Bodenverbrauch: Sind Flächenobergrenzen eher Bodenschutz oder Wachstumsbremse?
Nach Auffassung einiger Parlamentsparteien sowie einiger Umwelt-NGOs soll es zwingend notwendig sein, die im Frühjahr 2024 von Ländern und Gemeinden beschlossene Bodenschutzstrategie um eine Flächenobergrenze für die Neuinanspruchnahme von Grund und Boden zu erweitern. Als Zielwert werden 2,5 ha pro Tag oder neun Quadratkilometer pro Jahr genannt, um den Bodenverbrauch einzudämmen.
Bereits im Zusammenhang mit der Lieferkettenrichtlinie hat der Autor dieser Zeilen darauf hingewiesen, dass sich Politiker weniger an kleinen, laut schreienden, demokratisch nicht legitimierten Organisationen orientieren sollten. Es hat den Anschein, dass dieser Hinweis auch für die geplante Erweiterung der Bodenstrategie 2024 angebracht ist, weil sich im Regierungsprogramm 2025 der Satz findet: „Die Bundesregierung bekennt sich dazu, den Bodenverbrauch effektiv auf 2,5 ha pro Tag zu reduzieren.“ Offenbar ist die Regierung wieder im Begriff, einer lauten Minderheit auf den Leim zu gehen anstatt sich an Fakten zu orientieren.
Eine Studie des Beraternetzwerks Kreutzer Fischer & Partner hat unter Berufung auf das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) ermittelt, dass gerade einmal sieben Prozent der österreichischen Landesfläche für bauliche Zwecke beansprucht werden. Den Messungen des Umweltbundesamtes zufolge sind 3,5 Prozent, also die Hälfte davon, versiegelt (asphaltiert oder betoniert). Der jährliche Zuwachs der baulich beanspruchten Fläche betrug in den letzten drei Jahren durchschnittlich 0,04 Prozent der Landesfläche. Seit Beginn der 2000er-Jahre ist die Neuinanspruchnahme konstant rückläufig: In den Jahren 2000–2005 lag sie bei 81 km², im Zeitraum 2021–2024 bei 33,5 km². Im Vergleich dazu waren knapp 46 Prozent der Staatsfläche beholzt (Wälder, verbuschte Flächen, Krummholzflächen),
29 Prozent wurden landwirtschaftlich genutzt (Acker, Wiesen, Weiden, Dauerkulturen) und etwas mehr als 16 Prozent entfielen auf die Alpen bzw. auf alpines Ödland.
Das sind die Fakten. Warum legt sich die Bundesregierung bereits im Regierungsprogramm fest und nicht erst nach einer faktenbasierten Diskussion? 2,5 ha pro Tag sind utopisch. Selbst der Rechnungshof kritisiert, dass „dieser Zielwert weder fundiert begründet noch fundiert methodisch hergeleitet“ wurde. Überhaupt stellt sich die Frage, ob nicht das Ziel einer „substanziellen Reduktion des Bodenverbrauchs“ ausreicht. Wie gleich zu zeigen sein wird, sprechen tatsächlich gewichtige Gründe gegen den Zielwert des Regierungsprogramms.
Maßnahmen gegen Bodenverbrauch nicht zu Ende gedacht
Kürzlich hat der im Dezember 2024 neu gewählte Landesinnungsmeister der Landesinnung Bau OÖ, Wolfgang Holzhaider, in einem Interview mit der im Linde-Verlag erscheinenden Fachzeitschrift „bau aktuell“ stringent und klar dargelegt, dass die Flächenobergrenze offenbar nicht zu Ende gedacht wurde. Holzhaider, als Initiator der „Allianz mit Hausverstand – für eine adäquate Flächennutzung“, zeigt mit überzeugenden Argumenten die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, auf die Arbeitsplatzsicherung, auf „leistbares Wohnen“ und die gesellschaftspolitischen Folgen auf.
Geht man von der jährlichen Inanspruchnahme für bauliche Zwecke von zuletzt 33,5 km² aus, hätte, so Holzhaider, der geplante Zielwert substantielle Einschnitte im Industrie- und Gewerbebau, bei öffentlichen Einrichtungen und im Straßenbau zur Folge. Um die Zielmarke von 2,5 ha pro Tag zu erreichen, müsste insgesamt die künftig zur Verfügung gestellte Fläche um 87 Prozent reduziert werden. Dadurch seien langfristig rund 250.000 Arbeitsplätze gefährdet, weil die industrielle Produktion ins Ausland abwandern würde. Dem ist nur mehr hinzuzufügen, dass die Abwanderung das Wirtschaftswachstum, insbesondere in der Industrie, bremsen würde. Auch die „Allianz mit Hausverstand“ weist zutreffend auf die Folgewirkungen nicht allein für die Bauwirtschaft hin, sondern für viele andere Wirtschaftssektoren. Durch die Abwanderung müsse man mit weniger Steuereinnahmen rechnen, wodurch die Dotierung des Sozialetats gehörig unter Druck kommen könnte.
Der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur könnte vermutlich nur noch selektiv erfolgen. Die Flächen müssten im Vergleich zur jährlichen Inanspruchnahme der Jahre 2018 bis 2023 für Nicht-Wohngebäude, wie etwa Bildungs-, Betreuungs- und Gesundheitseinrichtungen, um 83 Prozent verringert werden. Selbst wenn man deren Neubau priorisieren würde, sei es schwer vorstellbar, alle notwendigen Projekte umsetzen zu können. Verkehrsflächen müssten um 89 Prozent reduziert werden. Dies würde Erschließungen nur mehr im Ortsbereich bedeuten.
Die Flächenreduktion, so Holzhaider, sei auch ein Frontalangriff auf das Einfamilienhaus. Die Flächen für den Bau von Einfamilienhäusern müssten nach den Berechnungen von Kreutzer Fischer & Partner um 90 Prozent reduziert werden. Aktuell wohnt knapp die Hälfte der Österreicher in Einfamilienhäusern. Diese Eigentumsquote liegt ohnehin weit unter der durchschnittlichen Quote der EU-27 von über 70 Prozent, basierend auf Zahlen von Eurostat. Holzhaider befürchtet auch gesellschaftspolitische Folgen. Wenn jungen Familien der Weg zum Eigenheim ordnungspolitisch versperrt werde und diese damit ein Lebensziel, das mitunter auch eine Chiffre dafür sei, dass man es im Leben zu etwas bringt, begraben müssen, dann hintertreibe das den gewünschten Zusammenhalt der Gesellschaft.
Schließlich würde eine Beschränkung der Bauflächen auch die Bodenpreise weiter befeuern, die in den letzten zehn Jahren ohnehin bereits um sieben Prozent pro Jahr gestiegen sind. Damit rücke das politische Ziel nach „leistbarem Wohnraum“ in weite Ferne. Das Ergebnis, so die Allianz mit Hausverstand, sei ein Zielkonflikt zwischen leistbaren Wohnen und Bodenschutz.
Das Resümee Holzhaiders: „Das Narrativ ,Reduzieren wir die Flächeninanspruchnahme und alles ist gut‘ ist, gelinde gesagt, nicht nur euphemistisch, sondern verschweigt die negativen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Folgen. Sollte die Bundesregierung die 2,5-ha-Regelung umsetzen, wird es ihr voraussichtlich so ergehen wie der EU-Kommission bei der Lieferkettenrichtlinie: Kaum beschlossen, wird sie schon wieder abgeschafft. Schon die alten Lateiner wussten: ,Was immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende.‘“