Ingrid Janker Porträt
© Stephan Huger

"Gips eignet sich besonders für Cradle-to-Cradle"

Lange Zeit war in der Bau- und Immobilienwirtschaft in Sachen Nachhaltigkeit die Energieeffizienz der Gebäude das Thema. Nun rückt auch die Produktion der Baustoffe stärker in den Fokus. In der Baustoffindustrie sei der Wandel vom bloßen „Green Washing“ zu echten Nachhaltigkeitsbemühungen jedenfalls klar angekommen, ist Ingrid Janker, Geschäftsführerin von Knauf Österreich, überzeugt.

a3BAU: Die Umweltpolitik hat zuletzt das Thema Corona ein Stück weit aus der Berichterstattung verdrängt. Geht es jetzt um echte Nachhaltigkeitsbemühungen oder kehren wir, glauben Sie, wieder zum „Green Washing“ zurück?

Ingrid Janker: Ich glaube, dass der Wandel von „Ich mach, was ich immer schon gemacht habe und setze einen grünen Punkt drauf, deshalb ist es nachhaltig“, also dem reinen „Green Washing“, hin zu „Ich beschäftige mich tatsächlich mit dem Thema Umweltschutz“, speziell in der Baustoffindustrie, ganz klar angekommen ist. Mittlerweile ist jedem bewusst, dass wir Teil der Lösung sind und nicht das Problem.

Für die Industrie ist Nachhaltigkeit immer auch eine wirtschaftliche Herausforderung. Wie geht Knauf damit um?

Sehr oft steht die Baustoffindustrie und speziell die mineralische in der Kritik. Wir bei Knauf beschäftigen uns nicht erst seit kurzem mit dem Thema Nachhaltigkeit, sondern haben bereits in den 1990er-Jahren eine Recyclinganlage am Standort Weißenbach installiert. Wir haben damals schon begonnen, unseren technologischen Ausschuss wieder in den Produktionsprozess einzubringen. Natürlich haben wir den Vorteil, dass sich der Rohstoff Gips unendlich im Kreislauf fahren lässt. Vereinfacht gesagt, entziehen wir dem Gips Wasser, machen ihn damit reaktiv, geben Wasser wieder dazu usw. Damit können wir verstärkt auf Kreislaufwirtschaft setzen.

Sehr oft stehen auch die Steinbrüche in der Kritik der Umweltschützer. Wie reagiert Knauf darauf?

Wir sehen unsere Steinbrüche als Ausborgen von Flächen auf Zeit. Wir rekultivieren bereits seit Jahrzehnten unsere Flächen bzw. nimmt die Sukzession unserer ehemaligen Abbauflächen ihren Lauf, je nachdem wie die Naturschutzbehörde das sieht. Beim Pyhrn würden Sie niemals auf den Gedanken kommen, dass dort einmal ein Steinbruch war, und wir haben dort Millionen von Tonnen Gips herausgeholt. Man muss immer darauf achten, was für die jeweilige Fläche die beste Lösung ist. Am Pyhrn haben wir die Oberfläche zugemacht, das ist jetzt eine Almwiese, für die wir weiterhin in der Verantwortung stehen. Beim Tagbau bauen wir Zug um Zug ab. Das heißt, wir forsten auf den unteren Etagen bereits wieder auf, obwohl der Steinbruch noch bewirtschaftet wird. Die verwendeten Baumarten sind so gewählt, dass sie dem Klimawandel Rechnung tragen und im Grunde einen wertvolleren Wald zurücklassen, als wir ihn vorgefunden haben.

Lange Zeit war in der Bau- und Immobilienwirtschaft in Sachen Nachhaltigkeit die Energieeffizienz der Gebäude das Thema. Nun rückt auch die Produktion der Baustoffe stärker in den Fokus. Wie wird das im Markt wahrgenommen?

Ich denke, beim Kunden kommt vor allem an, wie das Endprodukt aussieht – nicht das Einzelprodukt, sondern die Wohnung, das Haus. Gibt es eine Photovoltaik-Anlage oder Wärmepumpe? Gibt es Elektro-Parkplätze? Wie ist die Infrastruktur? Ein noch kleiner Teil stellt auch die Frage nach dem Baustoff. Wir bei Knauf sind stolz darauf, dass wir nicht nur den Naturrohstoff Gips, sondern im guten Mix auch synthetische Gipse verwenden.

Wie funktioniert das?

Wir verwenden Gips, der beispielsweise in der Zitronensäure-Produktion als Abfallprodukt anfällt. Damit dieser nicht auf der Deponie landet, haben sowohl wir als auch das Produktionsunternehmen einiges investiert. Wir haben dafür schon vor Jahren eine Bahnentladestation gebaut. Bei Knauf ist die nachhaltige Produktion ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, um einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen.

Alle diese Maßnahmen müssen in den Produktpreisen untergebracht werden, um wirtschaftlich zu sein. Ist der Markt schon bereit, für ökologisch hergestellte Produkte mehr zu bezahlen?

Auch hier sehen wir in Gesprächen mit Projektentwicklern, dass der Kunde bereit ist, für das Endprodukt mehr zu bezahlen, wenn es seine Wohnung, sein Haus ist, wo er sich wohlfühlen will. Das ist jetzt noch ein kleiner Teil, aber das Thema Nachhaltigkeit steht immer stärker im Fokus.

Braucht es mehr Regularien, also Vorschriften, um mehr Druck in Richtung nachhaltige Bau- und Immobilienwirtschaft zu erzeugen?

Als Industrie halte ich nicht sehr viel von Regularien, sondern denke, dass Anreizsysteme wie der Sanierungsscheck der richtige Weg sind. Ich denke, es ist auch wichtig, den Altbestand zu nutzen und möglicherweise auch anderen Städten zu folgen, wo leer stehende Industriehallen umgewidmet und einer neuen Nutzung zugeführt werden. Damit müssen wir uns in Österreich beschäftigen, um den Leerstand von ungenützten Bereichen zu reduzieren. Als Industrie unterliegen wir ohnehin einer Vielzahl von Regularien. Beispielsweise wird ab 2026 die Gipsfaser- bzw. Gipskartonplatte einem Deponierungsverbot unterliegen.

Gutes Stichwort: Welche Maßnahmen werden hinsichtlich 2026 unternommen?

Gips eignet sich prinzipiell, wie schon besprochen, sehr gut für Cradle-to-Cradle. Daher finde ich es gut, wenn hier der Anstoß gegeben wird, Gipsprodukte im Baustoffkreislauf zu halten. In der ÖNORM B 3151 ist für uns zwar auch ein Rückbaukonzept kurz beschrieben, aber Gips ist derzeit noch als Störstoff genannt und gelangt so in die Deponien. Bis 2026 sind noch einige Aufgaben abzuarbeiten und wichtige Fragen zu klären: Wie sortenrein muss rückgebaut werden, damit das Material einem Recycling oder einer Wiederverwendung zugeführt werden kann? Hier muss in Zusammenarbeit mit dem Gewerk Trockenbau und der Abfallwirtschaft eine Norm geschaffen werden, um realistische Abläufe für den Rückbau von Trockenbausystemen festzuschreiben. Und es muss ein Sammelsystem in Österreich geschaffen werden.  

Wie kann ein sinnvoller Rückbau von Trockenbauwänden bzw. -lösungen erfolgen?

So wie der Rückbau derzeit erfolgt, so wird es nicht mehr möglich sein. Es muss zumindest die Platte von der Unterkonstruktion sauber getrennt werden. In Aufbereitungsanlagen gibt es dann die Möglichkeit, kleine Metallteile mit Metalldetektoren herauszufiltern. Dennoch wird der Rückbau noch eine Herausforderung. Beim aus der Recyclinganlage kommenden Gips müssen wir auf klare Qualitätskriterien achten, um diesen in unserer Produktion verwenden zu können. Dafür brauchen wir, wie schon angesprochen, unbedingt eine ÖNORM oder Merkblätter für den Rückbau, damit jedes Bauunternehmen genau weiß, wie die Gipsplatten – ob es jetzt eine Gipskarton- oder Gipsfaserplatte ist – zu behandeln sind. Wir sind hier aber nicht Vorreiter – in anderen Ländern wird bereits recycelt, wo man sich Best Practice-­Beispiele anschauen kann.  

Wie wird der Aufwand für das Recycling Ihrer Meinung nach eingepreist werden?

Das wird sehr viele Produkte aus der Baustoffbranche betreffen, die bekannterweise im Kreislauf geführt werden können. Die Kosten werden aber Thema sein für jene, die ein neues Projekt errichten wollen und dafür das alte Objekt rückbauen. Es wird sich nicht in den Preisen unserer Produkte niederschlagen, sondern das Bauunternehmen bzw. den Developer betreffen, der einen Altbestand saniert.

Derzeit befindet sich der Madaster Österreich* im Aufbau, eine Plattform für die Bewertung von rückbaubaren Baustoffen bzw. auch für den Austausch über kreislauffähige Produktionslösungen – für Knauf ein Thema?

Was konkret das Projekt Madaster betrifft, muss man schauen, was hier tatsächlich Sinn macht, wenn die Plattform online ist. Denn unsere Branche ist sehr klein und ich denke, wir haben einen Überblick, wo in Österreich Gips in der Produktion anderer Produkte abfällt. Grundsätzlich wird es aber so sein, dass Baustoffe ganz sicher einer gewissen Bewertung zugeführt werden, die zeigt, wie groß deren ökologischer Footprint ist.

Druck wird sich zweifelsohne auch aufgrund des Green Deals der EU aufbauen, der zunehmend die Immobilienwirtschaft in die Pflicht nimmt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Dieser Druck wird sich zweifelsohne von den Developern auf die Hersteller durchschlagen. Knauf ist da gut aufgestellt. Auf der einen Seite beschäftigen wir uns schon lange mit dem Thema Nachhaltigkeit, auf der anderen Seite haben wir den Vorteil des Rohstoffs, der einfach perfekt ist für Cradle-to-Cradle. Diesen Vorteil wollen wir nutzen. Und nicht zu vergessen: Der Leichtbau ist per se prädestiniert, einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Ich bin eine Verfechterin, dass jeder Baustoff seine Berechtigung hat, und halte nichts vom Baustoff-Bashing. Aber wenn wir in die Höhe bauen, können wir durch den Leichtbau schwere Baustoffe in der Statik reduzieren und ressourcenschonender bauen. Auch im Altbestand kann mit Leichtbau leichter saniert und ausgebaut werden. Das sind kleine Aspekte, aber alle diese Punkte sind Vorteile für unsere Bauweise.

Mag. Ingrid Janker

ist Geschäftsführerin der Knauf GmbH mit Sitz in Weißenbach bei Liezen, verantwortlich für die Märkte Österreich und Slowenien.

Ingrid Janker ist seit 20 Jahren bei der Unternehmensgruppe Knauf tätig. Nach den ersten Jahren als Vertriebs­leiterin in Rumänien wurde die gebürtige Niederösterreicherin am Controller Institut Wien zur Advanced Controllerin ausgebildet und anschließend zur Geschäfts­führerin in Rumänien und Bulgarien bestellt. Sie verantwortete in diesen acht  erfolgreichen Jahren drei Produktionsstandorte.