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Der Garant für Fair Play

Mit Daniel Fügenschuh steht für die aktuelle Funktionsperiode wieder ein Vertreter der Sektion Architekt:innen an der Spitze der Bundeskammer der Ziviltechniker. Der Tiroler möchte wichtige Themen wie die digitale Baueinreichung und die Qualität im Vergabe- und Wettbewerbswesen fortführen und kann dabei auf viel Erfahrung in der Kammer zurückgreifen.

Sie wurden Ende September zum neuen Präsidenten der Bundeskammer der Ziviltechniker gewählt und lösen damit Rudolf Kolbe, Ingenieurkonsulent, als Präsident ab. Seit 2018 waren Sie bereits Vizepräsident der Bundeskammer und Vorsitzender der Bundessektion Architekt:innen. Welche neuen Akzente wollen Sie in Ihrer neuen Funktion an der Spitze setzen?

Daniel Fügenschuh: Zunächst möchte ich betonen, dass die Kontinuität gegeben sein wird, weil ich in der letzten Funktionsperiode – wie Sie schon sagten – Vizepräsident war, und mit Präsident a.D. Rudolf Kolbe ein exzellentes Einvernehmen betreffend die interdisziplinäre Zusammenarbeit da war. Daher wird es hier keine großen Einschnitte geben. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel aufholen können, was das Vergabe- und Wettbewerbswesen angeht: Die Serviceleistungen der Kammer wurden erhöht, die Webseite architekturwettbewerb.at einem kompletten Relaunch unterzogen und auch die Ingenieurleistungen mit der Schwesternseite bestevergabe.at einbezogen.

ie läuft es mit der Plattform? Wird das Angebot angenommen?

Das Backend der Plattform ist mittlerweile sehr ausgereift, und es können neben Architekt:innen und Zivilingenieur:innen auch andere Stakeholder, die in der Vergabe eine Rolle spielen, einsteigen und das Tool verwenden, um eine hohe Qualität in der Ausschreibung erreichen zu können. Aber um einen Ausblick zu geben: Auch die bayrische Architektenkammer will dieses Tool übernehmen, was die Reichweite verdoppeln wird. Wir haben als „Creative Europe“ Projekt bei der Europäischen Kommission den Zuschlag für eine Förderung erhalten, mit der über die nächsten drei Jahre die Webseite auch in anderen europäischen Ländern ausgerollt und die beste Vergabe europaweit etabliert werden kann. Partner sind dabei fast alle Nachbarländer, darunter die deutsche und die französische Architektenkammer, aber auch der architects council of Europe.

Wer wird von dieser europaweiten Vergabeplattform vor allem profitieren?

Es wird die breite Basis der KMU unter den Planungsbüros fördern. Die großen Büros sind ohnehin bestens vernetzt und haben Standorte im Ausland, von denen sie aus operieren. Es geht eher um die kleineren und mittelgroßen Betriebe und um die jungen Büros, die über die Wettbewerbe überhaupt erst Zugang zum Markt bekommen. Damit ist es systemimmanent, dass diese Büros besonders profitieren. Und es ist eine Exportförderung für die Planungslandschaft und die heimische Wirtschaft. Wir sehen uns als Kammer als Förderer der Baukultur generell, auch europaweit. Was sehr gewünscht ist, weil die Vergaben vielerorts intransparent sind und es nach wie vor an Qualität fehlt.

Es geht also nicht nur um den Marktzugang, sondern auch um die Anhebung der Qualität der Ausschreibungen?

Richtig. Es ist mir ein großes Anliegen, dass gerade bei Wettbewerben – wo unsere Mitglieder in eine enorme Vorleistung gehen mit der Ungewissheit, ob sie den Zuschlag erhalten  – die Ausschreibungen und Auslobungen eine hohe Qualität haben und fair durchgeführt werden.

Gibt es Überlegungen, eine bessere bzw. faire Abgeltung des immer höheren Planungsaufwands zu erreichen?

Wir sehen das als Teil unserer Fortbildungsinitiative, wo wir berufslebenslang im direkten Wettbewerb mit Kolleg:innen stehen. Obwohl wir als Berufsgruppe ja mitunter bei der Kommission im Verdacht stehen, dass wir den Berufszugang beschränken wollen und speziell als Kammer versuchen, unsere Mitglieder zu schützen, sind wir ganz im Gegenteil am Wettbewerb interessiert. Er muss aber in fairer Weise passieren. Es geht da nicht um Preisdumping mit dem damit einhergehenden Qualitätsverlust, sondern es muss Sinn machen. Insofern ist das für uns ein großer Schwerpunkt, den wir die nächsten Jahre weiterverfolgen werden. Ein weiteres Schwerpunktthema ist die Digitalisierung. Wir haben in den letzten vier Jahren das zt-Archiv dahingehend aufgestellt und nun in eine GmbH ausgelagert, dass wir jetzt aus der Testphase herauskommen, daran arbeiten, dass zukünftig alle Einreichungen über diese Plattform flächendeckend gemacht werden können.

Wie reagiert das Gegenüber, also die öffentlichen Stellen, darauf bislang?

Es ist insgesamt eine Sisyphusarbeit , da wir unbedingt einen Fleckerlteppich mit verschiedenen Systemen verhindern wollen. Wir sehen da einen großen Hebel, weil naturgemäß die Mehrzahl der Einreichungen über unsere Mitglieder kommen und diese in Zukunft über diese Plattform erfolgen sollen. Wir hoffen auf eine große Bereitschaft des Vis-a-vis. Es gibt auch das Projekt BRISE der Stadt Wien, das als Muster für weitere Kommunen fungieren soll. Auch da sind wir im Gespräch  und liefern Unterstützung, dass dieses Konzept möglichst bald umgesetzt wird.

Ein Steckenpferd von Ihnen sind auch die Gestaltungsbeiräte. Wie wird es da weitergehen?

Neben Wettbewerben sind die Gestaltungsbeiräte ein wichtiges Mittel, um für Qualität in der Baukultur zu sorgen. Wir werden die Schiene mit den Netzwerktreffen fortsetzen. Beabsichtigt ist, dass wir Kommunen unterstützen, wenn sie neue Beiräte einrichten und wir mit Vorschlägen zur Verbesserung von bestehenden Beiräten zur Seite stehen. Das betrifft einerseits die Musterstatuten, die entwickelt werden, andererseits unterstützen wir Mitglieder, die für den Beirat geeignet sind, in generellen Fragen wie beispielsweise bei der Finanzierung.

Mein Eindruck ist, dass hier noch viel Aufklärungsarbeit bei den Kommunen notwendig ist …

Wir machen schon Fortschritte in dieser Sache, denn es gibt die baukulturellen Leitlinien vom Bund und auch in Kärnten und anderen Bundesländern. Dadurch gibt es vermehrt Aufklärung, die direkt in die Kommunen geht. Eine gute Einrichtung sind auch die fliegenden Beiräte, die man quasi zur Probe für ein konkretes Projekt einsetzen kann, und die von einer Kommune zur anderen in Einsatz kommen. Wir sehen, dass es damit ganz gut funktioniert, Barrieren und Hemmschwellen abzubauen.

Ich höre oft von Auftragnehmern: „Wir würden gerne mehr ‚grüne‘ Projekte umsetzen, aber wir können nur bauen, was die Bauherren verlangen“. Was können Ziviltechniker in diesem Zusammenhang leisten? Ist es die Aufgabe der Planer, beim Bauherrn Überzeugungsarbeit in Richtung Green Building zu leisten?

Ganz sicher. Ich glaube, es ist auch die Kernfähigkeit der Architektenschaft, dass sie mit Herzblut dieses Thema angeht und dabei Bewusstsein schafft für Baukultur. Und bei der Sanierung ist die Planung noch viel wichtiger. Es geht dabei nicht um schnelle, billige Lösungen, sondern dass man Sanierungen durchdenkt und dann den Mehrwert mitnimmt. Man kommt immer mehr weg davon, einfach nur eine Dämmung an die Wand zu kleben und die Technik zu erneuern. Eine Sanierung wird gesamtheitlich betrachtet und damit auf längere Sicht mehr Nachhaltigkeit erzielt. Was die Planung angeht, sind die Architekt:innen und Zivilingenieur:innen aus Überzeugung bei der Sache und leisten hier selbstverständlich nicht nur bei der Bauherrenschaft Aufklärungsarbeit, sondern auch bei den Nutzern, bei der Öffentlichkeit, bei den Anrainern und bei der Bevölkerung generell.

Die Sanierung muss der game changer sein, wenn es darum geht, unsere Gebäude klimafit zu machen. Sanieren ist viel aufwendiger – sind die Planer darauf vorbereitet?

Sanierung hat in unserem Berufsstand immer schon eine große Rolle gespielt. Es ist eine langjährige Forderung der Kammer die Sanierungsrate und die Zuschüsse für Sanierungen zu erhöhen. Wir müssen die Masse an Gebäuden, die noch nicht dem Standard entsprechen, heranführen und bei der schlechtesten Substanz beginnen. Hier kann man mit einem viel größeren Hebel ansetzen, als wenn man nur auf den Neubau achtet. Da sehe ich jedenfalls Bereitschaft und auch das Wissen bzw. Know-How bei unseren Mitgliedern. Selbstverständlich hat man immer schon parallel neben den Neubauten auch den Sanierungsbereich bearbeitet. Die meisten Erstprojekte sind ja Dachbodenausbauten oder Sanierungen. Das sind Themen, die wir seit 50 Jahren praktizieren und auch zu vermitteln versuchen.

Eng mit Green Buildings ist die Kreislaufwirtschaft verbunden. Ist das Thema bei den Planern schon gut etabliert?

Ich denke schon. Die Hürden liegen hier eher bei den Regularien, also bei den Bauvorschriften und Normen. Da wird man sicher etwas tun müssen, um möglichst zeitnah auch Lösungen herbeizuführen. Derzeit ist es mit den Zertifizierungsstandards sehr schwer, diese idealistischen Vorgaben umzusetzen, wenn es beispielsweise darum geht, ein Upcycling durchzuführen. Da besteht sicher der größte Handlungsbedarf. Aber auch da sind wir Planer lösungsorientiert unterwegs und werden uns sicher in diversen Normenausschüssen einbringen und auch unterstützend Erfahrungen aus der Praxis liefern. Bisher sind es meistens Best Practice Beispiele bzw. Bauherren, Planer, Firmen, die einen gewissen Idealismus mitbringen und in Vorleistung gehen. Aber es passiert schon etwas. Wir haben auch das New European Bauhaus Lab, wo diese Themen in der Berufsgruppe gesammelt werden und untersucht wird, welche Förderungen bzw. welche Normen und Vorschriften zur Umsetzung dieser Ziele hinderlich sind.

Mit der Wiener Architektin Katharina Fröch als neue Vorsitzende der Bundessektion der Architekt:innen steht erstmals eine Frau an der Spitze – wird die Planung weiblicher?

Vor allem bei den Ingenieurkonsulent:innen sind wir, was die Verteilung angeht, nach wie vor leider sehr männerlastig. Aber wir machen zumindest in der Standesvertretung große Schritte und hoffen auf die Vorbildwirkung: Wir haben neben Katharina Fröch auch in den Länderkammern eine Präsidentin, Cora Stöger. Wir versuchen auch über Förderungen schon im Schulalter und durch einen eigenen Baukulturpreis für Frauen, der anotHERVIEWture Award heißt, Akzente zu setzen, um diese Ungleichheit über die Jahre möglichst bald auszugleichen.

Architekt DI Daniel Fügenschuh

ist Präsident der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen. Seit 2018 war der Tiroler Vizepräsident der Bundeskammer und Vorsitzender der Bundessektion Architekt:innen. In Innsbruck betreibt er ein eigenes Architekturbüro, die „Architekt Daniel Fügenschuh ZT GmbH“.

Neuer Vizepräsident ist Klaus Thürriedl, Zivilingenieur für Kulturtechnik und Wasserwirtschaft. Thürriedl war zuvor vier Legislaturperioden lang als Vorsitzender der Bundessektion Zivilingenieur:innen im Einsatz.