Hotmaps
„Im Grunde soll es so etwas wie Google maps der Wärmeplanung sein, wo man auf GIS-basierter Basis den Wärmebedarf innerhalb einer Region anschauen kann“, erklärt Michael Hartner vom Institut für Energiesysteme und elektrische Antriebe. Er ist federführend im Leitungsteam dieses im Rahmen des EU-Programms „Horizon 2020“ geförderten und für alle 28 EU-Länder richtungsweisenden Projektes tätig. Gemeinsam mit Lukas Kranzl, seit 1999 in der Energy Economics Group der TU Wien tätig, koordiniert Hartner den Projektablauf und die Kommunikation innerhalb der in Summe sechzehn Partner.
Der Google-maps-Vergleich ist anschaulich, allerdings unterscheidet sich Hotmaps in einem entscheidenden Punkt von den kartographischen Ambitionen des kalifornischen Konzerns: Es ist eine Open Source-Technologie, Energiefragen sind heutzutage nämlich nicht mehr ausschließlich eine Aufgabe für Fachleute. Und: Mit den Zielen diverser Klima-Konferenzen und dem wachsenden Bewusstsein für die Energiewende, ist auch der Bedarf nach verlässlicher Datenlage und aussagekräftiger Auswertung gewachsen. Energiekennzahlen und ihre Aussagekraft gehen allmählich in das allgemeine Verständnis über. Für die Planung von Wärmenetzen ist es entscheidend, die räumliche Dimension der Wärmeplanung darzustellen, dazu bedarf es regional aufgelöster Daten.
„Mit der Website von Hotmaps und der Software, die wir gerade entwickeln, wird das Angebot für erneuerbare Energieträger räumlich aufgelöst dargestellt“, beschreibt Hartner die Quintessenz von Hotmaps. „Dadurch kann man etwa schauen, wie Biomasse-Potenziale in Europa verteilt sind oder welche Region über eine relevante Geothermie verfügt. Aber auch die Nutzung der Abwärme von Industrieanlagen wird so wesentlich transparenter und umsetzbarer.“ Das Tool wird dem Nutzer die Möglichkeit geben, sowohl die Nachfrageseite als auch die Angebotsseite miteinander zu verschränken und sowohl überregional, regional als auch lokal sichtbar zu machen.
7 Pilot Areas
Die Open-Source-Philosophie geht soweit, dass nicht nur jeder das Tool kostenfrei nutzen kann, sondern dass sich jeder auch die Programmcodes, auf welchen die Software basiert, herunterladen und im besten Fall selbst dazu beitragen kann, das Tool zu optimieren und kontinuierlich eine noch bessere Datenbasis zu bewirken. Die Basisversion, die bis 2020 abgeschlossen sein wird, benötigt aber ohnedies eine enorme Datenmenge, um zu relevanten Ergebnisse zu gelangen. Die Betaversion der Software wird in wenigen Monaten zur Verfügung stehen und damit erste Erkenntnisse über die Anwendbarkeit und Feinjustierung zulassen.
Im Augenblick sind die Forscher vor allem damit befasst die Progammierung voranzutreiben und im kommenden Jahr geht es ans Testen in den sieben ausgewählten Pilot Areas. Diese sind geographisch breit verteilt und stellen sich auch hinsichtlich der Energiesituation und der spezifischen Herausforderungen recht unterschiedlich dar: Aalborg (DK), Bistrita (RUM), San Sebastian (ESP), Frankfurt am Main (D), Genf (CH), Kerry County (IRL) und Milton Keynes (GB).
„Dänemark ist in der Erfahrung mit kommunaler Wärme- und Kälte-Planung führend und deshalb hat sich Aalborg gewissermaßen aufgedrängt“, führt Kranzl aus, Hartner ergänzt: „Man könnte meinen, dass den Teilnehmern aus Dänemark das Tool vielleicht nicht so viel bringt, weil sie die Aufgaben bereits gut bewältigen mit ihren eigenen Methoden, aber nicht nur wir können von den Dänen lernen, denn diese wollen auch einfachere Tools nutzen. Ein Riesenvorteil der Toolbox wird sein, dass sie sowohl Funktionalitäten einer Software hat, als auch die gesamte Datenbasis beinhalten soll, die ich für die Wärmeplanung brauche. Ich kann also hergehen und mir mit ein paar Klicks Informationen ansehen, für die ich sonst vielleicht mehrere Wochen an Datenrecherche und -aufbereitung benötige. Mit unserem Tool wird das ein halber Tag Arbeit sein.“
Die Pilot Area Genf wiederum verfügt seit Jahren über sehr umfangreiche Daten zum Energiebedarf, hat aber wenig Auswertungen und darf sich eine bessere Nutzung der Daten vom Tool erwarten. „Milton Keynes wiederum ist insofern anders, weil es in England generell eine sehr individualisierte Kultur des Heizens gibt und Fernwärme weniger Bedeutung genießt. Gleichzeitig ist Milton Keynes eine Modellstadt aus den 70er Jahren und als solche auf die grüne Wiese gestellt worden. Dadurch fallen Erneuerungs- und Sanierungsmaßnahmen für die Infrastruktur und den Gebäudebestand gleichzeitig an. Die Partner erhoffen sich aus dem Tool Anleitungen, um diesen stufenweisen Prozess besser planen zu können“, beschreibt Kranzl am konkreten Beispiel wie man vom Tool profitieren kann.
Denn schließlich sollen Behörden, aber auch am Bau- und Energiemarkt Beteiligte mit Hotmaps Ressourcen und Lösungen identifizieren, analysieren, modellieren und kartografieren, um den Energiebedarf in ihrem Verantwortungsgebiet und bei ihren Projekten ressourcen- und kosteneffizient zu decken.
Auch San Sebastian ist eine progressive Gemeinde, die viel im Bereich der Dekarbonisierung unternimmt, allerdings bei der Datenlage Mängel hat. Kerry County andererseits ist zersiedelt, könnte aber zum Beispiel mit Solarthermie und PV-Anlagen eine visionäre Energieplanung umsetzen können – wie viele ländliche Regionen. Bistrita wiederum will vom Gas als fossilem Energieträger wegkommen. Frankfurt betreibt eine engagierte Energieplanung. Alle diese Partner stehen als Pionierstädte für Hunderte, wenn nicht Tausende andere Städte in Europa. Deshalb ist auch Energy Cities einer der sechzehn Partner. So kann eine nachhaltigere Energiepolitik in möglichst vielen, wenn nicht allen europäischen Gemeinden verfolgt werden.
TU Wien für Projekt prädestiniert
„Wir haben uns in den letzten Jahren stark mit Fragen der Wärmeplanung befasst, mit der Perspektive einer Dekarbonisierung der Wärmeversorgung und einer Effizienzsteigerung des Wärmesektors. Zusätzlich zu den Partnern – darunter die Aalborg Universität, Plan Energi, Fraunhofer ISI, HES-SO, CREM, EURAC und e-think in Wien – sowie den Pilot Areas gibt es IT-Implementierungspartner und wissenschaftliche Partner des TU-Instituts. Die TU Wien deckt alle relevanten Kompetenzen ab, also Datensammlung, -aufbereitung und -analyse und verfügt über ein besonders Verständnis des Wärmesektors und weiß außerdem wie Fragen der Energieplanung in brauchbare Modelle umgesetzt werden können.
Wie soll der Kontinent 2050 seine Energie gewinnen und einsetzen? Antworten darauf können globale Signalwirkung haben. „Wir wissen aus Szenarien, dass zur Erreichung von tatsächlich ambitionierten Dekarbonisierungszielen, wie sie beispielsweise in Paris 2015 festgelegt wurden, eine Halbierung des Wärmebedarfs insgesamt erforderlich ist“, konkretisiert Kranzl. „Das heißt jedoch faktisch, dass der Raumwärmebedarf noch stärker sinken muss, weil der Warmwasserbedarf in etwa gleich bleibt. Spezifisch muss er sogar noch mehr sinken, weil der Gebäudebestand steigt, zumindest in einigen Regionen. Wir haben bereits gezeigt, dass das in Österreich möglich ist. Nachsatz: Wenn die politische Umsetzung erfolgt.“
Europa mitgestalten
Diese politische Umsetzung soll durch das Hotmaps-Tool erleichtert werden. In erster Linie wird das Tool für Ingenieure, Architekten und Flächenwidmungsplaner sowie alle am Planen, Bauen und an Energiethemen Beteiligten eine Unterstützung leisten. Im Übrigen ist der Open Source-Charakter bereits jetzt in der Entwicklung gegeben, denn Fachleute sind eingeladen, als Test-User Vorschläge einzureichen. Auch nach dem Projektabschluss im Jahr 2020, wenn bereits aus vielen Städten Erfahrungswerte eingearbeitet sind, soll die Community die Aktualisierung leisten.
Dazu trägt auch ein Handbuch bei, das im kommenden Jahr – in allen Sprachen der EU-28 übersetzt – vorliegen wird. So kann der mündige Bürger an der Gestaltung Europas teilhaben und auch die Politik mit Wünschen konfrontieren. Es ist anzunehmen, dass ökologische Themen in Zukunft noch stärker eine Herausforderung an die Demokratie darstellen. Hotmaps könnte demnach idealerweise eine Errungenschaft sein, die den demokratischen Prozess fördert.
Die Hauptmerkmale der Hotmaps-Toolbox
- Standortermittlung der aktuellen Nachfrage nach Wärme und Kälte sowie Bereitstellung auf einer Karte für die EU28
- Potenziale für erneuerbare Energien identifizieren, um den Heiz- und Kühlbedarf für ein ausgewähltes Gebiet zu decken
- Identifizierung von Abwärmepotenzialen von Industrieanlagen in einem ausgewählten Gebiet
- Das Potenzial für effiziente Fernwärmeoptionen in einem ausgewählten Gebiet abzuschätzen
- Schätzung und Vergleich der Kosten für individuelle Heiz- und Fernwärmeoptionen innerhalb eines ausgewählten Gebiets
- Vergleich der Ergebnisse der lokalen Wärme- und Kälteplanung mit nationalen und regionalen Dekarbonisierungswegen
Mehr Informationen unter: www.hotmaps-project.eu