Passivhäuser unter der Lupe
a3: Sie pendeln derzeit als Passivhaus-Experte unter anderem zwischen Wien und China, wo im nächsten Jahr die internationale Passivhaustagung stattfinden wird. Wie weit sind die Chinesen in der Passivhaus-Technologie?
Dawid Michulec: China ist für mich ein extrem spannendes und dynamisches Land. Veränderungen geschehen dort in einer Geschwindigkeit die ihres Gleichen sucht. Passivhaustechnologie welche sich bei uns über Jahre entwickelt und etabliert hat wird dort im Eiltempo angewandt. Dabei entsteht oftmals der Eindruck, dass gewisse Entwicklungsschritte einfach übersprungen werden, wie z.B. das Niedrigenergiegebäude. Der Passivhaus Trend hat vor ca. 4 Jahren begonnen. Es gibt ein klares Kommitment der Zentralregierung, Förderungen werden ausgeschüttet, das Interesse an Schulungen nimmt ständig zu und auch die lokale Industrie hat mit der Produktion und Bereitstellung entsprechender Baustoffe bereits reagiert. Die größte Herausforderung sehe ich persönlich im oftmals fehlenden Planungs-Know-how oder der korrekten Ausführung. Mittlerweile gibt es in China siebzehn Passivhausgebäude welche dem Standard des Passivhaus Instituts Darmstadt entsprechen. Es freut mich, von Anfang an die Passivhaus Entwicklung in China aktiv mitgestalten zu können und neben Projekten auch inzwischen ca. 70% aller zertifizierten Passivhaus Planer in China ausgebildet zu haben.
Woher kommt die Kehrtwende – bislang waren die Chinesen für Ihr Interesse am Umweltschutz ja nicht so bekannt?
Der Kurs in Richtung Energieeffizienz im Bauwesen ist von der chinesischen Zentralregierung gesetzt worden. Bei den letzten jährlichen Volksversammlungen wurde unter anderem einer der Schwerpunkte auf hochenergieeffiziente Gebäude gelegt. Das hat der Niedrigenergiegebäude- und Passivhausentwicklung natürlich Aufschwung gegeben. Die Umsetzung obliegt den Provinzen, dort sollen entsprechende Projekte realisiert bzw. gefördert werden. Aber auch in Bereichen wie der Mobilität gewinnt der Umweltschutz immer mehr an Bedeutung. Es gibt bereits Millionenstädte mit rein elektrischen Taxi-Flotten oder rein elektrischem öffentlichen Verkehr – dies scheint in Europa vielerorts noch nicht denkbar. China besitzt auch die weltweit größten Photovoltaik Farmen, es wird also stark am Image gearbeitet.
Gibt es in China eigentlich keine Grün-Bewegung?
Natürlich gibt es Gruppen/Allianzen die eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema Umweltschutz fordern. Vieles passiert – wenn auch eingeschränkt und teilweise zensuriert – über Soziale Medien wie beispielsweise WeChat – ähnlich wie „Whatsapp“ jedoch viel vielfältiger. Aufgrund der strengeren Datenüberwachung wird Kritik oft nur vorsichtig geäußert. Das Bewusstsein für die Bedeutung des Themas Energieeffizienz und Umweltschutz ist jedoch vorhanden und stetig am Wachsen, was sich in vielen regionalen Projekten widerspiegelt.
Es gibt Förderungen, aber keine Richtlinien im Sinne von Limits beim Energieverbrauch?
Grundsätzlich gibt es von Provinz zu Provinz verschiedene Förderungen für energieeffiziente und/oder innovative Bauprojekte (wie z.B. Passivhaus Fertigteil Systeme). Die Ausschüttung findest statt sobald unter anderem das „China Green Building 60%“ erreicht wird. Damit ist eine Energieeinsparung von mindestens 60% im Vergleich zum konventionellen Gebäude gemeint. Soweit so gut, was jedoch fehlt ist eine einheitliche Energiebilanzierung (wie bei uns der Energieausweis oder das PHPP). Aktuell läuft es oftmals so, dass eine gewisse Energieeinsparung angenommen wird indem die Dämmstärke Planungshandbüchern entnommen wird. Der tatsächliche Energieverbrauch wird nicht berechnet, geschweige denn gemessen. Der Entwurf der neuen Chinesischen nationalen Energieeffizienz-Norm, an der ich mit meinem Unternehmen „Neubau best energy“ beratend mitarbeite, berücksichtigt Energiekennzahlen. Welche Bilanzierungsmethoden anerkannt werden, ist noch nicht entschieden.
Wie sind Sie persönlich zu diesen Projekten gekommen?
Nach über 12 Jahren Berufserfahrung als Angestellter im Bereich hochenergieeffizienter Gebäude war es für mich Zeit für neue Herausforderungen. Mein Wunsch etwas verändern oder bewegen zu können wurde mit der Gründung meines international tätigen Unternehmens erfüllt. Durch kontinuierliche Präsenz Vorort, Vorträge, Schulungen sowie den Austausch mit lokalen Schlüsselpersonen aus Wirtschaft und Politik war es mir möglich spannende Pilotprojekte umzusetzen und damit neue Dimensionen von Energieeffizienz in diesen Ländern aufzuzeigen.
Welche Werte erreicht ein Haus, das in China im Passivhaus-Standard errichtet wird?
Grundsätzlich ist der Passivhausstandard nach Passivhaus Institut Darmstadt für alle Klimazonen klar definiert. Beim aktuellen Projekt in Südchina liegt der Heizwärmebedarf z.B. bei 3 kWh/(m²a) (lt. PHPP). Hier sind eher die Kühlung und Entfeuchtung die wichtigen Themen. Da China sechs Klimazonen hat, ist es wichtig, als Unternehmen Erfahrung und Expertise mitzubringen, da jede andere Anforderungen hat. Mindestens genauso wichtig ist ein Energie-Monitoring, um zu beweisen, dass die Gebäude auch wirklich funktionieren, es nicht nur zu behaupten, wie es oft üblich ist. Durch das erste Energie-Monitoring des Passivhauses in Zhouzhou wurde bewiesen, dass ein Passivhaus mit höchster Behaglichkeit auch in China funktioniert und so wurden die ersten Vorurteile wie z.B. das PH-Konzept funktioniert zwar in Europa aber nicht in China, widerlegt.
Entfeuchtung ist vermutlich auch für Sie neu – weil in Österreich eigentlich kein Thema?
In Südchina ist es selbsterklärend, dass eine effiziente Entfeuchtung ein Schwerpunkt des Konzepts ist, überraschend war aber, dass es im kühlen Norden in der Nähe von Peking (Zhuozhou) ebenfalls hohe Feuchtelasten in den Sommermonaten auftreten und eine aktive Entfeuchtung notwendig machen.
Wie schauen die Fertigteilelemente generell im Aufbau aus?
Die Beton-Elemente beim Projekt in Hangzhou sind ein Sandwichaufbau, mit einer sechs Zentimeter dicken Leichtbeton-Außenschale und einer achtzehn Zentimeter dicken innenliegenden Stahlbetonscheibe. Beide Scheiben sind durch Kohlefaserverstrebungen verbunden und der entstehende Hohlraum von sechzehn Zentimetern mit PUR-Dämmung gefüllt.
Welche Außenhaut besitzen diese Elemente?
Die Beton-Außenhaut der Fertigteil-Module wird auf der Baustelle nicht mehr verputzt oder bearbeitet. Dadurch kann das Gerüst eingespart werden, das ist besonders bei chinaüblichen Hochbauten mit 15+ Stockwerken interessant. Deshalb war der Wunsch in der Entwicklung nach einem nach außen hin komplett fertigen Modul. Bei der Dämmung sind im Durchschnitt 14 Zentimeter in Südchina bis 24 Zentimeter im Norden notwendig. Mit der Dämmstärke steigen die Kosten solcher Fertigteilelemente, weil mehrere Kohlefaserverstrebungen gebraucht werden.
Gibt es ein vergleichbares System in Österreich?
Es gibt am Markt einige Schalen- und Sandwichfertigteilsysteme, welche meistens noch vor Ort vergossen werden müssen. Das ist in China nicht gewünscht, am liebsten: fertiges Element auf die Baustelle liefern – verschrauben – abdichten – fertig. Am liebsten mit bereits eingebauten Fenstern. Betonfertigteilsysteme dieser Art sind mir in Europa soweit nicht bekannt.
Vorhin fiel das Stichwort „verpfuscht“ – d.h. die Qualität der Arbeit vor Ort ist ein Problem?
Je nach Ausführungsfirma und Provinz haben wir in China das Problem der Wanderarbeiter. Bei meiner ersten chinesischen Baustelle habe ich mir Zeit genommen, um die Arbeiter auf der Baustelle anzuleiten, wie gearbeitet werden muss. Das Personal kann z.B. mit dem Begriff „Gebäudeluftdichtheit“ absolut nichts anfangen. Deshalb sind wir alle notwendigen Arbeitsschritte für die nächsten zwei Wochen in Musterräumen gemeinsam durchgegangen damit klar ist was erwartet wird nachdem ich wieder aus der Heimat komme. Als ich wieder nach China auf die Baustelle zurückkehrte, waren neue Arbeiter vor Ort. Gebaut wird ja in China genug, den Arbeitern ist es relativ egal, auf welcher Baustelle sie ihr Geld verdienen. Wenn die Arbeit zu mühsam ist, dann gehen sie eben zur nächsten Baustelle. Fluktuation von Mitarbeitern in diesem Tempo, kennen wir hier so nicht.
Das heißt der Schulungsaufwand ist ein redundanter?
Unabhängig ob ausführende Firma, Architekten oder technische Planer – ich gehe immer davon aus, dass eine Wissenslücke im Bereich hochenergieeffizienter Gebäude zu schließen ist und das kann ich auch allen andern empfehlen. Techniker welche selbstständig, lösungsorientiert arbeiten und offen für Neues sind, sind in China rar – meiner Meinung nach nicht zuletzt auf Grund des chinesischen Bildungssystems.
Verstehen die Bauunternehmer, dass es wichtig wäre, gut geschultes Personal aufzubauen?
Langsam ja. Ich habe inzwischen 70 Prozent aller zertifizierten Passivhausplaner Chinas ausgebildet, wobei ich in Deutsch und Chinesisch (mit Konsekutivübersetzung) unterrichte. Es gibt vier bis fünf Anbieter von solchen Kursen. Gemeinsam mit der Green Building Academy in Peking sind wir Marktführer wahrscheinlich u.a. weil ich der einzige ausländische Vortragende bin und auch der Einzige mit jahrelangem Praxisbezug.
Wer nimmt an in diesen Kursen teil?
Architekten, Ingenieure, Hersteller, Developer, Bauherrenvertreter – seit einem Jahr vermehrt Teilnehmerinnen und Teilnehmer welche sich nicht nur das Know-how aneignen möchten, sondern Personen mit konkreten Projekten und damit verbundenen technischen Fragen,
Welche Art von Planern kommt da?
Meistens Planer von größeren Büros, selten dass ein kleines Büro teilnimmt. Diese bauen oft einen Passivhaus-Abteilung auf und wollen ihre Projekte auch im Passivhaus-Standard anbieten. Für mich ist neben dem Know-how-Transfer und dem Beleben des Markts, der Folgekontakt sehr wichtig. Schaffe ich es in meinen Kursen einen kompetenten Eindruck zu hinterlassen, wird mein Unternehmen bei zukünftigen Passivhaus Projekten oft als Planer oder Berater beauftragt.
Wie hoch ist das höchste Passivhaus in China derzeit?
Das höchste zertifizierte Passivhaus, das ich kenne, hat ca. 15 Stockwerke – ein Wohnbau, im traditionell chinesischen Baustil gebaut. Bei Hochbauten sind Fertigteilsystem gefragt und werden auch von den Provinzen gefördert. Neben Beton-Fertigteilen spielen auch Holz-Fertigteile in Passivhausqualität eine große Rolle. Das innovative Kärntner Unternehmen Weissenseer Holzsystem Bau hat mit seinem chinesischen Partner in Nordchina nicht nur ein zertifiziertes Holzfertigteil-Gebäude realisiert, sondern auch eine gesamte Produktionslinie mit der Kapazität von bis zu 400 Einfamilienhäusern pro Jahr in der Nähe von Peking in Betrieb genommen.
Wie schauen die Passivhaus-Lösungen bisher in China aus?
Das „chinesische Passivhaus“ von denen es chinaweit bereits einige hundert gibt, ist am ehesten mit dem uns bekanntem Niedrigenergiegebäude zu vergleichen. Der Chinesische Geschäftsmann ist es aus der Zeit des Wirtschafsaufschwungs gewohnt Technologien im Ausland einzukaufen oder in Kooperation zu importieren. Einige Hersteller woll(t)en deshalb diese Passivhaustechnologie einkaufen ohne im Detail zu verstehen, dass das Passivhaus selbst nicht eine Technologie, sondern viel mehr das intelligente Zusammenspiel verschiedener Komponenten ist. Inzwischen hat sich die Industrie auf den Bedarf eingestellt und auf Wärmedämmung (EPS, XPS, PUR, Mineralwolle, Vakuumdämmung...), qualitativ hochwertige Fensterrahmen, Lüftungsgeräte, ... gesetzt.
Welche Probleme technischer Natur haben wir beim Passivhaus gelöst, welche haben wir noch?
Nach über 25 Jahren Erfahrung mit Passivhäusern haben wir in unserer Klimazone bereits das meiste gelöst, trotzdem gibt es noch ab und zu kritische Stimmen. Die Optimierung der Gebäudehülle d.h. die Reduzierung des Energiebedarfs ist meiner Meinung nach der richtige Ansatz. Vor allem mit dem Fokus eines Tages Wohnräumen mit höchstem Komfort (Frischluft) jedoch ohne Energieverbrauch als Standard für die breite Masse bereit zu stellen. Abhängig von der Klimazone muss natürlich abgewogen werden was technisch möglich und gleichzeitig wirtschaftlich tragbar ist. Immer wichtiger wird in Zukunft jedoch neben den Materialien die Integration der Mobilität und lokalen Nahrungsmittelherstellung in die Gebäudekonzepte. Einen immer größeren Bedarf gibt es nach vereinfachter reduzierter Haustechnik, welche sich permanent weiterentwickelt.
Sie meinen „simple houses“, also einfache Häuser ohne viel Technik …
Richtig, diesen Ansatz kann ich grundsätzlich nachvollziehen. Ganz ohne Haustechnik wird es jedoch nicht gehen, derzeit muss zumindest ein minimaler Energiebedarf für Kühlen/ Heizen/ Entfeuchten/ Warmwasser in Gebäuden bereitgestellt werden. Die angesprochene Reduktion der Haustechnik beginnt in der Optimierung des Gebäudekonzepts und der Gebäudehülle. Danach kann ich überlegen auf hydraulische Systeme zu verzichten und z.B. nur mit Infrarotpanelen zu heizen. Wobei das nicht die effizienteste Art und Weise ist Wärme bereitzustellen. Also setzen viele eine Wärmepumpe ein, welche Wärme (aber auch Kälte) effizienter produziert. Die Frage ist: Ist das dann schon zu viel Technik?
Also ist die Wärmepumpe die Lösung?
Derzeit ist sie eine der besseren Optionen wobei zwischen Einfamilienhäusern und mehrgeschossigen Bauten differenziert wird. Zumindest eine Warmwasseraufbereitung muss in den meisten Fällen gewährleistet werden, z.B. mit Kleinst-Wärmepumpen. Die Wärmepumpe trifft aber auch aktuell den Puls der Zeit mit der Option auf Kühlung. Die zunehmend wärmeren Sommerperioden erhöhen den Bedarf nach Kühlung.
Lüftungsanlagen sind aber wegen der Wartung auch gerade in Diskussion …
Lüftungsanlagen sind zweifelsohne ein omnipräsentes Thema – unbestritten. Wir brauchen ausreichend Sauerstoff, durch einen zu hohen CO2 -Anteil werden wir in unser Wohlbefinden negativ beeinträchtigt. Mit einer Lüftungsanlage bin ich Herr über die Luftqualität meines Raumes oder ich entscheide mich für konsequentes Fensterlüften, was spätestens im Winter mit ungewollten Raumabkühlungen verbunden ist. Wir leben heute in relativ luftdichten Gebäuden, deshalb bin ich ein Befürworter von Lüftungsanlagen, weil es ein unbestreitbarer Komfortgewinn ist. Die richtige Ausführung ist der Schlüssel zur Zufriedenheit. Regelmäßiger Filterwechsel, gute Planung, einfache Steuerung, die richtigen Lufteinlässe mit guter Verwirbelung sind nur einige Punkte welche dabei berücksichtigt werden müssen. Mit einer Passivhaus-Gebäudehülle kann die Lüftung zu einer Luftheizung ausgebaut werden, die das konventionelle Heizsystem überflüssig macht. In kritischen Räumen mit erhöhter Temperaturanforderung können punktuell Infrarotpaneel oder kleine Zusatzheizungen eingesetzt werden.
Ohne Lüftungsanlage geht es aber nicht im Passivhaus, oder?
Ich würde das Lüftungskonzept schon allein aus Komfortgründen beibehalten, im Passivhaus hat das Lüftungsgerät zusätzlich eine Wärmerückgewinnung von mindestens 75 Prozent und reduziert damit erheblich den Energiebedarf um die Frischluft auf die gewünschte Temperatur zu bringen.
Wie absurd ist es, dass wir mittlerweile, salopp formuliert, Fenster mit Lüftungsschlitzen einbauen? Brauchen wir solche Produkte tatsächlich?
Gebäude wurden mit der Zeit immer dichter, damit sind sie trockener, hochwertiger und langlebiger, früher fand die Infiltration durch nicht mehr vorhandene Leckagen statt. Die Luftdichtheit ist bereits ein Thema, wenn wir ein reines Abluftsystem haben. Frischluft strömt nicht temperiert über z.B. Fensterschlitze ein und wird in Abluftzonen (Bad, WC oder in der Küche) abgesaugt. Das ist mittlerweile Standard, eine Wärmerückgewinnung ist hier nicht möglich. Zu einem kontrollierten Wohnraumlüftungssystem mit Wärmerückgewinnung fehlt nicht mehr viel.
Das Stichwort Monitoring ist bereits gefallen. Oft entsprechen die gemessenen Ergebnisse von Passivhäusern nicht den Berechnungen.
Das passiert immer wieder, der erste Schritt ist die Energiebilanzierung und die Auslegung. Dabei zählt oft die Erfahrung des Bauphysikers, damit die Energiebilanzierung möglichst an den realen Verbrauch herankommt. In China beispielsweise haben die ausführenden Baufirmen wenig Erfahrung mit energieeffizienten Gebäuden, daher ist es sinnvoll die Energiebilanzierung und daraus abgeleitet Planung auf der sicheren Seite zu wählen. Wenn zwei, drei Dinge in der Ausführung schief gehen (zusätzliche Wärmebrücken), darf das Projekt, also die Zielwerte, dennoch nicht gefährdet sein.
Wegen der Förderung?
Nicht nur wegen der Förderung, wir werden oft inklusive einer Garantie für Zielwerte (Heizwärmebedarf, Kältebedarf ...) beauftragt, deshalb umfassen unsere Projekte immer ein Monitoring, zumindest ein kleines zur Einregulierung und als Qualitätsnachweis. Weichen die real gemessenen Verbräuche von den Projektierten ab muss der Fehler aufgezeigt werden. Ohne einem Monitoring gibt es keine Möglichkeit, die Abweichungen und Fehlerquellen zu lokalisieren.
Diese Erfahrung fließt dann in das nächste Projekt ein?
Besonders bei der Einregulierung von Gebäuden oder der Fehlersuche bei erhöhten Verbräuchen sind Erfahrungswerte sehr hilfreich. Aber auch für einen optimierten effizienten Betrieb braucht es Kontrollwerte.
Wo haben wir bei der Bauphysik noch Bedarf in der Forschung?
Im Fachbereich Wärmeschutz hat sich in den letzten Jahren vieles weiterentwickelt. Null-Energie oder Plus-Energie Gebäude sind inzwischen nichts Neues. Eine Herausforderung wird es sein dieses Know-how in verschiedenen Klimazonen anzuwenden. In unseren Breitengraden ist die Passivhaus-Gebäudehülle ein Optimum, mehr Dämmung erwirkt nicht den gewünschten Effekt. Es ist sinnvoller, z.B. elektrische Komponenten zu optimieren oder die Haustechnik ins Gebäudekonzept einzubinden.
Wie aufgeschlossen erleben Sie die Haustechnik-Branche, sich mit Passivhaus-Konzepten auseinanderzusetzen?
Meine Erfahrung mit Haustechnikern hat gezeigt, dass bewehrte Systeme eindeutig Vorrang haben. Oft werden innovative Ideen oder Optimierungen nur mit einer gewissen Vorsicht (und teilweise nur mit Backup-Systemen) angenommen. Kennt der Haustechniker die Passivhaushülle oder das Passivhauskonzept nicht, bieten wir vorab Schulungen an und binden ergänzend von uns aus Haustechnik-Ingenieure in den Planungsprozess ein. Gute Haustechnik beginnt bereits beim Gebäude-Nutzungskonzept in der Entwurfsphase. Das ist sowohl ein Planungs- wie auch Haustechnik-Thema, da muss man die Brücke schlagen.
Das heißt die optimale Planung sieht wie aus?
Im Optimalfall sind alle Projetbeteiligten passivhausaffin und interdisziplinäres Arbeiten gewohnt. Wenn der Architekt nicht versteht, wie die Lüftung funktioniert, wird es zu Einbußen kommen. Im Ausland ist der Bauphysiker meistens der einzige Projektbeteiligte mit Passivhauserfahrung und muss alle Gewerke anleiten.
Bei vielen Architekten ist das Verständnis aber noch nicht da …
In Europa hat es sich gebessert, auch auf den Universitäten spielt die Haustechnik eine immer wichtigere Rolle. Ein besonders gutes Beispiel ist die Green Building Solutions Summer University der BOKU (Stefan Sattler und Martin Treberspurg) und der TU Wien (Karin Stieldorf). Ich darf den Bereich „Building Physics und Building Services“ abdecken. Die Haustechnik verändert sich rasant, Photovoltaik ist heute wesentlich günstiger als vor fünf Jahren, ebenso die elektrischen Speicher. Vielleicht macht es eines Tages Sinn mit dem selbst produzierten Strom eine Infrarot/Stromheizung zu betreiben. Dann tut es nicht so weh, wenn ich nicht so effizient Wärme produziere, weil ausreihend Strom selbst hergestellt und gespeichert werden kann. Eine Unzahl an potentiellen Möglichkeiten, welche jedoch eines gemeinsam haben: Der Energiebedarf muss minimiert bzw. optimiert werden, je niedriger der Bedarf, desto weniger Technik brauche ich.
Mit der Photovoltaik am Dach ist man flächenmäßig schnell am Limit. Wie sieht es aus mit Photovoltaik an der Fassade?
Ein sehr gutes Beispiel ist hier das weltweit erste Plus-Energie Hochhaus der TU Wien am Getreidemarkt in Wien. Sämtliche nach Süden orientierten Fassadenflächen wurden für Photovoltaik genutzt um ausreichend Energie zu produzieren. Durch den vertikalen Einbau verringert sich der Wirkungsgrad, weiters ist die Frage der Modulkühlung richtig zu lösen, damit die Einbußen durch Überhitzung nicht zu hoch werden. Es gibt aber inzwischen einige realisierte Beispiele.
Kommen wir da bald in die Breite, oder wird es bei Einzelprojekten bleiben?
Es tut sich sehr viel. Auch beim Getreidemarkt sind Strömungssimulationen gemacht worden, um zu sehen, wie man die Lüftung führen sollte, damit die Module möglichst kühl bleiben. Diese Projekte sind mit Forschungsprojekten verbunden. Da tut sich permanent etwas. Ich gehe daher davon aus, dass wir bald mit deutlichen Steigerungen zu rechnen haben.
Wie schaut es mit der Haustechnik in China aus?
Viele Wärmepumpen und Lüftungsgeräte werden in China hergestellt, die meisten Photovoltaik-Elemente ebenso in China produziert und nach Europa exportiert. Auch in der Speichertechnologie ist man vorne dabei. Was noch fehlt ist Wärme- und Feuchterückgewinnung, Rotoren als auch Plattentauscher. Diese Produkte sind aber auch schon die einzigen Komponenten für das Passivhaus, die nicht in China produziert werden.
Die Passivhäuser, die in China gebaut werden, sind das Siedlungen auf der grünen Wiese oder Passivhäuser im urbanen Gebiet?
Ein Baugrund im dicht besiedelten, urbanen Gebiet ist nur sehr schwer zu erhalten. Werden doch Projekte realisiert, müssen diese in kurzer Zeit, möglichst günstig gebaut werden und hohe Einnahmen generieren. Große Developer haben optimierte Bauprozesse, die sie nur ungern ändern, somit kommt es meistens überhaupt nicht zur Frage nach einem Passivhaus, denn auch diese Wohnungen werden bei Preisen um die 13.000 Euro pro Quadratmeter profitabel verkauft. Daher gibt es im städtischen Bereich viele Hochhäuser aber wenige Passivhäuser.
Wie will man sonst das Problem mit dem Smog lösen?
Richtig unangenehm ist der Smog, wenn die nächste rote Ampel nicht sichtbar ist und dadurch der gesamte Verkehr zum Erliegen kommt. Um dem entgegenzuwirken haben sich einige Maßnahmen bewährt, z.B. Fahrerlaubnis nur für Fahrzeuge mit geraden oder ungeraden Kennzeichenziffern, Baustopps und Schließung von Fabriken in Stadtnähe zu Beginn des Winters, wenn Kohlekraftwerke für Fernwärme sorgen müssen.
Die Stadt Gaobeidian, wo auch die Passivhaustagung 2019 stattfinden wird, hat sich als Bahnstadt vorgestellt. Gemeinsam mit dem Passivhausinstitut wird eine Passivhaus Siedlung mit ein paar 100.000 Quadratmetern Wohnfläche errichtet. Das ist in China nichts Unübliches, es stehen dann mehrere Türme nebeneinander. Zur Tagung soll das erste Gebäude fertig sein.
Spürt man Druck in Richtung Umweltschutz von Seiten der Bevölkerung?
Der Regierung in China Druck machen, ist glaube ich nicht der richtige Ansatz. Die Regierung
stellt regelmäßig den Fünf-Jahres-Plan vor und dieser beinhaltet auch Verbesserungen im Umweltschutz. Das Umwelt-Bewusstsein der breiten Bevölkerung ist minimal. Die ältere Generation kennt seit jeher das Ziel steigender Wirtschaft um jeden Preis. Die neue Generation steht im Zwiespalt, weil viele den Lebensstandard in Europa kennen und mit China vergleichen.
Das heißt, die Schicht, die sich Qualität leisten kann und auch von Europa kennt, kann die Nachfrage nach Green Buildings auslösen?
Ich denke schon. Vor allem der Standardwohnbau ist qualitativ minderwertig, schon nach zwei Jahren löst sich der Putz, ungenaue Verarbeitung spiegelt sich oft in feuchten Stellen oder Schimmel an den Wänden wider. Das ist bisher üblich. Aber nun gibt es immer mehr Beispiele für: saubere Wohnräume mit guter sauberer Frischluft.
Zur Person Dawid Michulec
Ausbildung
# Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt Wien III: Bauwesen Hochbau/Bauwirtschaft
# Technische Universität Wien: Bauingenieurwesen/Bauwirtschaft
Beruflicher Werdegang
# Internationaler Berater für Bauphysik und Forschung Schöberl & Pöll GmbH
# Geschäftsführer Neubau best energy – Neue Bauphysik und Energiedesign GmbH
www.neubau.energy