© AdobeStock

CO2-neutrale Baustellen

Die CO2-neutrale Baustelle ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu klimaneutralen Gebäuden. Wie Maßnahmen heute schon die Emissionen beim Bauen drosseln, macht ein vor kurzem abgeschlossenes Forschungsprojekt des Instituts für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement an der TU Wien und der Ressourcen Management Agentur (RMA) anschaulich.

Das im Rahmen des Forschungsprogramms „Stadt der Zukunft“ geförderte Projekt hilft, die Lücke von Grundlagenforschung zu angewandter Forschung zu verringern. Es wurden vier Beispielprojekte skizziert, die zwar fiktiver Natur sind, sich jedoch auf reale Vorbilder berufen und deren Datenwirklichkeit einbeziehen. Mit einem Neubauvorhaben, einer thermischen Sanierung eines Wohngebäudes, einer Infrastrukturmaßnahme in Form von Asphaltier-Arbeiten sowie dem Abriss eines Bürogebäudes wählten die Studienautoren einen repräsentativen Querschnitt heimischen Baugeschehens.

Download

Die umfassenden Daten für die Erfassung der eingesetzten Energieaufwände für diese exemplarischen Bauvorhaben resultierten aus mehreren studentischen Abschlussarbeiten, unter anderem von Maximilian Piatek. Als animierende Schlussfolgerung für die Baubranche definierte das Forschungsziel ein 5-Stufen-Modell zur Verringerung der THG-Emissionen: Organisatorische Maßnahmen, die etwa den Transport betreffen, technologische Entwicklungen, die beispielsweise elektronisch betriebene Bagger oder kabelbetriebene Baugeräte beinhalten und Digitalisierung, die Erzeugung erneuerbarer Energie auf der Baustelle selbst sowie deren Zukauf und schließlich die Kompensation über CO2-Zertifikate.

Mobilität als Frage der Organisation

Es überrascht nicht, dass ein hoher CO2-Aufwand von Baustellen durch Mobilität entsteht, doch generell lassen sich die Studienergebnisse nicht in eine einfache Anwendungsformel pressen. „Die Quintessenz liegt vielmehr darin, anhand der fünf unterschiedlichen Einsparpotenziale den für die jeweilige Baustelle besten Hebel zur THG-Reduktion zu erkennen und anzuwenden“, resümiert der Leiter des Projektteams Leopold Winkler vom Forschungsbereich Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik.

Klimaneutralität beginnt auch in diesem Fall bei der Planung: Wenn ich etwa Betonfertigteile verwende, so wird die Herstellung von Beton auf der Baustelle nicht wirksam für die CO2-Bilanz der jeweiligen Baustelle. Ein hoher Vorfertigungsgrad bei Stahl, Beton, Holz oder Ziegelbau vermindert zudem die Lageraufwände an der Baustelle selbst und verbessert die just-in-time-Lieferung. Anhand des fiktiven Wohnneubaus zeigt sich, dass die Transportkilometer um 46 Prozent verringert werden können, wenn Zulieferer und Deponie in größtmöglicher Baustellen-Nähe gewählt werden. „Es herrscht noch das Bestbieter-Prinzip in einem rein ökonomischen Verständnis vor“, appelliert Winkler an eine alternative Ausschreibungspraxis. „Wenn ich eine bestmögliche Logistik als Kriterium für einen Zuschlag definiere, dann müssen die Bauherren das in der Nähe der Baustelle befindliche Betonwerk als Ressource heranziehen.“

Ergänzend dazu gäbe es kombinierte Transporte, so entwickelte etwa die Firma Bernegger GmbH ein Container-Konzept, um mineralische Rohstoffe erst auf Eisenbahnwaggons und dann auf LKWs zu transportieren. Den letzten Schritt zur Baustelle meistert der LKW. Daran zeigt sich, wie sinnvoll ein verzweigtes Gleisnetz ist, das auch Nebenstrecken aufrechterhält. Immerhin gibt es bereits prototypische Wasserstoff-LKWs, aber es dauert wohl noch einige Zeit bis sie die Mehrheit in der Fahrzeugflotte bilden.

Amortisation spricht für E-Bagger

Während das für den Neubau ein maßgebliches Faktum ist und in die Kategorie organisatorische Maßnahmen an der Baustelle fällt, ist beispielsweise im Fall der thermischen Sanierung das Verwenden moderner Kräne und Materialaufzüge lohnend: Können doch dadurch bis zu 15 Prozent durch Energierückgewinnung eingespart werden. Eine große Hoffnung stellen Baumaschinen mit nicht-fossilem Antrieb dar.

Maximilian Weigert, ebenfalls Studienautor und gleichsam im Forschungsbereich Baubetrieb und Bauverfahrenstechnik tätig, hat sich die Markt-Situation auch aus kostenrelevanter Sicht näher angesehen: „Es ist zwar die Anschaffung von elektrobetriebenen Baumaschinen wie Baggern mit höheren Kosten verbunden, jedoch zeigt sich, dass sowohl im Betrieb als auch der Wartung Kostenvorteile zum Tragen kommen. Es gibt beim Elektromotor einen geringeren mechanischen Verschleiß als beim Dieselmotor. Um die 30 Prozent weniger Wartungsaufwand ist dadurch gegeben.“

Die Amortisation dieser Anschaffung über einen längeren Zeitraum ist gewiss. Die Frage der Kalkulation ist, wie man über das einzelne Bauvorhaben hinaus eine betriebswirtschaftliche Bewertung der eingesetzten Maschinen leistet? Während Elektro-Bagger bereits am Markt präsent sind, so sind wasserstoffbetriebene Baugeräte vor allem größeren Umfangs noch selten. Das gleiche gilt für E-Fuels und Bio-Diesel als alternative Energiequellen für den Maschinenpark.

Die Baustelle mit Solarenergie

Sehr wohl lohnend ist der Fokus auf die Erzeugung erneuerbarer Energie auf der Baustelle selbst, etwa mit PV-Zellen und -Folien. Bei verschattungsfreien Containern ist der Sonneneintrag besonders lohnend. Bei verschatteten hingegen fällt weniger Kühlaufwand in heißen Sommermonaten an. Grundsätzlich braucht es eine entsprechende Dimension der Baustelle. Weigert ergänzt: „Die leichte Applikation flexibler PV-Folien an Containern lässt rasch eine zukunftstaugliche Energiegewinnung vor Ort zu.“ Zwar ist der Energiegewinn durch die Folie (100 Wp pro Quadratmeter; ‚Watt peak‘ Anm.) geringer als bei der Zelle (200-250 Wp pro Quadratmeter), aber die leicht biegsamen Folien weisen eben auch geringere Anschaffungskosten auf.

Doch selbst die PV-Anlage rechnet sich nach aktuellem Preisstand laut Studie nach 7-8 Jahren. Danach erwirtschaftet die Anlage eine jährliche Rendite von rund 15 Prozent des eingesetzten Kapitals. Auf einem einzigen Baustellen-Container mit einer Fläche von rund 14 Quadratmeter lassen sich bei optimaler PV-Ausstattung jährlich etwa 3.200 kWh Strom erzeugen und schaffen damit eine CO2-Ersparnis von 825 Kilogramm verglichen mit Bezug aus dem Strom-Mix Österreich und immerhin noch 50 Kilogramm Einsparung, wenn „Grüner Strom“ bezogen wird. Schwieriger ist die Lage bei Kleinwindkraftanlagen, die sowohl in der Anschaffung als auch in der behördlichen Administration aufwändig sind und sich nur bei sehr großen Projekten mit entsprechenden Flächen lohnen.

Sicherlich hängt die Entscheidung zum Aufbau und Einsatz alternativer Energiequellen davon ab, wie lange eine Baustelle betrieben wird, aber gerade bei mehrmonatigen Projekten ist der Einsatz ökonomisch und ökologisch gut begründbar. Selbst die Optimierung des saisonalen Baustellenbeginns ist laut der TU-Forschung mit bis zu 20 Prozent CO2-Ersparnis verbunden. Zwar locken die zuletzt milden Winter mit dem Versprechen einer ganzjährigen Bautätigkeit, aber Jänner und Februar erfordern in der Regel eine Beheizung von Baucontainern, die dank thermischer Dämmung den THG-Ausstoß weiter zu reduzieren hilft.

Apropos Heizen: Beim dritten Baubeispiel, der urbanen Asphaltierung, kommt die Studie zum Schluss, dass bei der Wahl für Niedrigtemperaturasphalt das energieintensive Aufheizen des Bitumens wegfällt und bis zu 60 Prozent weniger Stromaufwand bedeutet.

Die zeitnahe Relevanz

Besonders sympathisch an dieser Studie ist ihre unmittelbare Wirksamkeit, denn die Anregungen liefern bereits ab 2023 Einsparpotenziale. Je nach Baustellentyp und den Rahmenbedingungen variieren die THG-Einsparungen zwischen 21 und 52 Prozent. Die Baustellendauer ist außerdem ein Faktor, der bei weiter voranschreitender Digitalisierung verbessert wird. So kann je nach Baustelle bis zu 15 Prozent an THG-Emissionen durch reine Zeitoptimierung verhindert werden. Selbst die Kompensationszahlung wäre eine Möglichkeit zur CO2-Bewältigung. Allen voran durch österreichische Anbieter wie Climate Austria, EEC Austria-Emissionszertifikate oder KlimaKollekte Österreich. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere Organisationen, die teilweise auch eine Nähe zur Baubranche aufweisen. 

Im vierten Beispielfall wurde ein Abriss definiert, der bei intelligenter Planung natürlich schon im Entwurf berücksichtigt ist. Hilfreich wird hier der digitale Gebäudepass sein, der es auch einem Abbruchteam siebzig oder achtzig Jahre nach Errichtung möglich macht, genau zu wissen, wo sich in der Fassade etwa die wertvollen Kupferdrähte verbergen. Generell ist auch hier der Einsatz hybrider Baumaschinen für die Klimabilanz effizient.

Objekt-Datenbanken helfen nicht nur den Betreibern weiter, sondern lassen auch Rückschlüsse auf vergleichbare Projekte zu. Deshalb ist auch das neueste Forschungsanliegen des Instituts für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement beispielgebend. Es wird um eine fiktive Gleisbaustelle gehen. Weitere Sondierungsprojekte mit zusätzlichen Best-Practice-Impulsen sind in der Pipeline.

Die Rückmeldungen zum Projekt „CO2-neutrale Baustelle“ waren gewaltig. Bestimmt auch deshalb, weil 149 Experten befragt worden sind, um einen markanten Teil der in der Studie aufbereiteten Daten zu liefern. Selbst der deutsche TÜV hat sich nach den Details erkundigt. „Wir haben zum neuen Forschungsvorhaben schon zehn Letter of Intent erhalten, ein sicheres Zeichen der Relevanz unseres methodischen Ansatzes“, ist Winkler über die hohe Resonanz erfreut.

Fazit der Studie

Einen großen Anteil an den Treibhausgas-Emissionen bei der Bautätigkeit bildet der An- und Abtransport von Materialien per LKW

  • Die Verringerungspotentiale für Treibhausgas-Emissionen auf Baustellen für 2023 reichen je nach Baustellentyp und Rahmenbedingungen von 21 % bis 52 %
  • Die größten Einsparpotentiale liegen bei der Reduktion von Transportdistanzen, alternativen Treibstoffen/Antriebsformen und dem Zukauf von Strom aus erneuerbaren Quellen
  • Je nach Vorhaltezeiten sind gegenwärtig einige elektrisch betriebene Kleinbagger günstiger als dieselbetriebene Geräte. In Zukunft könnte sich ein wirtschaftlicher Nutzen über den Lebenszyklus großer Elektrobaugeräte ergeben
  • Die wesentlichen Hemmnisse zur Erreichung einer CO2-neutralen Baustelle sind die entstehenden Kosten und ein Mangel an erfolgreich durchgeführten Pilotprojekten mit praxistauglichen Alternativen