Mann bei der Projektplanung
© DI wilhelm Sedlak GmbH

Lean in der Praxis

Seit fünf Jahren beschäftigt sich das Bauunternehmen DI Wilhelm Sedlak GmbH mit der Entwicklung von Lean Management-Systemen. Aktuell werden bereits zehn Projekte mit Lean-Methoden abgewickelt, sowohl GU- als auch Teil-GU-Projekte, im Neubau als auch in der Sanierung und ebenso Sedlak ­Immobilien-Eigenprojekte in der Planungsphase und Projektentwicklung.

Begonnen hat alles mit der Einführung von Last Planner-Sitzungen bei GU-Projekten im Neubau, um die Prozesse in der Bauausführung zu optimieren und die Zusammenarbeit unter den ausführenden Firmen aktiv zu fördern. Mittlerweile ist der Einsatzbereich der Lean-Methoden erweitert worden. Die Last Planner-Sitzungen zur Bauablaufkoordination in der Ausführung bilden aber nach wie vor den Kernbestandteil, allerdings ist längst klar, dass ein umfassenderer Einsatz von Lean-Systemen die Effizienz in der Projektabwicklung noch weiter steigern kann.

Mehr über Lean Construction erfahren

Einen Einblick in die praktischen Abläufe gewährt das Projekt „Neubau Pflegeheim Hermann-Glück-Weg“ in 1120 Wien. Der Auftraggeber ÖJAB - Österreichische Jungarbeiterbewegung realisiert hier mit Sedlak als Generalunternehmer und b18 architekten zt gmbH als Generalplaner ein Pflegeheim mit 181 Zimmern, auf 13.670 m² Nutzfläche und neun Geschosse verteilt. Eine der Herausforderungen bei diesem Projekt stellt der Einbau von Fertigteil-Nasszellen dar. Diese müssen in situ und im richtigen Moment vom Produzenten angeliefert und versetzt werden, bevor die darüber liegende Geschossdecke betoniert wird. Eine weitere Herausforderung zeigt sich in der Errichtung der Geschoss­decken, die mittels Bauteilaktivierung die Funktion der Raumkühlung übernehmen werden. Für die Einlegearbeiten der Kühlelemente zwischen die obere und untere Bewehrungslage müssen die Arbeiten für einen reibungslosen Ablauf ohne Stehzeiten des einen oder anderen Gewerks genaustens abgesprochen und zeitlich eingetaktet werden.

So läuft ein Lean-Projekt ab

Auf den Tafeln der Sechs-Wochen-Tages­planung werden in den wöchentlichen Last Planner-Sitzungen gemeinsam mit allen aktuell am Bau beteiligten Polieren der Nachunternehmer die Arbeitsschritte der nächsten fünf Wochen geplant, die erste Tafel zeigt die aktuelle Woche. Jedes Gewerk bekommt eine eigene Farbe zugewiesen, um auf einen schnellen Blick die Arbeiten erkennen zu können. Die Farbzuordnungen sind bei Sedlak standardisiert. Bevor es noch in die vorausschauende Planung geht, führt der Lean-Moderator durch eine Rückschau in die vergangene Woche. Es wird analysiert, welche Arbeitspakete wie geplant ausgeführt wurden und bei welchen es Probleme gab, die zu einer Verzögerung führten. Die Ursachen, die eine kurzfristige Störung auslösten, werden einem der neun standardisierten Gründe zugeordnet. Damit können die Störungen projektübergreifend analysiert und in Zukunft bestmöglich vermieden werden.

Mann vor einer großen Projekt-Planungstafel
Polier bei der Sechs-Wochen-Tagesplanung, Lean-Moderator beim Notieren der auftretenden Hindernisse (© DI Wilhelm Sedlak GmbH)

Das im Unternehmen zentral ­organisierte Lean-Team moderiert einerseits die wöchentlichen Last Planner-Sitzungen und agiert als Verbindungsglied zwischen den Projekten und vernetzt die Mitarbeiter im gesamten Unternehmen miteinander. Somit kann unternehmensweit und gruppenübergreifend der Wissensaustausch gefördert werden. Mit jedem Lean-Projekt vergrößert sich der Erfahrungsschatz und somit entwickelt sich auch der Einsatzbereich der Lean-Methoden stets weiter.

Technische Detailabklärungen erfolgen übrigens strikt außerhalb der Last Planner-Ablaufbesprechung. Sind bereits Themen bekannt, werden diese vor der Sitzung in einem eigenen Besprechungskreis, eventuell auch unter Teilnahme anderer Projektbeteiligter wie Architekten oder Bauleiter, geklärt. Offene Punkte, welche in der LPS auftauchen, werden auf der Hindernisliste oder im Themenpool je nach Dringlichkeit festgehalten und bei der im Nachgang angesetzten Baubesprechung gelöst. Viele Bauleiter und ÖBA berichten, dass durch die bewusste Trennung auch die Baubesprechungen viel kürzer und effizienter ausfallen. Einzelne Themenbereiche werden in Kleingruppen mit den unmittelbar betroffenen Projektpartnern geklärt anstatt in der großen Baubesprechungsrunde. Ein angenehmer Vorteil für alle Beteiligten.

Lean Digital – die Zukunft?

In Kürze startet bei Sedlak ein Pilotprojekt „Lean Digital“. Von den bereits weithin bekannten bunten Haftnotizen will man nicht abrücken, denn das eigenhändige Schreiben und selbstverantwortliche Eintakten der Arbeitspakete in Absprache mit den Projektbeteiligten ist das wichtigste Element im Last Planner.

Digitalisiert werden soll die Wochenvorschauplanung, die zu Beginn des Projekts mit allen bereits beteiligten Projektpartnern, oft auch unter Einbindung des Bauherrn, gemeinsam erstellt wird. Ein Bauzeitplan über die gesamte Ausführungszeit auf Wochenbasis, in welchen bereits zu Baubeginn der Erfahrungsschatz sämtlicher Teammitglieder einfließt. Dies stellt eines der wertvollsten Dokumente in der Bauabwicklung dar, denn es wird wöchentlich in den Last Planner-Sitzungen von den handelnden Personen gemeinschaftlich aktualisiert und die Auswirkungen von Entscheidungen auf den End- oder Zwischentermin werden im selben Moment sichtbar. »

Projekt-Planungstafel
Wochenvorschauplanung mit Milestones und Hinweise auf mögliche Hindernisse (© DI wilhelm Sedlak GmbH)


 
Bis dato wird diese Wochenvorschauplanung, ebenso wie die Sechs-Wochen-Vorschau auf Tagesbasis, mittels Haftnotizen dargestellt, was bei umfangreicheren Verschiebungen einen immensen Aufwand darstellt. Hier will man nun den Schritt in Richtung Digitalisierung wagen und mittels einer speziell auf Lean-Methoden zugeschnittenen Software die Bauprozesse und deren Abhängigkeiten in Form von digitalen Haftnotizen online darstellen, dies so für alle Projektpartner stets einsehbar und wochenaktuell zur Verfügung stellen und zusätzlich in ausgedruckter Form im Big Room vor Ort aufhängen.

Ende der baubegleitenden Planung

Ein viel gehasster Umstand ist wohl allen in der österreichischen Baubranche Tätigen bekannt: Der Baubeginn steht an, jedoch ist die Planung noch nicht abgeschlossen. Dem Polier liegen Polierpläne als Vorabzug vor, Schlosser- oder Fensterdetails sind noch gar nicht ausgearbeitet, der Statiker arbeitet unter Hochdruck an den Schalungs- und Bewehrungsplänen, während die Baufirma bereits mit dem Erdaushub startet. Die Haustechnik- und Elektroplaner zeichnen noch an den Führungsplänen, um dem Statiker sobald als möglich die Bauangaben zu liefern, welche dieser im Nachgang in seine Pläne als Index A einarbeitet.

Ähnlich diesem überspitzt geschilderten Ablauf zeigt sich bei vielen Projekten bis zum Ende der Rohbauphase: baubegleitendes Planen, welches für jeden Projektbeteiligten einen Mehraufwand bedeutet und in vielen Fällen auch das Projektbudget negativ beeinflusst. Bei Sedlak-Eigenprojekten als auch bei Totalunternehmer-Aufträgen soll durch den Einsatz von Lean-Methoden bereits zu Beginn der Ausführungsplanung eine zielorientierte Planungskoordination stattfinden.

Es ist generell hervorzuheben, dass durch den Einsatz von Lean-Methoden die Kommunikation und Zusammenarbeit aktiv gefördert wird. Man wächst wieder zu einem Team zusammen, realisiert das Projekt gemeinsam und stellt den Erfolg des Bauvorhabens in den Mittelpunkt – noch vor die eigenen Interessen. Es wird Vertrauen zwischen den Projektpartnern aufgebaut und man hilft sich gegenseitig, sollten mal Probleme bei dem einen oder anderen auftreten. In der gemeinsamen Tagesplanung der Arbeitspakete wird Rücksicht genommen auf die Bedürfnisse der Professionisten, die für die eigenen Arbeiten Vorleistungen zu erbringen haben oder nach einem einsetzen sollen.

Selbstverständlich darf der Fokus auf die gewinnbringende Umsetzung des Vorhabens jedes Einzelnen nicht vergessen werden. Projektpartner als auch Bauleiter bei Sedlak berichten jedoch vermehrt, dass sich bei Projekten, welche kollaborativ abgewickelt und mit einem positiven Projekterfolg realisiert werden, sich der Gewinn für die einzelnen Unternehmen automatisch einstellt. Bauwirtschaftliche Nachträge gehören mit diesem System der Vergangenheit an.