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BIM-Zertifikate

Deutschland ist am Weg zu einer Zertifizierungspflicht für Planer, die sich an Ausschreibungen mit BIM-Methoden beteiligen wollen. Das legt das Whitepaper „BIM-Kompetenzen ausschreiben und nachweisen| Beuth White Paper“ nahe. In Österreich sorgt das für massive Unruhe unter den Ziviltechnikern, die durch ihre Vor- und Ausbildung im europäischen Kontext ohnehin besonders qualifiziert sind. Außerdem würde sich der Bieterkreis durch eine Zertifizierungspflicht massiv einschränken, was nicht im Sinne der Bauherren sein kann.

Sollen ausgebildete Ziviltechniker öffentliche Planungsaufträge nur mehr mit BIM-Zertifikat von DIN oder BuildingSmart erhalten? Diese Frage stellt sich Baumeister Otto Handle, Geschäftsführer von Inndata, nach Studium des kürzlich erschienenen Whitepapers „BIM-Kompetenzen ausschreiben und nachweisen| Beuth White Paper“: „Das Thema ist mir wichtig, weil es für ca. 6.000 Ziviltechniker und einige tausend planende Baumeister schon eine Rolle spielt, ob sie künftig aufgrund ihrer Ausbildung noch für Planungsaufträge in Frage kommen oder nur dann wenn sie ein kostspieliges Zertifikat von einer privaten Lobbying-Organisation haben.“

In dem kürzlich erschienenen Whitepaper des deutschen Normungsinstitutes DIN wird gemeinsam mit dem VDI vorgeschlagen, den Zugang zu Planungsaufträgen der öffentlichen Hand von Zertifikaten über die BIM-Methode abhängig zu machen. Die umfangreiche fachliche Planungsqualifikation als Ziviltechniker oder Baumeister würde damit nicht mehr ausreichen zu Planungsaufträgen zu kommen. Das Whitepaper schlägt den Ausschreibenden vor zusätzlich eine Zertifizierung für die BIM-Arbeitsweise nach VDI 2552 und der ISO 19650 sowie mindestens zwei vorher mit der BIM-Methode abgewickelte Projekte als Zugangskriterium zur Ausschreibung zu verlangen.

Als mögliche Zertifizierungen werden taxativ ein DIN Zertifikat („DIN geprüfter Experte BIM Professional“) oder  ein Zertifikat von der privaten Organisation BuildingSmart (BSI) genannt. Handle: „Dieses Whitepaper ist derzeit zwar rechtlich nicht bindend, im Falle eines Gerichtsverfahrens wird die Gerichtsbarkeit aber den ,Stand der Technik‘ ausheben und dabei wohl dieses von DIN herausgegebene Whitepaper zur Beurteilung heranziehen“, betrachtet Handle diese Entwicklung mit Sorge und ergänzt: „Die Frage ist inwieweit diese Vorgangsweise zu einer Marktbeschränkung der Planungsaufträge auf Basis von Zertifikaten privater Organisationen führt, die im Widerspruch zu den Zielen der europäischen Union steht. Und inwieweit die wesentliche Kompetenz beim Planen von Gebäuden jetzt von der Ausbildung als qualifizierter Architekt abhängt oder doch eher davon ob man eine bestimmte Methode der Zeichungserstellung kostenpflichtig zertifiziert hat.“

Anstelle einer Zertifizierung wäre eine genaue Definition des Leistungsbildes der im Rahmen des Planungsauftrages zu erbringenden BIM-Leistungen sinnvoller, meint Handle. Die Auftragnehmer haften für die vertragskonforme Erbringung der Leistung und können vom Auftraggeber dafür zur Verantwortung gezogen werden, im Bedarfsfall auch in Form von Ersatzvornahmen. Die Beschreibung der erforderlichen Planungsleistungen kann in Österreich über das Projektphasenmodell und die Bestimmungen der Önorm A 6241-2 sehr effizient und zuverlässig vorgenommen werden.

Das Whitepaper sorgt auch bei den Planern für Aufregung. Eine mögliche Zertifizierungspflicht als Vergabe Kriterium bei Ausschreibungen, wie sie manche aus dem „BIM-Kompetenzen ausschreiben und nachweisen | Beuth White Paper“ lesen wollen, lehnt die Berufsvertretung der Ziviltechniker ab, so Architekt Thomas Hoppe, der dem „Ausschuss-BIM“ der Bundeskammer vorsitzt. Dem Grunde nach sei im dem Papier sehr bedachtsam über den „Nachweis von BIM-Kompetenzen“ die Rede und erst nach und nach ziele man auf ISO-Zertifikate ab.

Ziviltechniker und auch planungsbefugte Baumeister verfügen über alle Qualifikationen, die für die qualitätsvolle Planung und die Überwachung der Errichtung von Bauwerken erforderlich sind, so Hoppe: „Verpflichtende Zertifizierungen werden wir bekämpfen, allerdings sehen wir die Gefahr, dass sie ,durch die Hintertüre‘ in Standardverträge große Auftraggeber gelangen. BIM ist eine digitale Planungs- und Koordinierungsmethode und wie bei jeder anderen herrscht hier Wahlfreiheit für die Planer. Auch stellt der Leistungsbereich BIM nur einen kleinen Teil der für Entwurf und die planerische Umsetzung nötigen, in Studium und Befähigungsprüfung nachgewiesenen Kompetenzen dar. Wofür brauchen wir als nächstes ein Zertifikat, für die Erstellung eines Planungsterminplans oder eines Preisspiegels?“

Architekt Peter Kompolschek, Vorsitzender des Normenausschusses für BIM, hält die BIM-Verpflichtung öffentlicher Bauherren grundsätzlich für eine gute Sache: „In der Schweiz ist diese Verpflichtung ja bereits implementiert  – seit 2021 in staatlichen Immobilien- und ab 2025 in ihren Infrastrukturprojekten – einen Nachweis über eine Zertifizierung sehe ich aber kritisch, dies ist übrigens auch die österreichische Position in der europäischen Normierung, die sich dazu mit den Vertretern der Berufsgruppen abgestimmt hat, da österreichische Planer durch ihre Vor- und Ausbildung  – Studium plus Praxis plus ZT / Baumeister – im europäischen Kontext besonders qualifiziert sind. Eine verpflichtende Zertifizierung implementiert lediglich ein neues Geschäftsmodell und unterstützt Auftraggeber nur bedingt, da ein Zertifikat kein Erfahrungsnachweis wie Planungs- oder Baupraxis in BIM-Projekten ist. Wichtiger ist, dass gute Planer sich der BIM Methode bedienen können, um qualitativ hochwertige Bauwerke zu schaffen.“

Man muss den Umstand beachten, dass die Ziviltechniker aus bis zu 90 Prozent – in Deutschland sind es noch mehr – Kleinst- und Kleinunternehmer besteht, also ungefähr 1.500 Architekturbüros im Kammerbereich Ost (W/NÖ/Bgld). Das mache es schon aufgrund des bestehenden Angebots am Arbeitsmarkt unmöglich, dass in der nahen Zukunft jeweils eine entsprechend zertifizierte Person dauerhaft in diesen Teams vrohanden sei, meint Hoppe: „Eine derartige Forderung würde den Bieterkreis extrem einschränken und damit gegen die Interessen jedes vernünftigen Auftraggebers verstoßen. Daher wird es andere Modelle brauchen. Zum Beispiel eine vorab schriftliche Deklarierung einer zukünftigen Verstärkung des Teams durch Konsulenten. Diese Möglichkeit hat bei Generalplanerwettbewerben schon aufgezeigt, dass hervorragende Entwurfslösungen, auch für sehr großen und komplexe Projekte, von kleineren Büros erdacht und dann von einem verstärkten Team in höchster Qualität umgesetzt werden können.“

Als konstruktive Berufsvertretung arbeite man im Sinne der Mitglieder daran über die ZT-Akademie – die kammereigene Bildungseinrichtung – passende Weiterbildungskurse anzubieten, erklärt Hoppe:  „Auch wenn ein Blick auf https://www.buildingsmart.co.at/wir-gratulieren/ den Eindruck erweckt, dass allein der Umstand, dass wir bereits ZT‘s sind, auch als Zertifikatsnachweis ausreichend ist. Warum sonst sollte buildingSMART seine BIM Professionals nach bestandener Prüfung mit einem roten „zt“ auszeichnen, oder ist das eine ungewollte Namensgleicheit?“