Schatten von Personen, die in eine Richtung gehen.
In der Causa Baukartell sind noch Fragen offen.
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Baukartell Causa im Endspurt

Seit mittlerweile sieben Jahren sind die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, das Kartellgericht und das Strafgericht mit dem Baukartell, der wohl größten Kartellbildung der zweiten Republik, beschäftigt. Jetzt setzt man zum Endspurt an:

Es geht laut BWB um tausende Bauvorhaben. Gegen die Mehrzahl der beteiligten Unternehmen laufen die Ermittlungen jedoch heute noch. Ein Generalvergleich zwischen Bau-Unternehmen und geschädigten Auftraggebern der öffentlichen Hand (Länder, Gemeinden, Verbände) ist in Verhandlung. Was aus dieser Übereinkunft zwischen Bau-Unternehmen und Auftraggebern an die Öffentlichkeit kommt, ist offen. Es besteht die Möglichkeit einer Verschwiegenheitsklausel.

Während der Hausdurchsuchungen hat die BWB bisher mehr als 70.000 Papierunterlagen und 57 TB an IT-Daten sichergestellt. Es gab bis 2018 zahlreiche Durchsuchungen, Einvernahmen und seither eine aufwendige Datenauswertung.

Vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2017 wurden im Rahmen des aufgeflogenen Baukartells zwischen den beteiligten Bau-Unternehmen diverse Absprachen getroffen. Ziel war die Minimierung, oder sogar letztendlich die Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs, sowie die Sicherung von Marktanteilen und die gegenseitige Hilfe bei der Erteilung von Aufträgen.

Man hat sich`s ausgemacht

So kam es laut BWB zwischen den beteiligten Bau-Unternehmen zu Preisabsprachen, Marktaufteilungen und zum wiederholten Austausch wettbewerbssensibler Informationen. Künftiges Verhalten bei Angebotsabgaben wurde ebenso besprochen, wie kartellrechtswidrige Arbeits- und Bietergemeinschaften gebildet wurden.

Man hat sich untereinander abgesprochen, indem gemeinsam Preise festgelegt und sogenannte „Deckangebote“ eingereicht wurden. Diese Deckangebote waren absichtlich höher als das Angebot des bevorzugten Unternehmens, damit dieses den Auftrag erhält.

Außerdem einigten sich die Beteiligten darauf, dass bestimmte Unternehmen in bestimmten Ausschreibungen gar keine Angebote abgeben sollten oder dass ein bestimmtes Unternehmen den Zuschlag bekommt. Solche Absprachen wurden sowohl in Gruppengesprächen als auch durch direkte bilaterale Kontakte getroffen. Die Aufteilung der Bauprojekte erfolgte teilweise nach einem festen Schlüssel, basierend auf den bisherigen Marktanteilen der Unternehmen.

Neben diesen Absprachen wurden auch Gegenleistungen zwischen den Unternehmen vereinbart, etwa in Form von Arbeitsabtausch, Subaufträgen oder bevorzugten Konditionen. In einigen Fällen wurden stattdessen Punkte vergeben, die als eine Art Guthaben fungierten und später durch Gegenleistungen ausgeglichen wurden. Zudem kam es vor, dass Unternehmen ihre Kalkulationsgrundlagen im Vorfeld austauschten, um sicherzustellen, dass der gewünschte Auftragsnehmer den Zuschlag erhält.

Bauprojekte in ganz Österreich

Involviert sind laut BWB mehrere Dutzend Unternehmen, die genaue Zahl lasse sich schwer beziffern. Kolportiert werden immer wieder bis zu 80 beteiligte Firmen. Bis dato (Stand Juni/Juli 2024) wurden insgesamt 185,53 Millionen Euro an Geldbußen vom Kartellgericht verhängt. Laut Sarah Fürlinger (BWB) befinde man sich derzeit im „Endspurt“ bei den Kartellverfahren.

Die Liste der 21 beteiligten Unternehmen, die bereits kartellrechtlich zu Geldbußen verurteilt wurden, liest sich wie ein Who ist Who der Bauwirtschaft. Nahezu sämtliche Sparten im Bereich Hoch- und Tiefbau sind betroffen, schwerpunktmäßig besonders involviert ist der Straßenbau.

Die konkret betroffenen Bauprojekte von Ländern, Gemeinden und privaten Auftraggebern sind: Büro- und Wohngebäude, Friedhöfe, Kasernen, Kraftwerke, Gebäude der Justizanstalten, Parkplätze, Parks, Schulen, Straßenbau, Brückenbau, Erdbau, Gleisbau und Bahnhofsanlagen, Kanalbau, Leitungsbau und vermutlich viele weitere Projekte in ganz Österreich.

Nach derzeitigem Stand betrugen die Auftragsvolumina der Bauprojekte laut BWB bis zu 61 Millionen Euro. Welcher konkrete Schaden den Auftraggebern tatsächlich entstanden ist, wird allerdings nicht über das Kartellgericht geklärt, denn hier werde der Schaden nicht bemessen.

Man müsse im Wege eines zivilgerichtlichen Schadenersatzverfahrens den jeweils erlittenen Schaden geltend machen.  Dies kann durch Sammelklagen und mit Hilfe von Prozessfinanzierern ebenso erreicht werden, wie mit dem schon zu Beginn genannten Generalvergleich, den wohl die Gemeinden und öffentlichen Auftraggeber anstreben, wie kolportiert wird. Konkrete Entscheidungen gibt es zum heutigen Tage noch nicht.

Die Kronzeugenregelung

„Das Kronzeugenprogramm ist das wichtigste Instrument zur Aufdeckung geheimer kartellrechtswidriger Absprachen. Aus diesem Grund wird kooperierenden Unternehmen eine bis zum vollständigen Entfall reichende Geldbußenermäßigung eingeräumt. Allerdings ist diese weitreichende Privilegierung nur bei Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen gerechtfertigt“, so die BWB-Generaldirektorin Natalie Harsdorf-Borsch.

Es gibt im Baukartell mehrere Kronzeugen. Kronzeugen müssen wahrheitsgemäß, uneingeschränkt und zügig mit der Bundeswettbewerbsbehörde zwecks vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes zusammenarbeiten, sowie sämtliche Beweismittel für die vermutete Zuwiderhandlung, die sich in ihrem Besitz befinden oder auf die sie Zugriff haben, vorlegen.

Das Bauunternehmen Kostmann kooperiert seit 2017 kontinuierlich mit der BWB. Diesem Unternehmen wurde aufgrund dessen das Bußgeld vollständig erlassen.  Auch für Strabag und Swietelsky wurde von der BWB im Rahmen des Kronzeugenprogramms eine geminderte Geldbuße beantragt. Bei der Strabag gab es zwischendurch (2022) seitens der BWB Zweifel, ob der Kronzeugenstatus vollinhaltlich erfüllt werde. Diese Zweifel kamen durch Amtshilfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auf, die relevante Informationen an die BWB übermittelte. Es sollen seitens der Strabag Informationen nicht an die BWB weitergegeben worden sein.

Das Unternehmen betonte laut einer Aussendung vom 28. Juli 2022 jedoch, dass man umfänglich kooperiere und intensiv mit der BWB im Rahmen des Kronzeugenprogramms zusammenarbeite. So habe man maßgeblich zur Aufklärung beigetragen und daher auch als erstes Unternehmen das Kartellverfahren rechtskräftig beendet. Laut BWB laufe das Verfahren wieder. Mit neuen Vorzeichen.

Grund dafür: Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat nunmehr den Rechtsmitteln mit Beschluss vom 25.05.2023 vollinhaltlich Folge gegeben, den Beschluss des Kartellgerichts vom 20.10.2022 ersatzlos aufgehoben und dem Kartellgericht die Fortsetzung des Verfahrens zum Abänderungsantrag unter Abstandnahme des gebrauchten Zurückweisungsgrundes aufgetragen. Es ist kompliziert. Und seit über einem Jahr ruhig. Die Verfahren laufen.

„Es kann vielmehr der Effektivität des Kronzeugenprogramms nicht dienen, Unternehmer, denen aufgrund wissentlichen Verschweigens von Kartellrechtsverstößen der Kronzeugenstatus zuerkannt wurde, vor der Verhängung angemessener Geldbußen zu schützen, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Bundeswettbewerbsbehörde davon unverschuldet keine Kenntnis hatte“, so der OGH.

Zum Urteil aus dem Jahr 2023 befragt, lässt die Strabag wissen: „Beim Beschluss des OGH aus dem Jahr 2023 handelt es sich nicht um eine inhaltliche Entscheidung. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof lediglich über die Zulässigkeit des Antrags der BWB im Abänderungsverfahren entschieden. Das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht wird nunmehr prüfen, ob der Antrag der BWB inhaltlich berechtigt ist. Dies ist nach unserer festen Überzeugung nicht der Fall. Der Vorstand der Strabag SE hält weiter daran fest, dass das Unternehmen umfänglich und intensiv mit der BWB im Rahmen des Kronzeugenprogramms kooperierte. Wir haben durch unsere Kooperation maßgeblich zur Aufklärung beigetragen und daher auch als erstes Unternehmen das Kartellverfahren beendet. Darüber hinaus hat Strabag ihr Compliance-System nachgeschärft: Im Jahr 2023 wurde Strabag von Austrian Standards nach ISO 37001 (Anti-Korruptions-Managementsysteme) und ISO 37301 (Compliance-Management System) zertifiziert. Die Zertifikate sind für alle vollkonsolidierten Gesellschaften gültig. Strabag ist damit der erste österreichische, weltweit tätige Konzern, der eine derartige Gesamtzertifizierung erlangen konnte.“

„Das Verfahren vor dem OLG Wien ist nach wie vor anhängig. Nach einer Neubesetzung des zuständigen Richtersenats gab es eine weitere Verhandlung am 21.6.2024, weitere Verhandlungen zur Einvernahme von Zeugen werden folgen. Wir rechnen mit einer Entscheidung frühestens mit Jahresende 2024. Die im Oktober 2021 ergangene Bußgeldentscheidung ist nach wie vor rechtskräftig“, erklärt Strabag-Konzernsprecherin Marianne Jakl.

„Das Kronzeugenprogramm im Kartellrecht ist ein großer Erfolg und hat bereits zur Aufdeckung zahlreicher Kartelle beigetragen. Unternehmen müssen aber vollständig mit der BWB kooperieren. Dies hat der Oberste Gerichtshof nun bestätigt." betonte der Bundeskartellanwalt,  Heinz Majer.

Ein roter Ordner und der Zufall

Eine Steuerprüfung im Jahr 2017 und ein roter Ordner, der von einem Mitarbeiter des Bau-Unternehmens „auffällig behandelt“ wurde, führten mehr als zufällig zur Aufdeckung des österreichischen Baukartells. BWB, Kartellgericht, Korruptionsstaatsanwaltschaft und das Strafgericht sind seit sieben Jahren mit der Aufklärung der Absprachen beschäftigt. Man sei jedoch im Endspurt bei den Kartellverfahren. Wir bleiben am Ball!

Was sind Kartelle?

Unter Kartellen versteht man insbesondere Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen, die entweder zum Zweck oder zum Ergebnis haben, den Wettbewerb einzuschränken oder zu verhindern. Dazu zählen in erster Linie Preisabsprachen, Quotenabsprachen und die Aufteilung von Märkten zwischen Wettbewerbern.
Kartelle behindern die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Unternehmen und wirken sich für den Verbraucher grundsätzlich preistreibend aus. Eine Studie der OECD ergab, dass Preise um ca. 16% höher als unter normalen Wettbewerbsbedingungen festgesetzt werden. Kartelle sind deshalb in hohem Maße wirtschafts- und sozialschädigend.  
Quelle: Bundeswettbewerbsbehörde

Relevante gesetzliche Grundlagen beim Baukartell sind:

Kartellgesetz (KartG)
Nach dem Kartellgesetz sind gem. § 1 KartG Handlungsweisen verboten, die den Wettbewerb behindern oder verfälschen. Dazu zählen etwa Preisabsprachen oder die Aufteilung von Märkten bzw. Gebieten oder Kunden
 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
Gemäß Art 101 AEUV sind ebenfalls alle Handlungsweisen verboten, die bewirken oder bezwecken, dass der Wettbewerb behindert oder verfälscht wird. Auch hierzu zählen etwa Preisabsprachen, Kunden- oder Gebietsaufteilungen. Art 101 AEUV kann zur Anwendung gelangen, wenn die Voraussetzung der Zwischenstaatlichkeit erfüllt ist.
 Strafgesetzbuch (StGB)
Absprachen bei Vergaben können auch nach dem Strafgesetzbuch verfolgt werden.
Bundesvergabegesetz (BVergG)
Die Beteiligung an kartellrechtswidrigen Absprachen kann auch vergaberechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Unternehmen mit bereits verhängter Geldbuße

Bei einem festgestellten Verstoß kann das Kartellgericht auf Antrag der BWB Geldbußen bis zu 10 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes verhängen. Die Geldbußen werden unter Berücksichtigung der Schwere und Dauer der Rechtsverletzung, des Verschuldens und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Kooperation des betroffenen Unternehmens bemessen. Insgesamt wurden bis September 2024 192,58 Millionen Euro an Geldbußen verhängt.

 
Strabag AG,F. Lang und K. Menhofer Bauges. m.b.H & Co KG            45,37 Mio. €
Porr Group                                                                                             62,35 Mio. €
HABAU Hoch & Tiefbaugesellschaft m.b.H,
Held & Francke Baugesellschaft m.b.H,
Östu-Stettin Hoch- und Tiefbau GmbH, Straka Bau GmbH                  26,33 Mio. €
Pittel & Brausewetter GmbH                                                                    4,81 Mio €
Kostmann GesmbH             Feststellung der Zuwiderhandlung, keine Geldbuße verhängt, Kronzeuge
Swietelsky AG                                                                                         27,15 Mio €
Granit Holding GmbH,Granit Gesellschaft m. b. H,
Klöchler Baugesellschaft m.b.H                                                                9,8 Mio €
Hitthaler + Trixl Baugesellschaft m.b.H, PHB GmbH                               1,36 Mio. €
Gebrüder Haider                                                                                      3,51 Mio. €
Konrad Beyer & Co Spezialbau GmbH,                                                                                    
Mandlbauer Bau GmbH                                                                          1,1 Mio. €
STEINER BAU Gesellschaft m.b.H.                                                        1,3 Mio. €
Fröschl AG & Co KG, Fröschl AG                                                            1,4 Mio. €
Ing. Hans Bodner Baugesellschaft m.b.H & Co KG
Ing. Hans Bodner Baugesellschaft m.b.H                                             1,05 Mio. €
Leyrer & Graf                                                                                         5,8 Mio. €
Leithäusl Gesellschaft m.b.H.                                                                1,25 Mio. €
 
Unternehmen mit laufenden Kartellverfahren
 
Pichler Bau GmbH
Quelle: Bundeswettbewerbsbehörde. Die Reihenfolge ergibt sich aus dem Veröffentlichungsdatum
 

Update vom 24.9.2024

Das Kartellgericht verhängte eine Geldbuße iHv EUR 1,25 Mio gegen die Leithäusl Gesellschaft m.b.H (iF „Leithäusl“). Die Bundeswettbewerbsbehörde stellte im Februar 2024 einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße.

Zuwiderhandlung

Leithäusl war im Zeitraum von zumindest Juli 2002 bis Oktober 2017 an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen und/oder Preisabstimmungen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch mit Wettbewerbern in Bezug auf öffentliche und private Ausschreibungen im Bereich Tiefbau beteiligt. Betroffen von den Zuwiderhandlungen waren Ausschreibungen in Niederösterreich, Wien und der Steiermark.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Kooperation

Leithäusl hat außerhalb des Kronzeugenprogrammes zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts mit der Bundeswettbewerbsbehörde kooperiert und gab in diesem Zusammenhang ein umfassendes Anerkenntnis für das Verfahren vor dem Kartellgericht ab. Die Bundeswettbewerbsbehörde hatte daher unter Einbindung des Bundeskartellanwalts eine geminderte Geldbuße beantragt