schlägt mit etwa 20 Euro pro Quadratmeter BGF zu Buche – also rund ein Prozent der Gesamtbaukosten. Das zeigt, welches Potenzial in einem konsequent industrialisierten Ansatz steckt.
Pernsteiner: Vorausgesetzt, ich kann das Flächenäquivalent effizient im Markt unterbringen.
Oswald: Ziel ist es, die gesamten Lohnkostenanteile so weit wie möglich zu senken – das muss man ganz klar sagen. Aber auch wenn wir es schaffen, diese auf etwa 40 Euro pro Quadratmeter zu reduzieren, entspricht das gerade einmal zwei Prozent der Gesamtkosten. Das ist natürlich ein enormer Vorteil, den man in der klassischen Bauweise so nicht erreicht. Deshalb müssen wir uns von der Abhängigkeit der Lohnkosten lösen. Ein Werk kann ich grundsätzlich überall dort hinstellen, wo ich den Markt habe – also in der Nähe der Projekte und dort, wo ich auch gar kein Personal für herkömmlichen Bau finde. Wir produzieren deshalb bewusst in der Mitte Deutschlands und nicht etwa in Polen, weil es nicht um billige Löhne geht, sondern um Nähe zum Kunden und um verlässliche Lieferketten. Die Personalkosten müssen dabei möglichst stabil und kalkulierbar sein – nur dann rechnet sich das Modell langfristig. Und genau das verschafft uns einen entscheidenden Vorteil gegenüber konventionellen Bauweisen.
Müller-Hofstetter: Wie groß ist der Liefer-Radius?
Oswald: Aktuell liegt unser Lieferradius bei etwa 600 Kilometern rund um unseren Standort. Damit decken wir Städte wie Wien, Berlin, Paris und andere Regionen in diesem Umkreis problemlos ab.
Müller-Hofstetter: Herr Hagmann, das Haus der Zukunft kommt aus der Fabrik – ist das so?
Hagmann: Wenn das funktionieren soll, müssen auch die Rahmenbedingungen entsprechend gesetzt sein. Dafür braucht es passende Flächenwidmungen. Ihr seid schließlich Systembauer – ich weiß nicht, wie individuell ihr bauen könnt …?
Oswald: Ja, es gibt bei uns natürlich ein Grundbausystem, das auf einem standardisierten Konstruktionsprinzip mit einer Grundlogik basiert. Dieses wird aber jeweils an die lokalen Bauordnungen angepasst in der Konfiguration. Der Vergleich mit dem Auto hinkt vielleicht ein wenig, aber er veranschaulicht das Prinzip ganz gut. Ich erinnere mich an ein Plakat am Flughafen Frankfurt: Ein Opel Mokka mit dem Slogan „250.000 Konfigurationsmöglichkeiten“. Da fragt man sich schon – wer braucht das? Das ist Wahnsinn. Aber klar ist: Man braucht genug Flexibilität, um auf unterschiedliche örtliche Gegebenheiten, Klimavorgaben, Ortsbildpflege reagieren zu können, um ein Produkt zu schaffen, das dort hin passt, sowohl vom Design her als auch von den Nutzeranforderungen – je nach demografischer Struktur. In manchen Regionen liegt die durchschnittliche Wohnungsgröße bei 40 Quadratmetern, in anderen bei 70. Wir haben unterschiedliche Dämmwerte, Gebäudehöhen etc. immer passend zur jeweiligen Bauordnung. Um Komplexität zu reduzieren, bleiben wir dabei möglichst bei einem einheitlichen System. Wir verwenden zum Beispiel für vier- und sechsgeschossige Gebäude dasselbe Bausystem. Natürlich könnten wir bei vier Geschossen noch einzelne Kosten optimieren, aber der zusätzliche Aufwand durch eine separate Systementwicklung würde am Ende teurer kommen als das, was wir einsparen könnten. Daher verzichten wir bewusst darauf und setzen auch beim viergeschossigen Bau das etablierte System ein. Eine gleichmäßige Auslastung ist für uns ohnehin entscheidend, um wirtschaftlich arbeiten zu können.
Hagmann: Wir als „Betonierer und Ziegelschlichter“ beobachten natürlich genau, was sich aktuell tut – insbesondere im Bereich der industrialisierten Holzfertigteilbauweise. Die drei großen Player im deutschsprachigen Raum, die wir hier nicht namentlich nennen müssen, wollen diesen Markt grundlegend verändern. Sie haben sich vorgenommen, das Bauen zu revolutionieren – mit dem Versprechen, 20 Prozent günstiger zu sein als der konventionelle Bau. Die spannende Frage ist: Wie realistisch ist dieses Versprechen tatsächlich? Denn wenn ihr wirklich 20 Prozent günstiger bauen könnt als wir, dann müssten euch die Kunden doch regelrecht die Türen einrennen. Oder dauert es noch zehn Jahre, was auch OK wäre?
Oswald: Ich würde es so formulieren: Wir sind aktuell gut ausgelastet und haben eine gut gefüllte Pipeline. Über fehlende Nachfrage können wir uns wirklich nicht beklagen.
Egger: Handelt es sich dabei um Eigenprojekte oder um Aufträge von Bauträgern?
Oswald: Das sind private Bauträgerprojekte. Die ersten Projekte waren natürlich Gebäude aus eigener Hand – da mussten wir zuerst zeigen, dass es funktioniert. Denn wer kauft schon von einem Start-up einen mehrgeschoßigen Bau, wenn es zuvor noch kein einziges realisiertes Gebäude gibt?
Hagmann: Warum nicht, wenn es um 20 Prozent billiger ist? Unsere Investoren hätten das auch gerne …
Oswald: Ich würde an dieser Stelle gern noch kurz auf die Kostenstruktur eingehen. Wir haben bereits jetzt klare Kostenvorteile, das steht außer Frage. Allerdings bietet unser System derzeit noch nicht an allen Stellen die Flexibilität, die wir langfristig benötigen. Das bedeutet, dass wir bei manchen Projekten, zu denen wir angefragt werden, aktuell noch nicht in der Lage sind, ein Angebot abzugeben – einfach weil unser System diese Anforderungen noch nicht abbilden kann. Man muss mit einem Produkt starten, das ein bestimmtes Marktsegment abdeckt – ein Spektrum, das man optimieren und kostenseitig effizient gestalten kann. Das bedeutet aber auch: Es gibt zunächst keinen Erker, keine 17 Rücksprünge in der Fassade und manche architektonischen Besonderheiten eben noch nicht. Diese Elemente werden schrittweise dazukommen. Aber im ersten Schritt müssen wir ein wirtschaftlich tragfähiges, marktfähiges Produkt anbieten – und mit genau diesem gehen wir in den Markt.
Hagmann: Ihr seid Totalunternehmer – mit einem Bauunternehmen als Subunternehmer, der Keller, Tiefbau, Baggerarbeiten und ähnliches übernimmt. Denn das schöne, ästhetisch ansprechende Bauen mit Holz, das wir alle schätzen, beginnt ja erst irgendwann. Zuerst startet es drunter, dreckig – da wird es oft komplex.
Oswald: Wir machen GÜ – wir machen Planung, Bau und Abwicklung.
Hagmann: Aber ihr nehmt dann ein Bauunternehmen als Sub – oder habt ihr die Ressourcen selbst?
Oswald: Nein, wir nehmen dann beispielsweise für die Bodenplatte einen Subunternehmer.
Egger: Was ich beobachte, ist: Wie wird überhaupt gebaut? Zuerst bestimmt die Flächenwidmung, was möglich ist. Dann kommt der Wohnbau, oft beeinflusst durch Grundstücksvergaben oder Vorgaben, die bestimmte Nutzungen bevorzugen – zum Beispiel Projekte speziell für Radfahrer oder andere thematisch ausgerichtete Wohnformen. Danach kommt der Architekt ins Spiel. Und man darf nicht unterschätzen, welchen Einfluss Architekturbüros haben – sie entscheiden zu 50 Prozent, wie ein Gebäude aussieht. Wenn man sich das in Österreich ansieht: Es gibt rund 600 Büros, die maßgeblich darüber entscheiden, was gebaut wird – vom Design her. Erst danach kommt der Bauherr, der Bauträger oder Auftraggeber und bringt weitere Anforderungen oder Anpassungen ein. So entsteht letztlich das fertige Gebäude – ein Zusammenspiel vieler Beteiligter mit jeweils unterschiedlichem Einfluss auf das Ergebnis.
Schöll: Entschuldigung, einer fehlt – das ist der Kunde. Letztlich ist es der Kunde, der mitentscheidet, was gebaut wird. Wenn ich im Burgenland einen Trockenbauer bestimmen lasse, wie gebaut wird, dann bekomme ich mein Haus nicht los, dann entsteht auch kein echtes Baupotenzial. Wenn mir etwa die Außenarchitektur nicht gefällt, bringe ich das als Kunde ein – und das ist wichtig. Es muss einfach passen. Man kann dem Markt nichts aufzwingen, sondern muss sich an den tatsächlichen Bedürfnissen orientieren und da brauchen die Architekten viel mehr Input und Guidance von den Bauträgern.
Egger: Wir können nicht am Markt vorbeibauen …
Pernsteiner: Beim Bauen im großen Maßstab ist genau das eine der Herausforderungen: Ein entscheidender Faktor, der die angestrebte Einheitlichkeit erschwert, ist die Beschaffenheit der Grundstücke. Denn jedes Grundstück ist anders – ich habe selten die ebene, großflächige Parzelle, auf der sich standardisierte Lösungen einfach umsetzen lassen.
Oswald: Das ist interessant, im Nordbahnviertel zum Beispiel, ein großes, ebenes Grundstück, auf dem man im Prinzip alles umsetzen kann, was man möchte. Es wird individuell geplant, aber am Ende sieht jede Box dennoch gleich aus. Da muss mir mal einer erklären: Wo liegt da der Mehrwert oder die gestalterische Effizienz des Architekten? Außer, dass ich zusätzliche Kosten kreiere, passiert da nichts. In solchen Fällen wäre ein standardisierter Zugang möglicherweise deutlich effizienter.
Egger: Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Wir kämpfen schon seit Langem dafür, zumindest das Bad als vorgefertigtes Element liefern zu können. Im Wohnbau ist das allerdings kaum umsetzbar. Bei unserem größten Projekt hatten wir 763 Wohnungen – im Schnitt mit 250 Einheiten pro Bauabschnitt. Und selbst dort hatten wir rund 140 unterschiedliche Badvarianten. In so einem Fall lohnt sich die Vorfertigung schlicht nicht mehr. Wenn man dann mit dem Bauträger darüber spricht, heißt es oft: „Die Planung ist schon abgeschlossen, du kommst zu spät.“ Das zeigt ein grundlegendes Problem – die Vorfertigung kann nur funktionieren, wenn man frühzeitig eingebunden wird.
Müller-Hofstetter: Herr Rhomberg, Sie hören schon länger zu. Sie bauen schon länger in Vorfertigung – was ist Ihre Einschätzung dazu?
Hubert Rhomberg: Wir stehen aktuell an einem Punkt, an dem sich einiges verändern muss – und auch bereits in Bewegung ist. Vieles hängt davon ab, was sich Gemeinden und Entscheidungsträger wünschen: ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild, bestimmte Materialien, Gestaltungsvorgaben. Wirklich innovativ wäre es, wenn man solche Themen auch als Teil eines systematischen Bauansatzes denken würde – also als Weiterentwicklung des Systembaus. Der Wunsch nach individueller Planung bleibt zwar bestehen, aber gerade im großen Maßstab stoßen wir damit an Grenzen. Denn technisch gesehen stellt sich die Frage: Was verhindert eigentlich eine effiziente Wiederholbarkeit und Skalierung? Oft ist es nicht einmal der Hochbau an sich, sondern die Vielzahl an lokalen Vorgaben. Selbst kleinste bauliche Elemente müssen immer wieder neu verhandelt werden. In Österreich ist es beispielsweise noch immer möglich, dass nahezu jede Gemeinde, jeder Bürgermeister, jeder Gestaltungsbeirat eigene Vorstellungen einbringt – das ist eine massive Bremse für standardisierte Prozesse. Auch dort, wo Großvolumina geplant wären, wird das Potenzial durch kleinteilige Vorgaben ausgebremst. Hinzu kommt, dass sich viele Bauträger mit Gemeinden schwer tun, überhaupt geeignete Grundstücke zu bekommen. Und dann bleibt das Problem der hohen Investitionskosten in industrielle Fertigungsstrukturen. Solche Investitionen lohnen sich nur, wenn über mehrere Jahre planbare Stückzahlen mit strategischen Partnern abgesichert sind. Ohne Planungssicherheit bleibt die Bereitschaft zur Vorfertigung begrenzt. Was hingegen gut funktioniert, ist die Vorfertigung von Nasszellen beispielsweise, Installationsmodule– inklusive Heizungs-, Lüftungs-, Kühlungs- und Elektroverteilungssystemen – werden heute immer häufiger komplett vorgefertigt geliefert. Damit können wir die Installationszeit pro Wohnung auf etwa 15 Minuten reduzieren. So etwas bringt echte Effizienz. In Kombination mit standardisierten Abläufen dauert der gesamte Innenausbau in solchen Projekten manchmal nur dreieinhalb Monate bis zum Einzug. Das zeigt: Im kleineren Maßstab ist Skalierung durchaus möglich, wir können die Prozesse skalieren und dadurch 20 Prozent Kosten einsparen – wir haben das durchgerechnet, mit wiederholbaren Wandelementen, mit Modulen etc., aber es lässt sich kaum eine Investition in eine eigene Fertigung darstellen. Es bleibt in Österreich die Kleinteiligkeit. Ein Gropyus hat in Deutschland sicher den größeren Hebel. Unsere Lösung: Wir setzen auf dezentrale Partnerschaften. Statt an einem Ort eine riesige Kapazität aufzubauen, arbeiten wir mit lokalen Partnern, die unsere Systeme regional umsetzen. So vermeiden wir hohe Anfangsinvestitionen und bleiben flexibel. Ein weiterer Treiber ist der Fachkräftemangel. Es wird immer schwieriger, überhaupt noch qualifizierte Handwerker für die Baustelle zu finden. Es sind oft zehn Sprachen auf der Baustelle, kaum jemand kann die gewünschte Qualität zuverlässig liefern. Genau hier setzt industrielle Fertigung an: Sie liefert zum richtigen Zeitpunkt die richtige Qualität – verlässlich, durchgeplant und in hoher Präzision. Erste Projekte zeigen bereits, dass der Trend zur frühzeitigen Integration von Design und Technologie zunimmt. Entscheidend ist dabei der Investor: Wenn er verstanden hat, dass seine frühen Entscheidungen den größten Einfluss auf Effizienz und Kosten haben, kann sich tatsächlich etwas bewegen. Und das geschieht derzeit zunehmend. Mit digitalen Zwillingen lassen sich heute ganze Bauabläufe simulieren, Varianten vergleichen und Abläufe optimieren – das ist ein enormes Potenzial. Deshalb bin ich grundsätzlich optimistisch, wir sehen nur, das derzeit der gesamte Markt am Boden ist. Da gibt es verschiedene Gründe dafür: Die Vorschriften ist einer davon, die Finanzierungsthematik ein anderer.
Zimper: Können wir kurz über den digitalen Zwilling reden in diesem Zusammenhang …
Rhomberg: Man muss sich vorstellen: Wir bewegen uns ganz klar weg vom klassischen Projektdenken hin zum Produktdenken. Der Kunde kauft bei uns nicht mehr ein einzelnes Bauprojekt, sondern ein fertiges Produkt – vergleichbar mit einem Möbelstück. Das betrifft beispielsweise Hotels, Studentenheime, Kindergärten oder Mikroapartments. Der Kunde erwirbt ein Gebäude als Produkt mit Nasszelle, mit Haustechnik, mit einem eigenen Betriebssystem, das von uns kommt. Dieses System ist in der Lage, selbstständig zu agieren – das Gebäude denkt und handelt gewissermaßen mit. Es kann etwa automatisch den Lift rufen oder andere Funktionen der Gebäudeverwaltung übernehmen. Rund 80 Prozent der üblichen Aufgaben eines Facility Managements sind damit automatisiert. Das Gebäude wird so zum eigenständigen, intelligenten Endprodukt. Der Kunde erhält ein klares Angebot: Das Produkt kostet die Summe X, die Ausstattung ist definiert, der Betrieb ist geregelt – und er muss sich danach um nichts mehr kümmern. Natürlich gibt es auch hier gewisse Konfigurationsmöglichkeiten, ähnlich wie bei einem Autokonfigurator: Man kann Farben, Ausstattungsdetails oder einzelne Module wählen. Aber hinter jeder Auswahl stehen klar definierte Bauteile und Standards. Da geht aus unserer Sicht die Reise hin. Es bleibt Raum für Individualität – innerhalb eines vorgegebenen, funktionalen Rahmens. Dafür brauchen wir den digitalen Zwilling, mit dem sich der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes abbilden und optimieren lässt.
Zimper: Aber mit der zunehmenden künstlichen Intelligenz kann die Vorfertigung auch individueller werden?
Oswald: Das passiert in einem datengetriebenen Unternehmen wie Gropyus praktisch automatisch. Wenn man – wie auch Hubert das macht – von der Planung über die Fertigung und Montage bis hin zum Betrieb kontinuierlich Datenpunkte sammelt, entsteht eine enorme Wissensbasis. Diese Datenpunkte fließen direkt in die Weiterentwicklung des Produkts ein. Sobald ich verstehe, wie Nutzer – also die Bewohner – tatsächlich leben, wie sie sich verhalten, was sie benötigen, und gleichzeitig weiß, welche Bauelemente in der Fertigung welchen Aufwand erzeugen, kann ich gezielt Optimierungen vornehmen. So lässt sich das Produkt laufend verbessern – nicht nur funktional, sondern auch kosten- und ressourcenseitig. Ein einfaches Beispiel: Wenn ich die Zeitfresser in der Fertigung analysiere, finde ich schnell heraus, wie sich selbst kleine Änderungen – etwa eine Fensteröffnung, die fünf Zentimeter größer oder kleiner ist – auf die Produktionsdauer auswirken. Oder ob die Überlappung von Gipskartonplatten effizient ist. Ein weiteres Beispiel: Es macht einen Unterschied für die Akustik, ob Gipskartonplatten in einer geraden Linie geklammert werden oder leicht versetzt. Das steht in keinem Datenblatt, aber durch datenbasierte Auswertung kann man solche Erkenntnisse gewinnen – und in die nächste Produktgeneration einfließen lassen. So entwickelt sich das Gebäudeprodukt kontinuierlich weiter, jedes neue ist besser als das davor. Das ist ein Riesen-Hebel. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bauzeit – sie hat enorme Auswirkungen auf die Finanzierungskosten. Vorfertigung verkürzt die Bauzeit nicht nur, sie verschiebt ganze Arbeitsschritte von der Baustelle ins Werk. Und dort herrschen völlig andere Toleranzen: Bei einem vorgefertigten Bauelement auf zehn Metern Länge liegen die Abweichungen im Bereich von einem Millimeter – das ist Maschinenbaupräzision in der Fabrik. Für die Montage bedeutet das: Kein Nacharbeiten, keine Überraschungen. Auf der Baustelle kann man problemlos 1.000 Quadratmeter pro Woche mit einem Kran montieren – ganz easy. Und auch hier lernen wir wieder dazu: Warum dauert es, ein bestimmtes Element zu montieren, doppelt so lange wie ein anderes? Was ist der Unterschied? Genau diese Rückkopplungsschleifen sind der Schlüssel zur laufenden Produktverbesserung – sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Das System lernt mit jeder Umsetzung.
Schöll: Ich stimme dir da vollkommen zu: Der modulare, standardisierte und vorgefertigte Bau hat definitiv seine Berechtigung, hat einen gewissen Prozentsatz am Markt. Er wird vermutlich auch weiter an Bedeutung gewinnen. Aber gleichzeitig ist es so, dass sowohl im ländlichen Raum als auch in der Stadt nach wie vor sehr viel individuell gebaut wird. Die Gegebenheiten sind von Projekt zu Projekt unterschiedlich – die Grundstücke variieren stark, die Bebauungsvorschriften sind unterschiedlich, genauso wie die Vorgaben zur Bebauungsdichte oder zur Gebäudehöhe. Gerade bei Bauträgerprojekten bedeutet das oft, dass eine Standardisierung oder Modularisierung im klassischen Sinn schwer umzusetzen ist.
Oswald: Und genau das ist ein weitverbreiteter Trugschluss: Viele setzen modulares Bauen noch immer mit dem klassischen Plattenbau gleich. Aber diese Zeiten sind längst vorbei. Vergiss das – denn für einen Roboter ist es völlig egal, ob ein Bauelement ein paar Zentimeter länger, breiter oder höher ist. Heute kommen maßgeschneiderte Einzelstücke – also Elemente in Losgröße 1 – mit der Effizienz einer industriellen Serienfertigung aus dem Werk. Das ist moderne Industrialisierung. So entstehen individualisierte Gebäude, aber innerhalb klar definierter Rahmenbedingungen. Natürlich gibt es gewisse Einschränkungen. Ein Beispiel: Die Fassaden bestehen bei uns immer aus Plattenwerkstoffen. Warum? Weil eine Putzfassade nur auf der Baustelle aufgebracht werden kann – und das widerspricht dem Prinzip der Vorfertigung. Ein Plattenwerkstoff hingegen – ob Aluminium, Faserzement oder ein anderes Material – lässt sich bereits im Werk montieren. Welches Material konkret verwendet wird, ist für den Prozess im Prinzip unerheblich.
Müller-Hofstetter: Herr Rhomberg, wie lange wird es dauern, bis Herr Pernsteiner von der ISG zu Ihnen kommt und ein Gebäude bestellt? Von welchem Zeithorizont sprechen wir da?
Rhomberg: Sobald offensichtlich ist, um wieviel günstiger und schneller wir sind.
Müller-Hofstetter: Das heißt, einfach nur schlechtes Marketing, wenn er bis jetzt noch nicht bei Ihnen war …
Rhomberg: Wir haben in den letzten zwei Jahren viele Projekte umgesetzt, und bei klassischen Ausschreibungen beteiligen wir uns mittlerweile nur noch, wenn wir das Gefühl haben, dass auch wirklich Interesse an alternativen Ansätzen besteht. Künftig wird man immer öfter sehen, wie solche Systeme funktionieren – wie sauber, schnell und zuverlässig wir arbeiten und welche Kostensicherheit wir bereits in einem sehr frühen Stadium bieten können. Schon beim ersten Planungsmodell, also beim allerersten Entwurf, können wir einen belastbaren Preis angeben. Ich bin überzeugt, dass sich der Markt in den nächsten zwei bis drei Jahren deutlich bewegen wird – getrieben von klaren Mehrwerten. Denn wer einmal ein solches Projekt umgesetzt hat, wird sich kaum mehr freiwillig in eine klassische Bausitzung setzen wollen, bei der zehn Personen am Tisch sitzen, die sich zum ersten Mal begegnen und jeder auf Basis seiner letzten Projekterfahrung ein neues Haustechnik- oder Planungskonzept zusammenbastelt – am Ende entsteht ein individueller Prototyp mit unklarem Ergebnis. Wenn erst einmal deutlich wird, wieviel Geld dabei verschleudert wird – und wer diese Kosten letztlich trägt – hört sich das schnell auf. Das ist nicht nur meine Wunschvorstellung, sondern meine feste Überzeugung.
Pernsteiner: Ich möchte an dieser Stelle ergänzen, dass bereits einige gemeinnützige Bauträger standardisierte Bauten umsetzen und die damit verbundenen Vorteile – wie Skalierungseffekte und wiederverwendbare Planungselemente – aktiv nutzen.
Müller-Hofstetter: Aber nicht mit Vorfertigung, oder?
Pernsteiner: Zum Teil. Die Vogewosi macht das eine oder andere schon in vorgefertigten Elementen. Gleichzeitig muss man aber auch andere Perspektiven einbeziehen, denn wir betrachten das Thema hier oft ausschließlich aus produktionstechnischer Sicht. Dabei gibt es zahlreiche weitere Einflussfaktoren, die ebenso relevant sind. Ein wesentlicher Aspekt ist die Rechtsform des Bauvorhabens. Wir setzen Projekte in unterschiedlichen Rechtsformen um – zur Miete, im Mietkauf oder als Eigentum. Gerade im Eigentumsbereich ist das Maß an Individualisierung deutlich höher. Käufer bringen sich aktiv ein, möchten mitentscheiden – ändern oft noch die Fliesen, wenn die schon auf der Baustelle liegen, die sie am Wochenende illegal betreten haben oder wollen noch eine Wand versetzt haben – treffen Änderungswünsche also oft sehr spät. Das sind schwer kalkulierbare Eingriffe, die mit standardisierten Abläufen schwer vereinbar sind. Ein weiterer Punkt ist die Nutzerstruktur. Die Produkte, die Herr Rhomberg entwickelt – ob Kindergarten oder Studentenheim – haben einen Nutzer. Sobald jedoch mehrere Nutzer involviert sind, etwa bei Eigentumsprojekten oder gemischt genutzten Anlagen, steigen die Anforderungen an Individualisierung. Der Bauherr kann eine Genossenschaft, ein Investor oder eine Privatperson sein – aber letztlich gilt der bekannte Satz: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Und sobald der Endkunde mitentscheidet, entstehen ganz individuelle Anforderungen, die sich oft nicht standardisieren lassen. Auch die regionale Akzeptanz spielt eine Rolle. In Oberösterreich ist der Holzbau etwa noch nicht so etabliert wie in Vorarlberg. Ich selbst war vor 20 Jahren bei Zima in Vorarlberg tätig – wo man dem Holzbau gegenüber bereits sehr aufgeschlossen war. In Oberösterreich hingegen haben wir damals versucht, ein Reihenhausprojekt im Holzbau umzusetzen. Es war als Forschungsprojekt angelegt: Zwei Doppelhäuser in Holzbauweise, zwei in Massivbauweise. Wir hätten durch gezielte Maßnahmen gleiche Baukosten erreicht und den Käufern die Wahl gelassen. Das Ergebnis: Jeder hat sich für das Massivhaus entschieden. Vor 20 Jahren war die Akzeptanz für Holzbau in Oberösterreich schlicht nicht vorhanden. Nicht ein einziger Kunde hat sich für die Holzvariante entschieden. Das zeigt: Neben der technischen Machbarkeit und Produktionslogik spielen auch kulturelle, rechtliche und psychologische Faktoren eine entscheidende Rolle für die Umsetzung und Akzeptanz neuer Bauweisen.
Müller-Hofstetter: Da ist ein gewisses Umdenken schon vorhanden?
Pernsteiner: Da findet langsam ein Umdenken statt. Früher waren es vielleicht nur ein paar Lehrende oder kritische Geister, die eine gewisse Affinität zu alternativen Bauweisen hatten. Heute ist das Interesse breiter geworden. Trotzdem gilt: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler – gerade bei so einer langfristigen Investition spielt die individuelle Vorstellung der Käufer eine große Rolle, was Entscheidungen oft sehr komplex macht. Ich möchte dazu noch ein anderes plakatives Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung bringen, das gut verdeutlicht, worum es geht. Vor etwa 25 Jahren war ich bei der Zimmerei tätig, wir hatten eine Holzbaufirma. Damals wollten wir ein standardisiertes Haus mit 100 Quadratmetern Wohnfläche zu einem Fixpreis von einer Million Schilling auf den Markt bringen – das war unser Ziel. Wir haben es auch kalkulatorisch geschafft und sind mit einem Musterhaus in die Vermarktung gestartet. Das war aus Marketingsicht ein voller Erfolg – ein echter Publikumsmagnet. Warum? Die Leute kamen, sahen das Haus und waren begeistert vom Preis-Leistungs-Verhältnis. Aber am Ende hat niemand genau dieses standardisierte Haus gekauft. Stattdessen entschieden sich die meisten für Varianten mit 107,5 Quadratmetern, zwei Millionen Schilling Kosten – sinnbildlich gesprochen. Denn sobald es um konkrete Ausstattung ging, wollte jeder etwas anderes: mehr Steckdosen, andere Raumaufteilung, individuelle Anpassungen. Das standardisierte Haus diente als Einstieg, gekauft wurde dann aber ein individuelles. Diese Erfahrung zeigt mir, dass es – selbst wenn eine industrielle Fertigung technisch möglich ist und wirtschaftlich Sinn macht – in der Realität oft an der Umsetzbarkeit scheitert, weil der Kunde persönliche Vorstellungen hat, die mit einem standardisierten Produkt nicht immer vereinbar sind. Natürlich müssen wir langfristig stärker in Richtung Standardisierung und Vorfertigung denken, aber es wird immer auch Herausforderungen geben. Letztlich liegt die Entscheidung darüber nicht bei mir.
Rhomberg: Aber dann gibt es offensichtlich ohnehin kein großes Problem in der Wohnungswirtschaft …
Pernsteiner: Naja … Zunächst muss man mal schauen, ob wir mit dieser Bauweise tatsächlich 20 Prozent günstiger sind. In Oberösterreich gibt es ja bereits ein Beispiel mit dem Etzi-Haus. Dieses Modell verfolgt ebenfalls einen standardisierten Ansatz, teils mit massiven Wänden, und versucht, durch klare Strukturen wirtschaftlich zu bauen. Es ist ein interessantes Konzept, und wir sind gespannt, wie sich das Etzi-Haus am Markt behaupten wird.
Egger: Aber wir müssen die Standardisierung erst einmal in die Köpfe hineinbringen. Wir sind die einzige Branche, die in rund 80 Prozent der Fälle jedes Projekt praktisch bei null beginnt. Deshalb habe ich auch betont: Wir müssen stärker im Team arbeiten. Oft sehen sich die Beteiligten zum ersten Mal beim Projektstart – und zur Hälfte der Bauzeit wissen wir noch nicht einmal, welche Farben zum Einsatz kommen, weil das jemand anderes irgendwann auswählt. Ich vergleiche das gern mit dem Autokauf: Stellen Sie sich vor, Sie bestellen ein Auto und wollen erst kurz vor der Lackierung angerufen werden, um die Farbe durchzugeben. Jeder Autohändler würde sagen: „Wenn Sie das jetzt nicht wissen, können wir die Bestellung nicht annehmen.“ Im Bauwesen hingegen lassen wir uns solche Abläufe diktieren.
Müller-Hofstetter: Wie bekommen wir also die Standardisierung in die Köpfe?
Rhomberg: Ich sehe das ganz pragmatisch. Wenn mich jemand fragt, was ich ändern würde, um das Bauen effizienter zu machen – wenn ich nur einen einzigen Punkt wählen dürfte –, dann würde ich für ein Gesetz sorgen, dass baubegleitende Planung verbietet. Heute ist es oft so, dass wir den Keller zuerst bauen, obwohl die restlichen Ressourcen noch gar nicht koordiniert sind. Natürlich verstehe ich, dass man Abläufe gleichmäßig auslasten muss. Aber wenn wir so fragmentiert starten, reiht sich ein Problem ans nächste – und am Ende verzögert sich alles. Stattdessen sollten wir viel früher einen vollständigen digitalen Zwilling haben, an dem wir alles durchplanen, koordinieren und optimieren. Und dann müsste man nur noch auf den Knopf drücken: „Jetzt bauen.“ Das würde nicht nur die Vorlaufzeiten drastisch verkürzen, sondern auch zentrale Einkaufsprozesse, klare Zeitpläne und effizient abgestimmte Arbeitsschritte ermöglichen. Es wäre ein echter Qualitätssprung. Das ist ein zentraler Hebel, der derzeit noch viel zu wenig genutzt wird – und genau dort muss ein Umdenken beginnen.
Oswald: Das ist, was in der Vorfertigung ohnehin ein Muss ist. Sonst funktioniert es nicht.
Müller-Hofstetter: Kommen wir zum Thema Einsatz von KI in der Bauwirtschaft. Herr Rhomberg, Sie beschäftigen sich derzeit intensiv mit diesem Thema, wie auf Ihrem Blogg nachzulesen ist. Was wird Künstliche Intelligenz im Baubereich leisten können?
Rhomberg: Wir sehen derzeit den größten Nutzen von Künstlicher Intelligenz in zwei zentralen Bereichen unseres Bauprozesses. Erstens bei der automatisierten Kalkulation und Kostenschätzung: Durch unsere KI-gestützten Werkzeuge können wir bei der Planung schnell und zuverlässig Preise mit plus/minus fünf Prozent berechnen. Die einzelnen Komponenten sind im System hinterlegt, und die Kalkulation erfolgt in kürzester Zeit. Besonders bei kleineren Projekten oder mit weniger erfahrenen Kunden ist das ein echter Mehrwert, da sie sehr früh eine klare Kostentransparenz erhalten. Zweitens beim Baustellenmonitoring: Wir nutzen ein eigenes 5G-basiertes Netzwerk mit einem mobilen Rechenzentrum vor Ort – in einem Container auf der Baustelle installiert. Dort bündeln wir Sensoren, Kameras und Drohnen, die die gesamte Baustelle automatisiert überwachen. So erkennen wir in Echtzeit, welche Maschinen sich bewegen, welche nicht, ob Sicherheitsvorgaben eingehalten werden, wieviel Material vorhanden ist und wo Engpässe entstehen. Auch die Auswertung von Helmnutzung und Warnwesten trägt zur Arbeitssicherheit und Effizienz bei. Ein konkretes Beispiel: Mithilfe von Bilderkennungssoftware können wir bei der Fassaden-Montage im 2. Stock erkennen, wenn sich Montagefehler einschleichen. Die betroffenen Teams werden automatisch informiert – noch während des Prozesses. Das spart nicht nur Kosten, sondern verhindert Fehler, bevor sie sichtbar werden. Auch im Betrieb denken wir KI weiter. In einem unserer Hotels zum Beispiel läuft das Gebäudemanagement bereits weitgehend automatisiert: Das System erkennt, wann ein Zimmer gereinigt werden muss, und steuert Personal und Ressourcen entsprechend. So funktioniert der Betrieb effizient – ohne ständige manuelle Eingriffe. Ich erwarte mir jetzt keine Wunder, wo man durch KI die Baustelle komplett anders sieht. Aber wir testen bereits erste humanoide Roboter. Diese werden nicht unbedingt für körperlich schwere Arbeit eingesetzt, sondern als intelligente Assistenzsysteme. Sie bringen gebündeltes Fachwissen mit, können mit Menschen kommunizieren, Anleitungen geben und direkt auf der Baustelle unterstützen – etwa bei der Qualitätskontrolle oder Dokumentation. Das Mensch-Maschine-Zusammenspiel wird in den kommenden Jahren eine noch größere Rolle spielen. Unser Ziel ist es, diese Technologien allen Mitarbeitenden zugänglich zu machen – ein echtes „Zugangstool“. Junge Ingenieurinnen und Ingenieure, die bei uns anfangen, profitieren enorm davon: Sie lernen in zwei Jahren so viel wie früher in zehn Jahren, weil zentrale Informationen gebündelt verfügbar sind.
Zimper: Welche konkreten Initiativen oder Investitionen sollte man bereits heute starten, um im Jahr 2030 – insbesondere im Hinblick auf Krisenfestigkeit und Zukunftsfähigkeit – gut aufgestellt zu sein?
Rhomberg: Wir müssen es schaffen, die aktuelle Entwicklungsgeschwindigkeit zu bewältigen – und das gelingt nur, wenn wir unser Wissen bündeln und gemeinsam nutzen. Wir stehen nicht in direkter Konkurrenz zueinander, und genau darin liegt unsere Chance. Wir verfügen bereits über einen großen Erfahrungsschatz und eine solide Datenbasis, die als Trainingsgrundlage für neue Technologien dienen kann. Nur so können wir überhaupt die Möglichkeit schaffen, schnell und effektiv dazuzulernen. Andernfalls bleibt der Produktzyklus eines Gebäudes – also von der Planung bis zur Realisierung und Weiterentwicklung – viel zu träge, um mit dem Tempo technologischer Innovationen Schritt zu halten. Genau deshalb werden auch große Techkonzerne vermutlich nicht in die Baubranche einsteigen: Die Margen sind zu gering, die Prozesse zu langsam. Das bedeutet, wir müssen unsere Technologien selbst entwickeln und nutzen. Ich beschäftige mich intensiv mit der Frage, wie wir möglichst schnell ins praktische Testen kommen – direkt draußen auf der Baustelle. Denn ich bin überzeugt: Wer hier früh startet und schneller lernt, wird seine Lösungen künftig an andere Bauunternehmen weitergeben können. Genau darin sehe ich ein enormes Zukunftspotenzial – nämlich Software- und Serviceangebote für andere Akteure in der Branche. Denn diese Unternehmen werden in vielen Fällen nicht selbst die Kapazitäten haben, solche Systeme eigenständig aufzubauen.
Oswald: Ich möchte dazu ein praktisches Beispiel anfügen, das gut zur Aussage von Hubert passt: Künstliche Intelligenz – oder jede Form von datenbasierter Optimierung – funktioniert nur dann, wenn ausreichend Daten vorhanden sind. Die Grundvoraussetzung ist also ein großer, strukturierter Datenpool, auf den man zugreifen kann, um sinnvolle Optimierungsmodelle zu entwickeln. Was müssen wir also jetzt tun? Ganz einfach: Wir müssen damit aufhören, ausschließlich mit ausgedruckten Plänen und Bleistiftnotizen zu arbeiten. Stattdessen sollten wir beginnen, systematisch digitale Daten zu erfassen – überall dort, wo es möglich ist. Wir müssen uns fragen: Was passiert aktuell auf der Baustelle? Welche Informationen kann ich schon heute digital dokumentieren? Wo kann ich mir eine Datenbasis aufbauen, die mir später als Grundlage für KI-gestützte Auswertungen und Optimierungen dient? Solange wir noch mit großformatigen Papierplänen und handschriftlichen Markierungen arbeiten, bleibt der Zugang zu echten digitalen Optimierungspotenzialen verschlossen. Der Wandel beginnt mit der konsequenten Digitalisierung der täglichen Praxis.
Zimper: Ihr sammelt derzeit eine enorme Menge an Daten. Seid ihr bereit, bestimmte Daten zu teilen oder in ausgewählten Bereichen einen strukturierten Datenaustausch mit anderen Marktteilnehmern zu ermöglichen?
Egger: Ich glaube, der Eindruck, dass es derzeit schon umfassende Datennutzung im Bau gibt, täuscht – im Moment wird zwar viel gesammelt, aber kaum etwas wirklich genutzt oder geteilt. Jedes Unternehmen sitzt gewissermaßen auf einem eigenen Datenschatz, doch der wird selten systematisch gehoben. Obwohl in vielen Betrieben riesige Datenmengen vorhanden sind, bleibt ihr Potenzial ungenutzt. Wir selbst haben vor etwa sechs Jahren einen entscheidenden Schritt gemacht: Wir haben unseren klassischen Bauzeitenplan abgeschafft und stattdessen einen reinen Prozessplan eingeführt. Bei uns gibt es keine Gewerke mehr im herkömmlichen Sinn, sondern ausschließlich Aktivitäten. Und erst dadurch ist uns bewusst geworden, welche Komplexität tatsächlich hinter einem Projekt steckt – zum Beispiel, dass es bei einem Bau mit 150 Wohnungen rund 48.000 Aktivitäten bis zur Fertigstellung gibt. Dieses Wissen hatten wir früher nicht. Früher war der Erfolg eines Projekts stark davon abhängig, ob das Team gut war: Lief alles rund, war es ein guter Polier, lief es nicht, war der Projektleiter schuld. Man musste sich vollständig auf das Personal verlassen. Das war auch einer der Gründe für hohe Kosten, weil viel Erfahrungswissen nötig war und sich jeder Mitarbeiter mühsam hocharbeiten musste, um die nötigen Abläufe zu verstehen. Heute können wir dieses Wissen digital bereitstellen. Wir haben unsere Prozesse so aufbereitet, dass wir z. B. für eine Wohnung bei herkömmlicher Herstellung rund 142 klar definierte Aktivitäten haben – jede davon ist digital hinterlegt. Wir setzen dabei auch auf Sensorik: Jede Einheit ist mit einem digitalen Interface ausgestattet. Aufgrund der sprachlichen Vielfalt auf Baustellen – bei uns sind bis zu 16 Sprachen vertreten – arbeiten wir mit visuellen und haptischen Lösungen. Ein Mitarbeiter kann durch einfaches Antippen sehen, welche Aktivität gerade in seiner Wohnung ansteht. Er muss keine Sprache verstehen, keine langen Anleitungen lesen – ein Touch genügt. Diese Lösung hat uns sechs Jahre Entwicklungsarbeit gekostet, aber sie funktioniert mittlerweile sehr gut. Insofern kann ich Herrn Rhomberg nur recht geben, dass wir noch mehr Daten sammeln müssen und dann können wir auch billiger bauen. Aber ganz wichtig ist, dass man sich im Team von Anfang an versteht. Jetzt gehen wir von der Idee bis zur Widmung, dann kommt ein Architekt mit den ganzen Konsulenten. Wenn wir alles beieinander haben, dann schauen wir, was die GUs machen. Und dann beginnen wir wieder von vorne, weil dieses oder jenes Detail nicht geht, und da verlieren wir das ganze Geld.
Hagmann: Weil sich Leute nicht mögen oder weil einer dabei ist, der das ganze System korrumpiert.
Egger: Das Team-Management ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es hat einen enormen Einfluss, 1,5 bis zwei Prozent auf den Deckungsbeitrag. Ich habe das durchgerechnet. Wenn sich ein Team wirklich versteht und gut zusammenarbeitet, macht das einen riesigen Unterschied. Wir müssen alle lernen, was es bedeutet, im Team zu arbeiten – und zwar über alle Ebenen hinweg. In der Bauwirtschaft, bei den Technikern, in der Ausbildung. Aber genau das wird oft nicht gelehrt, weder an den Hochschulen noch in der Praxis. Stattdessen formen wir immer mehr Einzelkämpfer. Die familiären Strukturen sind kleiner geworden, soziale Lernfelder weniger, und so fehlt oft die Erfahrung, wie Zusammenarbeit überhaupt funktioniert.
Schöll: Das bringt mich zu einem zentralen Punkt, den ich immer wieder ansprechen muss – insbesondere im Zusammenhang mit der Totalunternehmerschaft. Ein echtes Team entsteht nicht von heute auf morgen, sondern durch gemeinsame Zeit und kontinuierliche Kommunikation. Wenn ich aber bei jedem neuen Projekt mit einem neuen Elektriker oder Installateur arbeite, fange ich jedes Mal wieder bei null an – mit einem Plan, den ich vielleicht noch nie zuvor gesehen habe. So sieht die Realität leider oft aus. Deshalb sehe ich den Ansatz, den Herr Rhomberg in Bezug auf Vorfertigung und Totalunternehmerschaft erwähnt hat, als absolut richtig. Für mich geht die Entwicklung immer stärker in diese Richtung – und das macht auch Sinn. Ich arbeite inzwischen bei meinen Reihenhausprojekten, von denen ich bereits 75 gebaut habe, durchgehend mit denselben Partnern. Das ist für mich eine Form von Vorfertigung und Industrialisierung auf der Baustelle, weil wir immer dieselben Pläne, Details und Techniken verwenden. Gerade bei der Deckenheizung und -kühlung haben wir gemeinsam ein funktionierendes System entwickelt. Beim ersten Mal war es noch nicht ganz rund, beim zweiten Mal lief es besser – und heute funktioniert es reibungslos. Aber wenn ich bei jedem Projekt neue Partner einbinde, verliere ich diesen Erfahrungsfortschritt und fange immer wieder von vorn an. Natürlich könnte ich viele Dinge noch stärker industrialisieren – das ist mir bewusst. Aber ich sehe den Prozess, in dem wir uns befinden, bereits als eine wichtige Phase des Umdenkens für einen Mittelständler.
Egger: Die technische Gebäudeausrüstung (TGA) hat in Österreich keine eigene institutionelle Verankerung – das ist ein großes Problem. Wir sind auf externe Fachkräfte angewiesen, aber ein strukturiertes Ausbildungssystem gibt es nicht. Wenn man sich die Planungsbüros in Österreich ansieht, stellt man fest: Viele sind Autodidakten mit einer Ausbildung in Pinkafeld. Sie bringen sich ihr Wissen täglich selbst bei, oft mit großem Engagement – etwa indem sie abends noch Fachliteratur durchgehen, um am neuesten Stand zu bleiben. Gerade im Bereich Haustechnik fehlt es an großen, spezialisierten Büros. Und es gibt in Österreich keine fundierte Ausbildung zum Bauingenieur mit Schwerpunkt TGA. Das spiegelt sich auch in der Lehre wider: Dort gibt es kaum systematische Vermittlung von TGA-Wissen, etwa wie man einen Kanal richtig plant oder komplexe Gebäudetechnik effizient integriert. Dabei haben wir für jeden anderen Bereich eigene Institute – für Stahlbeton, für Holzbau, für nahezu jedes Material oder Gewerk. Aber für die TGA, obwohl sie inzwischen rund ein Drittel der Baukosten ausmacht, existiert kein vergleichbares Institut. Und genau hier liegt das Versäumnis: Wir haben keine flächendeckende Ausbildung, keine zentrale Anlaufstelle.
Müller-Hofstetter: Herr Egger hat vorhin gesagt, bei Gerstl Bau hat man sechs Jahre für die Digitalisierung der Prozesse gebraucht. Verursacht die Digitalisierung mehr Kosten als sie bringt. Wo stehen wir heute?
Egger: Ich kann nur sagen, dass uns die Digitalisierung klare Kostenvorteile bringt. Wir bauen mindestens ein bis zwei Monate schneller. Bei unserem letzten Projekt in der Berresgasse haben wir insgesamt fast 1.600 Wohnungen errichtet – und konnten dabei mindestens drei Monate Bauzeit einsparen. Der Schlüssel dazu war, dass wir alle Beteiligten im Vorfeld geschult haben – auch alle Professionisten, die auf der Baustelle tätig waren. Jeder hat genau gewusst, wie die Abläufe funktionieren, welche Schritte wann anstehen. Diese Schulungen waren entscheidend für den reibungslosen Ablauf. Speziell in Oberösterreich ist es mir bisher allerdings nicht gelungen, dieses System in gleicher Weise umzusetzen. Die größte Herausforderung war und ist, die Mitarbeiter bei diesem Wandel mitzunehmen.
Pernsteiner: Ich bin da ganz bei Ihnen – in jedem Punkt. Wenn die Rahmenbedingungen und die Zusammenarbeit stimmen, entsteht ein enormer Hebel. Viel mehr als bloß ein oder zwei Prozent Effizienzsteigerung. Denn dann ist jeder motiviert, bringt sich aktiv ein, denkt mit, handelt vorausschauend. Genau das erleben wir, wenn wir über Jahre hinweg mit denselben Systempartnern zusammenarbeiten. Für die Bauvereinigung, für die ich sprechen darf, gilt: Rund 95 Prozent unserer Leistungen erbringen wir mit Partnern, mit denen wir seit vielen Jahren verlässlich zusammenarbeiten. Daraus ergeben sich echte Skaleneffekte. Man kennt die Schnittstellen, denkt nicht nur für sich, sondern auch für den Partner mit. Da ruft jemand an und sagt: „Du musst das jetzt richten, sonst blockiert es weiter hinten.“ Das ist gelebte Partnerschaft. Natürlich reden wir hier über Wirtschaftlichkeit, über Kostenoptimierung – aber wir sollten dabei nicht vergessen, uns auch die grundsätzliche Frage zu stellen: Was produzieren wir eigentlich? Und wieviel davon ist volkswirtschaftlich langfristig tragbar? Es wurde schon angesprochen: Wir bauen heute auf einem nie dagewesenen Niveau – auch im internationalen Vergleich. Wenn man ehrlich ist, bauen wir vielerorts auf Mercedes- oder sogar Rolls-Royce-Niveau. Das ist technisch beeindruckend und baulich hochwertig – aber können wir uns das dauerhaft leisten? Ist es in jeder Situation notwendig? All die Maßnahmen zur Produktionsoptimierung sind sinnvoll und wertvoll. Aber wir müssen auch über das Produkt an sich nachdenken. Denn vor zehn Jahren haben wir noch um 1.400 Euro pro Quadratmeter gebaut – und die Gebäude stehen heute noch immer, in gutem Zustand. Das darf man nicht vergessen. Wir investieren heute teilweise ein Drittel der Baukosten allein in Haustechnik. Das ist gut, das bringt Komfort und Sicherheit – aber gleichzeitig müssen wir uns fragen: Wie viel davon ist notwendig, und wie viel entsteht aus überbordenden Normen, Regulierungen und Sicherheitsbedenken? Die Anforderungen – ob bei Elektronik, Brandschutz oder statischer Überdimensionierung – haben ein Maß erreicht, bei dem wir regelmäßig überprüfen sollten, ob der Nutzen noch im Verhältnis zu den Kosten steht. Das sollten wir auch immer wieder in politische Diskussionen einbringen.
Oswald: Wir dürfen nicht nur auf die reinen Baukosten schauen – entscheidend ist, dass wir das Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus betrachten. Die Baukosten sind dabei nur ein Teilaspekt. Gerade im Bereich der Haustechnik gibt es großes Potenzial, langfristig Vorteile zu erzielen – etwa durch geringere Betriebs- und Wartungskosten sowie einen effizienteren Energieeinsatz.
Pernsteiner: Ich möchte Ihnen dazu ein anschauliches Beispiel aus unserer Praxis geben. Vor etwa 15 Jahren wurde das Passivhaus als das große Zukunftsmodell gefeiert. Damals wurde in der Haustechnik stark auf rechnerische Kennwerte gesetzt – vor allem im Hinblick auf den Energieverbrauch. Wir haben im Verband tausende Wohnungen ausgewertet, darunter auch viele Passivhäuser. Das Ergebnis war überraschend: In vielen Fällen lag der tatsächliche Endenergieverbrauch sogar höher als bei herkömmlichen Niedrigenergiehäusern – einfach deshalb, weil das Nutzerverhalten eine entscheidende Rolle spielt. Ein Erlebnis ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Damals fand eine internationale Fachexkursion in die SolarCity in Linz statt, ein Vorzeigeprojekt mit Passivhausstandard. Auch der damalige Landesrat Kepplinger war dabei. Während die Gruppe von rund 20 Fachleuten das Areal besichtigte, kam ein junger Bewohner aus seiner Wohnung – und hatte das Fenster gekippt. Sofort wurde diskutiert, warum kann er das, warum macht er das und als er darauf angesprochen wurde, war seine Antwort sinngemäß: „Ich habe eh keine Betriebskosten, das ist mir wurscht.“ Und genau das bringt es auf den Punkt: Der Köder muss dem Fisch schmecken. Wir müssen also aufpassen, dass wir uns nicht in rein theoretischen Lösungen verlieren. Technik und Planung müssen sich am tatsächlichen Bedarf und Verhalten der Menschen orientieren – sonst verpuffen viele gut gemeinte Ansätze in der Praxis.
Egger: Wenn man heute über einen Zeitraum von 40 Jahren rechnet, dann machen die Betriebskosten zwischen 37 und 40 Prozent der Gesamtkosten aus. Das ist ein erheblicher Anteil. Deshalb ist es so wichtig, in die Haustechnik zu investieren – denn genau dort liegt der Hebel für Einsparungen, vor allem im Interesse der Mieterinnen und Mieter. Allerdings, und das muss ich sagen, ist das MRG falsch aufgesetzt. Wir haben heute bereits Technologien, die echte Nachhaltigkeit ermöglichen – aber sie werden zu wenig eingesetzt. Wir selbst haben Tiefensonden gebaut, Bauteilaktivierung umgesetzt. Ich bin da fast missionarisch unterwegs und musste jedes Mal aufs Neue Überzeugungsarbeit leisten. In der Berresgasse waren überall Fußbodenheizungen ausgeschrieben – ich habe gesagt: Wir bauen gleichpreisig mit Bauteilaktivierung. Das hat endlose Diskussionen ausgelöst. Dabei habe ich festgestellt: Viele Haustechnikbüros sind in ihrer Planungspraxis mindestens eine Dekade hinter uns. Und was oft passiert ist: Der Bauträger verlässt sich auf „seine“ Haustechnik – und nimmt das dann als unantastbar hin. Der Grund ist meist, dass auch auf Seiten der Bauträger das technische Wissen abgenommen hat. In den letzten zehn Jahren ist die technische Kompetenz dort teilweise zugunsten juristischer oder betriebswirtschaftlicher Perspektiven zurückgedrängt worden. Man holt sich lieber externes Know-how, lagert Leistungen aus – und verliert damit selbst das Verständnis für die Inhalte. Gerade im Bereich der Haustechnik fehlt uns heute das Wissen. Dabei könnten wir hier einen großen Beitrag zu nachhaltigem Bauen leisten. Denn bei einer Wohnung ist nicht nur die Kaltmiete entscheidend, sondern die gesamten monatlichen Kosten.
Zimper: Wenn wir in die nächsten fünf bis zehn Jahre blicken – vor dem Hintergrund von Automatisierung, Industrialisierung und KI: Wird der Faktor Mensch auf der Baustelle künftig an Bedeutung gewinnen oder verlieren?
Schöll: Man muss hier differenzieren: Im Büro Vollgas – auf der Baustelle Stopp. Warum? Weil ich draußen die Leute brauche, die diese Digitalisierung auch tatsächlich umsetzen. Und dafür sind erfahrene Vorarbeiter und Poliere unerlässlich – idealerweise über 40 Jahre alt, mit entsprechender Berufserfahrung. Die wissen, was sie tun, und nur mit ihnen funktioniert das System zuverlässig. Auf den möchte ich auch nicht zu viel Druck ausüben in Sachen Digitalisierung. Da gibt es auch oft Hemmschwellen bei der täglichen Nutzung von Digitalisierung und KI. In kleineren Firmen wie meiner sind die Leute draußen sehr produktiv, müssen teils mitarbeiten. Aber genau dort zeigt sich, wie schwer es ist, digitale Prozesse wirklich auf der Baustelle zu verankern. Der Faktor Mensch bleibt daher zentral. Ich bin überzeugt – und das wurde, wenn ich mich richtig erinnere, auch von Herrn Rhomberg angesprochen –, dass wir viel stärker auf eine saubere Vorplanung setzen müssen. Die Planung muss frühzeitig, vollständig und exakt vorliegen. Das bedeutet auch, schon im Zuge von Early Contracting alle relevanten Gewerke und Praktiker einzubinden. Im Büro funktioniert vieles: Prozessmanagement, Lean-Ansätze, digitale Tools. Aber auf der Baustelle stoßen wir an Grenzen – vor allem, weil uns schlicht die Fachkräfte fehlen. Deshalb ist der Mensch – gerade in der Umsetzung – nach wie vor ein entscheidender Faktor.
Oswald: Interessant, dass du das so beschreibst. Unser erstes Pilotprojekt fand während der Pandemie statt – ein Neun-Geschoßer in Deutschland. Da es in dieser Zeit keine Messen gab, haben wir auf Messebauer als ausführende Kräfte zurückgegriffen. Und das hat erstaunlich gut funktioniert. Messebauer sind es gewohnt, unter Zeitdruck zu arbeiten, sie verstehen Abläufe und können präzise nach Plan umsetzen. Natürlich lässt sich dieses Prinzip nicht eins zu eins auf alle Bauprojekte übertragen. Aber wenn man ein durchdachtes Bausystem hat – also einen klar strukturierten Bauablauf, der standardisiert ist und ohne hochspezialisierte Fachkräfte auskommt – dann braucht man in vielen Fällen keine klassischen Baufirmen mehr. Dann reicht es, jemanden zu haben, der effizient montieren kann. Ich sage oft halb im Scherz: Ein gutes Bausystem ist dann erreicht, wenn jeder, der einen IKEA-Schrank aufbauen kann, auch ein Gropyus-Gebäude zusammenbauen kann – dann haben wir es richtig gemacht. Natürlich dauert das seine Zeit, aber genau das sollte unser Anspruch sein. Denn der Fachkräftemangel darf nicht der Flaschenhals im Bauprozess sein – und genau das ist er aktuell. Wir müssen uns damit abfinden: Der Mangel an qualifizierten Fachkräften wird nicht verschwinden, im Gegenteil – er wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch verschärfen. Ein Zurück wird es nicht geben. Wird der Mensch also weiterhin wichtig bleiben? Ja, aber mit anderen Skills. Wir setzen daher bewusst auf Produktionsstandorte in Regionen mit Automobilzulieferindustrie. Dort finden wir Menschen, die bereits mit robotergestützten Prozessen vertraut sind, die wissen, wie man Arbeitsabläufe optimiert, wie man Produktentwicklung macht. Genau diese Skills brauchen wir für die Weiterentwicklung unserer Bauprodukte. Nicht klassische Bauhandwerker, sondern Menschen mit industriellem Denken – das ist die Richtung, in die wir uns bewegen.
Müller-Hofstetter: Herr Hagmann, lieber einen erfahrenen Mitarbeiter, der weiß, was er tut, oder einen jungen, der mit der Digitalisierung zurechtkommt?
Hagmann: Es ist nie ein „entweder-oder“ – es ist immer ein „und“. Das finde ich besonders spannend, und deshalb starten wir jetzt ein sogenanntes Reverse Mentoring: Wir holen junge Menschen zwischen 22 und 20, die bei uns im Unternehmen arbeiten, stellen ihnen gesondert unsere Strategie vor und fragen sie, was sie davon halten. Diese Generation ist mit digitalen Technologien aufgewachsen, sie schreibt quasi blind SMS mit zwei Fingern. Diese jungen Leute können den älteren, erfahreneren Kollegen unter die Arme greifen – genau dann entsteht echtes Teamdenken. Digitalisierung bedeutet für mich: so viel wie notwendig und so viel wie hilfreich. Wir befinden uns derzeit in einer Übergangsphase, in der vor allem das Thema strukturierte Datenerfassung eine große Rolle spielt. Alle sprechen von Daten, aber die wenigsten davon sind wirklich strukturiert – und damit auch verwertbar. Selbst in unserem eigenen Unternehmen tun wir uns damit schwer. Es gibt viele Bereiche, in denen Daten gar nicht so einfach zu strukturieren sind. Strukturierte Datenerfassung ist extrem aufwendig – außer sie geschieht automatisch über Sensorik und KI. Derzeit ist das allerdings noch selten der Fall. In den letzten zehn Jahren haben wir den Standard nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Dokumentation massiv erhöht. Früher reichte eine einfache Übergabe. Heute braucht es bei 100 Wohnungen oft zusätzlich einen Techniker und einen Polier – nur für Dokumentation und Schriftverkehr, Ablage, um das Wirrwarr aus den unterschiedlichsten Unterlagen und Datenformaten beherrschbar und nachvollziehbar zu gestalten. Genau hier muss Digitalisierung ansetzen. Ich sehe uns da erst am Anfang einer langen Reise. Die Sensorik ist heute noch nicht weit genug, auch wenn viele bereits damit experimentieren. Es fehlt aktuell noch an zuverlässiger Technologie, die automatisch Daten erfasst und daraus Muster ableitet. Im Moment braucht es entweder jemanden, der alles manuell dokumentiert. Die ersten Ansätze für Automatisierung (besser automatisierte Datenerfassung) sind erkennbar – aber alles andere als ausgereift. Deshalb mein Fazit: Digitalisierung – ja, aber so viel wie sinnvoll und notwendig. Sie muss einen echten Nutzen bringen und darf kein Selbstzweck sein. Da müssen noch viele Entwicklungsschritte folgen.
Oswald: Ich kann Ihnen sagen, wie wir das bei uns handhaben: Wir verwenden eine spezielle Krankonsole, die mit einem RFID-Lesegerät, Kameras und Bewegungssensoren ausgestattet ist. Damit erfassen wir jede einzelne Kranbewegung und jedes gehobene Element. Die Erkennung erfolgt automatisch über QR-Codes, die auf den Bauelementen angebracht sind. So kann der Kran nicht nur jedes Element eindeutig identifizieren, sondern wir können auch sämtliche Bewegungsabläufe sowohl visuell als auch anhand der Bewegungsgeschwindigkeit lückenlos nachverfolgen.
Hagmann: Das können wir mit bis zu 40 beteiligten Gewerken nicht.
Oswald: Die Kransteuerung selbst ist mittlerweile weitgehend automatisiert – bis auf den letzten Meter zum Versetzort, den der Kran ebenfalls schon automatisiert ansteuert. Das finale Versetzen muss dann händisch machen – und genau da liegt das Problem. Gerade bei den Maschinenherstellern stoßen wir regelmäßig an Grenzen. Versuchen Sie einmal, einem Kranhersteller klarzumachen, in die Software einzugreifen – das ist oft ein echtes Abenteuer. Viel Spaß dabei! In vielen Fällen ist es schlichtweg unmöglich.
Egger: Unmöglich.
Oswald: Man muss schon richtig hartnäckig sein, damit die Systeme am Ende überhaupt bedienbar sind. Warum das nicht besser abgestimmt ist? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich jedenfalls kann es nicht nachvollziehen.
Hagmann: Um die Frage zu beantworten, ob der Mensch wichtiger oder weniger wichtig wird … wir müssen auch dafür sorgen, dass der Nachwuchs Freude an der Branche hat – und nicht abspringt. Ein wichtiger Punkt dabei ist: Wir müssen die Juristen wieder aus den operativen Prozessen herausbekommen. Auch bei eurem Baukongress werden rund 20 Prozent der Teilnehmer Juristen sein. Warum? Weil der Bau so viele gute Geschäftsmodelle für Juristen bietet: von der Vergabe bis zur Übernahmebegleitung.
Egger: Juristen haben in dieser Hinsicht ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Früher habe ich noch diese dünnen Bücher zum Vergaberecht gesehen – heute sind es in Österreich bereits 250 Seiten. Und das liegt auch daran, dass Juristen diese sehr nachhaltig weiterschreiben. Zuerst braucht man eine Ausschreibung, dann kommt der Einspruch, danach folgt die Judikatur – und so wächst das Ganze immer weiter.
Hagmann: Die Leute müssen Freude an der Arbeit haben – gerade die jungen Menschen sollen Spaß am Bauen entwickeln und nicht nur mit Claimen, Anti-Claimen und Streitigkeiten beschäftigt sein. Die Beschäftigten auf der Baustelle müssen wir mit modernen Arbeitsmitteln wie Exoskeletten und anderen Hilfsmitteln besser ausstatten, um sie länger gesund und produktiv im Arbeitsprozess zu halten. Das muss zur Selbstverständlichkeit werden – in anderen Spezialdisziplinen wie beim Tauchen oder Klettern ist es ganz normal, dass man ausgerüstet, gecheckt und vorbereitet losgeschickt wird. Bei uns hingegen sagt jeder: „Das dauert zu lange, das ist zu mühsam. Ich ruinier mir lieber mein Kreuz und gehe mit 58 in Pension.“ Hier steckt enormes Potenzial, eine völlig neue Welt, in die wir da eintreten.
Müller-Hofstetter: Letztes Thema, das ich anschneiden möchte: Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Gropyus wirbt mit 95 Prozent weniger Emissionen – wie geht das?
Oswald: Nun, die 95 Prozent beziehen sich auf ein Pilotprojekt – konkret auf die verbauten Materialien und den CO₂-Fußabdruck während der Betriebsphase. Wir betrachten das Gebäude immer ganzheitlich, also als Gesamtobjekt. In diesem speziellen Fall können wir das auch klar belegen: Wir liegen bei etwa minus 50 Prozent beim sogenannten Embodied Carbon – also den gebundenen Emissionen aus Materialien und Bau – und der Rest kommt aus dem Operational Carbon, also dem Betrieb des Gebäudes. Was den Embodied Carbon betrifft, liegt der Haupthebel natürlich in der Verwendung von Holz. Darüber hinaus setzen wir gezielt auf nachhaltige Materialien – beispielsweise Zellulosedämmung anstelle von Steinwolle, wo immer das möglich ist. Wir verwenden auch OSB-Platten aus recyceltem Material. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Alternativprodukten aus Secondary-Use-Materialien, die ökologisch klar im Vorteil sind. Ein weiterer bedeutender Hebel ist die industrielle Vorfertigung: Durch die Fertigung im Werk entstehen kaum Materialverluste. Der klassische „Verschnitt“, wie man ihn auf der Baustelle kennt, fällt de facto nicht an – das bringt enorme Materialeinsparungen.
Müller-Hofstetter: Jetzt haben Sie über Material-Alternativen gesprochen. Wieviel ist der Markt – also der Endkunde – heute tatsächlich bereit, für nachhaltige Materialalternativen zu bezahlen?
Pernsteiner: Der Anteil jener, die eine erhöhte Zahlungsbereitschaft für Nachhaltigkeit zeigen, entspricht vermutlich etwa jenem Anteil der Bevölkerung, der regelmäßig Bioprodukte kauft – also rund 10 bis 15 Prozent. Ich denke, das ist etwa jeder Siebte. Mehr sind es derzeit nicht. Wenn man bedenkt, dass das Medianeinkommen in Österreich bei etwa 2.500 Euro netto liegt, und davon bereits rund 1.000 Euro für Wohnen ausgegeben werden, dazu Mobilität, und inzwischen ein Eiskaffee auch schon 12 Euro kostet, bleibt nicht viel Spielraum. Die Zahlungsbereitschaft für bestimmte – wenngleich gesellschaftlich wichtige – Nachhaltigkeitsaspekte wird daher in vielen Fällen relativ gering bleiben.
Schöll: Nachhaltigkeit möchte grundsätzlich jeder – solange sie nicht das eigene Geldbörsel betrifft. Ich glaube, das ist bei einem Großteil der Bevölkerung nach wie vor die Realität. Wir verkaufen beispielsweise Reihenhäuser mit 110 m² Wohnfläche, klimaaktiv-Gold-zertifiziert, und schaffen es tatsächlich, die monatlichen Energiekosten – also kompletter Strombedarf, Heizen und Kühlen – auf rund 40 Euro zu senken. Damit sind wir nahezu energieautark. Noch weiter ginge es nur mit zusätzlicher Batterietechnologie. Diese 40 Euro beziehen sich auf reale Werte aus den letzten zwei Jahren – das ist ein sehr guter Wert, denke ich. Aber verkauft habe ich die Häuser am Ende nicht wegen der Nachhaltigkeit, sondern weil ich sie so effizient gebaut habe, marktkonforme Mieten verlange, aber keinen Baukostenbeitrag einhebe – das war das entscheidende Vermietungsargument. Wenn ich 300 bis 400 Euro über dem Marktpreis liege, kann ich sie auch nicht verkaufen. Die Häuser sind hochwertig, aber sie sprechen natürlich eine speziellere, kleinere Klientel an. Das Paket muss für den Kunden stimmig sein, jedoch preislich nahe beim Marktdurchschnitt.
Oswald: Ich denke, die zentrale Frage muss lauten: Was müssen wir tun, damit Nachhaltigkeit keine Mehrkosten verursacht? Denn wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass Nachhaltigkeit eine Luxus-Add-on-Option ist, die man sich leistet, wenn man zu viel Geld hat. Von dieser Mentalität müssen wir wegkommen – sonst werden wir die Herausforderungen in diesem Bereich nicht bewältigen können.
Müller-Hofstetter: Herr Hagmann, wir haben im Vorfeld schon über das Projekt Van der Nüllgasse 22. Dort ist die Kreislaufwirtschaft ein echtes Kostenthema …
Hagmann: Genau, wir haben aktuell mit der Van der Nüllgasse 22 ein Pilotprojekt zur kreislauffähigen beziehungsweise taxonomiekonformen Sanierung laufen, das auch ein begleitendes Forschungsbudget beinhaltet. „WieNeu+“ unterstützt dieses Projekt im Rahmen eines Forschungsprogramms. Die Baubewilligung liegt bereits vor, wir haben ein 3-D-Modell, eine Materialbilanz – alles ist vorbereitet. Dennoch kommen wir bei den Kosten nicht zusammen. Die Rechnung geht derzeit wirtschaftlich nicht auf. Ich glaube, die Industrie ist insgesamt noch nicht so weit. Der Parketthersteller beispielsweise fragt uns: 'Meint ihr das wirklich ernst?' Das Parkett kostet das Zweieinhalbfache. Wenn man eine Rückbaubarkeit möchte, schlägt er vor, ein spezielles Vlies mit einzuspachteln, damit der Boden später besser entfernt werden kann. Ähnlich ist es bei vielen anderen Materialien aus dem Recyclingbereich, die für individuelle Bauvorhaben, wie zum Beispiel bei Aufstockungen, noch nicht geeignet oder wirtschaftlich sind. Wir wollten beispielsweise anstelle einer betonierten Flachdecke eine Plattenbalken-Industrie-Decke einsetzen, die in 50 Jahren wieder rückbaubar wäre – die kostet aber doppelt so viel wie eine herkömmliche 20-Zentimeter-Flachdecke. Das ist schlicht eine Frage der industriellen Kostenkurve: Die Stückzahlen fehlen, die Produktionskosten sind noch zu hoch. Momentan ist so eine Lösung eine teure Sonderanfertigung, exakt zugeschnitten auf das jeweilige Projekt. Zu bedenken ist auch, dass der Abbruch oder besser der Rückbau erheblich teurer ist: Die „wertvolleren“ oder „deponierunfähigen“ Materialen sauber zu trennen, ist zumeist händische Arbeit und die kostet das Dreifache eines maschinellen, herkömmlichen Abbruchs.
Schöll: Aber dafür braucht es gesetzliche Vorgaben, nicht nur bloße Empfehlungen. Wenn man beispielsweise den digitalen Zwilling verbindlich einführt und sagt, alle Ausschreibungen und alle Planungs- und Bauprozesse müssen darüber abgewickelt werden, dann entsteht auch eine Wirkung – dann kann man tatsächlich etwas bewegen. Das wäre sinnvoll.
Hagmann: Der Gesetzgeber schreibt, dass in der Bauordnung mit dem § 69 eine Erhöhung der Bauhöhe explizit für nachhaltige Sanierungen gedacht ist. Wir treten also mit unserem Projekt an und sagen: Wir würden gerne die oberste Geschoßdecke erhalten, aber zusätzlich ein verkaufbares Dachgeschoß errichten. Die Antwort darauf lautet: Genau dafür ist ja der neue § 69 vorgesehen. Aber wie machen wir das dann genau? Wir müssten die Gebäudehöhe theoretisch um 40 bis 50 cm Zentimeter anheben – doch für diese Überschreitung erhalten wir keine Genehmigung, maximal eine Firsthöhen-Überschreitung. Es wird uns so verunmöglicht, den am besten verwertbaren Raum – das Dachgeschoß – aufzuwerten. Man müsste eigentlich einmal einen Blogartikel schreiben mit dem Titel: 'So verhindert der Gesetzgeber mit gut gemeinten Regelungen tatsächlichen Fortschritt in der Immobilienwirtschaft.' Da wurden wir gebeten, davon Abstand zu nehmen. So viel zur oft beschworenen Flexibilität, im Sinne der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der Immobilienwirtschaft entgegenzukommen.
Schöll: Bei der Nachhaltigkeit sprechen wir oft von Sanierung und von hohen Fördermitteln, die da hineinfließen. Die Genossenschaften bauen ein Produkt, das in vielen Punkten konträr zu meinem Zugang ist. Der Großteil des Marktes ist nach wie vor vom Kostendruck geprägt. Da gibt es keine Tiefensonden, weil es sich rechnerisch einfach nicht ausgeht. Natürlich würden die Genossenschaften gerne mit solchen Ansätzen bauen, aber das ist finanziell derzeit kaum darstellbar. Solange also ein günstigeres, weniger nachhaltiges Produkt den Markt dominiert, bleibt mein nachhaltiges Konzept ein Luxusprodukt.
Müller-Hofstetter: Herr Rhomberg, ist Nachhaltigkeit also noch immer Luxus?
Rhomberg: Nachhaltigkeit ist aus meiner Sicht zwingend, ohne dem kommt man eigentlich nicht mehr durch. Dafür bekommt man nichts mehr extra. Die Investoren wollen das, ohne dass sie dafür mehr zahlen.
Müller-Hofstetter: Wo stehen wir beim Thema Kreislaufwirtschaft?
Rhomberg: Wir arbeiten bereits mit den Materialnomaden zusammen, die vor Ort durchgehen und prüfen, welche Bauteile rückgebaut und wiederverwendet werden können. Gerade im Rückbau lassen sich schon heute viele Maßnahmen der Kreislaufwirtschaft realisieren. Das Problem ist jedoch: In der Planung ist der Rückbau noch so lange weg – in 20, 30 oder gar 50 Jahren in der Zukunft. Das ist fast unvorstellbar weit weg, wenn man eigentlich Projekte heute umsetzen will. Daher braucht es einen klaren Fokus: Wir sollten die Potenziale, die bereits heute verfügbar sind, bestmöglich nutzen. Ein gutes Beispiel ist der Ziegel – wenn man ihn sortenrein rückbauen kann, macht das bereits einen enormen Unterschied. Natürlich ist das ein langfristiger Prozess – aber es gilt trotzdem, heute zu handeln. Wenn ich Prioritäten setzen müsste, dann würde ich beim heutigen Rückbau ansetzen und darauf achten, Stoffströme zu etablieren, bei denen Materialien tatsächlich in die Wiederverwertung zurückgeführt werden können. Beim Neubau hingegen sollte der Fokus auf der Kombination aus Rückbaufähigkeit und Flexibilität liegen. Also Bauteile so zu gestalten, dass sie beispielsweise im Zuge einer Umnutzung einfach entfernt oder versetzt werden können. Allein dadurch verlängert sich die Lebensdauer eines Gebäudes deutlich – und genau das ist ein zentraler Hebel in Richtung nachhaltiger Kreislaufwirtschaft.
Hagmann: Ich möchte an dieser Stelle noch eine Frage bzw. Anmerkung ergänzen. Sie haben die Zusammenarbeit mit den Materialnomaden und anderen Plattformen zur Rückgewinnung von Bauteilen angesprochen – das sind sehr gute Initiativen. Allerdings habe ich Zweifel, ob solche Systeme derzeit schon über den Status von Nischenlösungen hinauskommen. Ich halte das für ein System für Bastler. Wenn ich als professioneller Gewerbebetrieb etwa einen gebrauchten Stahlträger ausbaue und diesen später wieder einsetzen möchte, dann fehlt mir oft eine verlässliche Dokumentation der Eigenschaften. Ohne eine überprüfbare Leistungszertifizierung ist das rechtlich und technisch schwierig – und das betrifft ja nicht nur Stahlträger, sondern viele andere Bauteile ebenso. Das zeigt: Die Idee ist gut, aber die Voraussetzungen – etwa hinsichtlich Nachweisbarkeit, Normierung und Qualitätssicherung – fehlen häufig noch. Genau dort braucht es strukturelle Weiterentwicklungen, wenn Kreislaufwirtschaft vom Einzelfall zur Regel werden soll.
Pernsteiner: Wir müssen auf die Verhältnismäßigkeit achten. Wir diskutieren Kleinigkeiten endlos aus, während wir gleichzeitig in anderen Bereichen völlig unreflektiert weitermachen. Ein Beispiel: In Oberösterreich bauen wir unsere Häuser mit Tiefensonden – bei uns geht sich das aus. Aber gleichzeitig dämmen wir überall mit VWS-Systemen, also mit Styropor. Das ist problematisch, denn wir wissen heute schon, dass dieses Styropor langfristig als Sondermüll gilt. Trotzdem setzen wir es weiterhin großflächig ein – fast schon automatisch. Und genau hier müssen wir anfangen, vorausschauend zu handeln. Wie Herr Rhomberg richtig gesagt hat: Was wir heute entscheiden, wird erst in Jahrzehnten spürbar. Umso wichtiger ist es, die Konsequenzen unseres Handelns von Anfang an mitzudenken. Denn oft machen wir schlichtweg Unsinn – auch wenn es auf den ersten Blick ganz ordentlich aussieht.
Hagmann: Dazu möchte ich auch noch etwas sagen. Laut Georg Prommer entspricht die Menge an WDVS-Styropor, die für die Dämmung eines Einfamilienhauses benötigt wird, ungefähr der Füllung eines SUV-Tanks. Da stellt sich die berechtigte Frage, ob es nicht sinnvoller ist, dieses Material über einen Zeitraum von 20 Jahren zur Energieeinsparung beim Haus einzusetzen, anstatt es in einem Fahrzeug in kurzer Zeit zu verbrauchen. Natürlich ist das kein Freibrief – aber es verdeutlicht, dass man bei der Bewertung von Materialien auch die langfristige Wirkung und den Nutzen im Gesamtkontext betrachten sollte.
Pernsteiner: Aber das eine ist der energetische Gewinn – das andere ist das Wieder-Runternehmen. Unser Problem ist: Bei den Dämmstoffherstellern war der Preis in den letzten zehn Jahren konstant – aber was ist passiert? Die Zusatzstoffe wurden qualitativ schlechter, die Auftragsstärken geringer. Heute haben wir bei vielen Fassaden schon nach wenigen Jahren Rissbildungen. Wenn man ein paar Quadratmeter anschaut, sieht man oft bereits nach fünf Jahren die Schäden. Das ist ein echtes Problem. Denn wir reden hier nicht nur über Einzelfälle, sondern über ganze Generationen von Gebäuden. Es gibt nach wie vor zahlreiche Baustellen im wahrsten Sinne des Wortes. Oft wird plakativ eine Maßnahme gesetzt – sei es für eine Zertifizierung oder um etwas optisch aufzuwerten – aber die tatsächlichen technischen Herausforderungen bleiben ungelöst.
Schöll: Kurz zu dem Punkt: Bei einem meiner ersten Häuser hatte ich einen innengedämmten Ziegelbau mit 44 cm Wandstärke. Natürlich gab es da einige Herausforderungen, etwa mit dem Putz und den Anschlüssen. Also haben wir überlegt, zusätzlich drei Zentimeter Mineralfaserdämmung aufzubringen – ich wollte nämlich kein EPS verwenden. Also haben wir eine drei oder vier Zentimeter starke Mineralfaserplatte genommen. Doch dann hieß es, das müsse gedübelt werden. Also wurde mit Kunststoffdübeln gearbeitet – was wieder zusätzliche Kosten verursacht hat. Und dann kam mein Bauphysiker zu mir und sagte: „Mach das nie wieder.“ Denn die Herstellung von Steinwolle ist derart energieintensiv, dass sich das energetisch gar nicht mehr rechnet, im Vergleich mit EPS.
Pernsteiner: Wir versuchen es jetzt mit dem grünen Ziegel zu lösen – wir haben einen 38er eingesetzt, den Eder herstellt.
Egger: Für mich ist Nachhaltigkeit kein Luxus, weil für die Heizung die Bauteilaktivierung das Günstigste ist. Wir haben da ein System, und ich bin überzeugt, dass sich die Tiefensonden spätestens in sieben Jahren – allein über den Winterbetrieb – amortisieren. Aber man muss immer das Gesamtsystem betrachten. Leider haben wir ein Mietrechtsgesetz, das strikt zwischen Baukosten und Betriebskosten unterscheidet. Das heißt, Investitionen in energiesparende Maßnahmen rechnen sich für den Bauträger oft nicht direkt, weil nur die Betriebskosten reduziert werden – nicht aber die Miete steigen darf. Und dann gibt es auch noch das Heizkostenabrechnungsgesetz, das ist noch fürchterlicher. In Wien zum Beispiel müssen wir extra ansuchen, wenn wir von der Standardabrechnung abweichen wollen – auch wenn es ökologisch sinnvoll wäre. Die Förderstelle hat zwar gesagt, es muss als Einsparmaßnahme nachvollziehbar sein, aber allein das Abrechnen kostet jede Partei rund 90 Euro, und wenn fünf Parteien je einen eigenen Zähler bekommen, sind wir bei 720 Euro nur für das Ablesen. Und dabei könnte man eigentlich ganz einfach nach Quadratmetern abrechnen. Wir haben eine Ausnahmegenehmigung bekommen, weil unsere Lösung mit Bauteilaktivierung ohnehin keine Einzelabrechnung braucht. Insgesamt muss man hier gesetzlich ansetzen. Wenn wir wirklich nachhaltig bauen wollen, dann gehört das gesetzlich neu geregelt. Mit Fernwärme zu bauen ist vielerorts nicht mehr zeitgemäß – das kann man selbst lösen und kann ein autarkes Haus bauen. Das ist machbar – und langfristig gar nicht viel teurer, wenn man die geringeren Betriebskosten berücksichtigt. Und letztlich zählt, wie hoch die monatlichen Mietkosten für die Nutzerinnen und Nutzer ausfallen.
Hagmann: Das funktioniert derzeit nicht, weil die Energie einfach zu billig ist. Wir haben gesehen, was passiert, wenn die Energiepreise steigen – da gab es plötzlich einen starken Impuls. Aber jetzt, wo die Energie wieder günstiger ist, derzeit zahlt man beispielsweise 72 Euro fürs Rohöl – das ist ein Preisniveau, das wir schon vor 15 Jahren hatten. Die niedrigen Energiepreise bremsen viele Entwicklungen.
Egger: Wir bauen gerade die erste 300-kW-Peak-Anlage mit Speicher. Aber warum wird generell so wenig gespeichert? Wenn man es physikalisch betrachtet – Hauptschulniveau Physik – ist klar: Strom muss dort verbraucht werden, wo er erzeugt wird. Und trotzdem fehlt ein marktgerechter Ansatz dafür. Es gibt de facto keinen funktionierenden Markt für Speicherlösungen. Warum? Weil die Energieversorger (EVUs) das bewusst blockieren. Ihr Geschäftsmodell sähe in zehn Jahren völlig anders aus, wenn Speicher breit verfügbar wären – und sie stellen sich nicht darauf ein. Die meisten EVUs sind mehrheitlich in öffentlicher Hand, egal ob beim Bund oder bei den Ländern. Und genau dort wird nicht gehandelt. Wenn ich heute einen Speicher einbauen möchte, kostet das pro kWp aktuell etwa 600 Euro. Warum muss ich dann Strom einspeisen, wenn ich ihn auch lokal speichern und nutzen kann? Energiegemeinschaften wären hier eine echte Chance, aber auch sie werden von den EVUs torpediert – weil sie ihr Geschäftsmodell bedrohen.
Hagmann: Die haben in den letzten Jahren enorm viel investiert – da wird es mit Sicherheit eine Übergangsphase geben, in der diese Strukturen weiterhin mitgenommen werden müssen. Aber das passiert natürlich nicht von heute auf morgen. Die großen Investitionen und Anlagen müssen erst einmal abgeschrieben werden.
Egger: Aber die Bauvereinigung, die das Gebäude besitzt, soll den Strom speichern. Es kommen ja immer mehr E-Autos, und dafür braucht es sowieso mehr Strom.
Hagmann: Ja, aber wir brauchen die Energieversorger (EVUs) und auch die großen Kraftwerke, wenn wir ins Netz einspeisen wollen – einfach um die Netzstabilität zu gewährleisten. Sonst passiert das, was wir in Frankreich oder Spanien gesehen haben: Wenn zu viele Photovoltaikanlagen einspeisen, ohne koordiniert zu arbeiten, entstehen Frequenzschwankungen. Und genau das ist das Problem.
Oswald: Nein, das sollte man schon betreiben und umsetzen können – vor allem dann, wenn gleichzeitig auch eine Speicherlösung mitgedacht wird.
Egger: Richtig, man muss es speichern. Einspeichern ins Netz ist hochriskant.
Schöll: Wenn man Reihenhäuser oder Wohneinheiten verkauft, ist eine Lösung mit Tiefensonden natürlich attraktiv und rechnet sich in etwa nach sieben Jahren. Allerdings handelt es sich dabei um eine Vorinvestition – und ich glaube, viele Menschen sind heute nicht mehr bereit, diese Investition im Voraus zu tätigen. Ich persönlich sage: Ich tätige diese Investition und finanziere sie auf 30 Jahre – so funktioniert es. Aber beim Verkauf, denke ich, ist das deutlich schwieriger.
Egger: Nein, man muss ja auch die Anschlusskosten und alles Weitere berücksichtigen. Schauen Sie sich zum Beispiel die Fernwärme an – die vielen Anschluss- und Bereitstellungsgebühren – also, wenn sich da eine Tiefensonde nicht rechnet …
Hagmann: Die Banken sind in dieser Hinsicht eine große Enttäuschung – obwohl sie eigentlich der zentrale Enabler der Transformation sein könnten. Wenn jemand beispielsweise in eine Tiefensonde investiert, könnte das positiv auf seine Kreditwürdigkeit wirken oder zu besseren Finanzierungskonditionen führen. Aber derzeit passiert nichts in diese Richtung. Seit drei Jahren erleben wir hier eine massive Enttäuschung.
Egger: Das müsste mehr gefördert werden. Ich bin absolut dafür, dass man dafür auch entsprechende Anreize oder Unterstützungen erhält – etwa wenn man die Systeme am Laufen hält und Verantwortung übernimmt. Oft ist aber das Gegenteil der Fall.
Schöllbau: Ich möchte noch etwas Grundsätzliches anmerken: Jeder redet von Digitalisierung, aber als Mittelständler habe ich nicht die Ressourcen, um das „nebenbei“ umsetzen? Ich spreche da wahrscheinlich für 90 Prozent der Bauunternehmen in Österreich – viele davon sind kleiner als wir. Für uns ist das nach wie vor kaum machbar. Digitalisierung klingt gut, ist in der Praxis aber enorm herausfordernd.
Müller-Hofstetter: Ein gutes Schlusswort – es würde mich sehr freuen, wenn wir darüber beim Fachkongress Österreichische Bautage weiter diskutieren. Ich bedanke mich für Ihr Kommen und das offene Gespräch.