Smart Readiness Indicator auf der Kippe
Nach einer Phase des fröhlichen Regulierens bremst sich der EU-Gesetzgeber in der jüngeren Vergangenheit wieder etwas ein. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Omnibus-Pakete von Beginn des Jahres. Damit wurden geplante Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung nachträglich abgeschwächt. Immer neue und immer strengere EU-Vorschriften passen eben nicht zum Ziel der EU-Kommission, den Verwaltungsaufwand bis zum Ende der laufenden Amtszeit (2029) um mindestens 25 Prozent bzw. für kleine und mittlere Unternehmen um mindestens 35 Prozent zu reduzieren. Auch einem geplanten Smart Readiness Indicator für Gebäude weht im achten Jahr seiner vorerst auf geduldiges Papier und Forschungsprojekte beschränkten Existenz ein rauer Wind entgegen. „Aus derzeitiger Sicht wäre es sogar vorstellbar, dass der SRI stirbt“, meint Armin Knotzer, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Nachhaltige Technologien AEE Intec seit Jahren mit dem IQ-Test für Gebäude beschäftigt.
Automation in der EU-Richtlinie
Die Grundlagen wurden schon vor 15 Jahren gelegt. „Ab etwa 2010, dem Jahr der ersten Überarbeitung der Ursprungsversion der Energy Performance of Buildings Directive, wurde in internationalen Forschungsprojekten zum flexibleren Einsatz und zur flexibleren Nutzung erneuerbarer Energieträger im Energiesystem und in Gebäuden geforscht.“ Damit wurden „smarte Energietechnologien“ etabliert. Knotzer verweist auf damals gestartete Demonstrationsprojekte in Deutschland, Großbritannien und Dänemark, wo etwa die Smart-Grid-Steuerung von Gebäuden mit und ohne Wärmepumpen getestet wurde.
Die EPBD 2010 war noch recht wenig „smart“ oder „intelligent“ – die beiden Begriffe kamen in der Richtlinie schlicht nicht vor. Ganz anders die Gebäuderichtlinie des Jahres 2018, in der dann auch schon von der Gebäudeautomation die Rede war.
„Die Richtlinie nahm damit nicht nur die Gebäudehüll- und Lüftungsverluste, sondern auch Haustechnik und Energieversorgung und deren Regelung in den Fokus.“
Ebenfalls mit der EPBD 2018 eingeführt wurde ein Smart Readiness Indicator zur optionalen Bewertung von Gebäuden. Ein Konsortium um das Flemish Institute for Technological Research legte einen ergänzenden Vorschlag zur Berechnungsmethodik vor. Zu Beginn des Jahres 2021 schließlich wurde eine SRI-Methodik, basierend auf diesem Vorschlag, in Kraft gesetzt. Damit waren die Mitgliedsstaaten am Zug: Eine Testphase startete, die mit dem heurigen Jahr zu Ende geht. Bis Mitte 2026 haben die Länder Zeit, dem EU-Parlament die Berichte zu ihren Erfahrungen vorzulegen und Vorschläge zu unterbreiten.
Heimische Pioniere
Nicht alle dürften von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Österreich darf in diesem Zusammenhang jedoch als europäischer Musterschüler gelten. Knotzer: „Österreich war der erste EU-Mitgliedsstaat, der an der erwähnten Testphase offiziell teilgenommen hat.“ Mit einem Bewertungsschema und den Chancen für intelligente Gebäude beschäftigte sich das Projekt „SRI Austria“. In Auftrag gegeben wurde dieses vom Technologieministerium, die Koordination lag bei AEE Intec. Partner des Projektes: die Fachhochschule Technikum Wien, die Technologieplattform Smart Grids Austria und die Organisationsberatung 17&4.
Die gewonnenen Erkenntnisse wurden 2020 publiziert. Wesentlicher Bestandteil der Arbeit war eine Stakeholder-Befragung. Eine überwältigende Mehrheit von 87 Prozent zeigte sich dabei aufgeschlossen bezüglich der Einführung eines Smart Readiness Indicators. Und zwei Drittel waren der Meinung, Österreich solle eine Vorreiterrolle bei der Einführung einnehmen. Hohe Werte bei der Frage, welche Anwendungen und Ausstattungen in Wohn- und Bürogebäuden für die Bewertung herangezogen werden sollten, erreichten – in dieser Reihenfolge – Photovoltaikanlage, Wärmepumpe, Heizungs- und Kühlungssteuerung, Klimagerät, Wechselrichter, Lüftungsgerät, Solarthermieanlage, Strom-Direktheizung, Fernwärmeanschluss, Zirkulationspumpe und Biomassekessel. Das Ranking in Sachen Automationsausstattung: zentrale Steuerung, Monitoringsystem, Smart Meter und Lichtsteuerung.
Von besonderem Nutzen aus Sicht der damit befassten Experten ist der SRI laut Befragung für Netzbetreiber und Energieversorger. Profitieren würden weiters auch Gebäudenutzer, Bauträger und Baugewerbe, Wohnungswirtschaft und nicht zuletzt die Allgemeinheit (60 Prozent). An Marktrelevanz gewinnt der SRI für fast zwei Drittel der Befragten durch die Einbindung in den Gebäudeausweis. Der SRI-Wert, dargestellt durch eine Skala von A bis F, würde sich in diesem Fall über eingesparte CO2-Emissionen oder den geringeren Primärenergiebedarf wiederum auf die anderen Energieausweis-Kennzahlen auswirken.
Rettungsversuch aus Österreich
Die Motivation für die nationale Beschäftigung mit dem SRI wird im Abschlussbericht offen angesprochen: „Österreich kann den Intelligenzfähigkeitsindikator, wie er ins Deutsche übersetzt heißt, weitgehend ignorieren oder versuchen, ihn aktiv mitzugestalten“, heißt es darin. Letzteres sei zielführender, „denn Technologien wie PV-Speicherintegration, dezentrale Strom-Ladeinfrastruktur für elektrische Fahrzeuge, Regel- und Smarthome-Systeme sowie entsprechende Geschäftsmodelle werden sich weiter verbreiten“.
Koordiniert werden die heimischen Bemühungen zurzeit über das Österreichische Institut für Bautechnik in Abstimmung mit dem Wirtschafts- und Energieministerium. Österreich nimmt dabei auch insofern die angepeilte Vorreiterrolle ein, als nun versucht wird, den SRI durch ein heimisches Modell mit „Mehrwert“ zu retten.
„Unser Vorschlag besteht aus einer qualitativen und einer quantitativen Säule“, erläutert Knotzer. Der qualitative Teil wird an die EU-Methodik angelehnt und bewertet die smarte Ausstattung in Sachen Energiedienstleistungen und Technologien, somit also das intelligente Potenzial eines Gebäudes. Angegeben wird dieser qualitative SRI mit einem prozentuellen Wert. Im Rahmen einer zusätzlichen quantitativen Säule soll die Reduktion der CO2-Äquivalente wie auch der Kosten berechnet werden, die sich aus der Nutzung von Energieflexibilitäten im Gebäude ergibt – so der österreichische Beitrag. „Diese Werte, die in der Planungsphase erhoben werden, ließen sich im tatsächlichen Betrieb schließlich auch noch zertifizieren“, sagt der AEE-Intec-Experte. Unternehmen beispielsweise könnten so die von der EU geforderte Minimierung ihres Treibhausgas-Ausstoßes nachweisen.
Noch heuer soll ein entsprechender Vorschlag an die Europäische Union gehen. Bis April des kommenden Jahres geben sich die heimischen Akteure danach noch Zeit, um die technischen Details auszuformulieren.
Von der Kür zur Pflicht
Aus EU-Sicht sollte es jedenfalls pressieren: Wie beschrieben, läuft die Frist der Mitgliedsstaaten zur Übermittlung ihrer jeweiligen Berichte bis Mitte 2026. Danach gibt sich das Europäische Parlament ein Jahr Zeit für die entsprechende Verordnung. Zeitgleich, nämlich Mitte 2027, würde der SRI für Nicht-Wohngebäude verpflichtend. In der zuletzt veröffentlichten Gebäuderichtlinie 2024 ging die Europäische Union erstmals von einem rein optionalen Ansatz ab. Ein Zeitplan, der in dieser Form schwierig einzuhalten sein dürfte.
Ebenfalls mit der EPBD 2024 kam ein vierter Punkt zu den bisherigen drei wesentlichen Merkmalen eines Gebäudes und des gebäudetechnischen Systems hinzu. Die SRI-Methodik stützt sich damit auf
- die Fähigkeit, die Gesamtenergieeffizienz und den Betrieb des Gebäudes aufrechtzuerhalten, indem der Energieverbrauch, beispielsweise durch die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, angepasst wird;
- die Fähigkeit, den Betriebsmodus auf den Bedarf der Bewohner abzustimmen, wobei gebührend auf Benutzerfreundlichkeit, die Aufrechterhaltung eines gesunden Raumklimas und die Möglichkeit, den Energieverbrauch aufzuzeichnen zu achten ist;
- die Flexibilität des Gesamtenergiebedarfs eines Gebäudes, einschließlich seiner Fähigkeit, die Teilnahme an der aktiven und passiven sowie an der impliziten und expliziten Laststeuerung, an der Energiespeicherung und Abgabe von Energie zurück an das Netz zu ermöglichen, zum Beispiel durch Flexibilität und Kapazitäten zur Lastverschiebung;
- sowie – neu hinzugekommen – die Fähigkeit zur Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz und -leistung durch Nutzung von Technologien zur Einsparung von Energie.
Ferner berücksichtigt werden können
- die Interoperabilität der Systeme (intelligente Zähler, Systeme für die Gebäudeautomatisierung und -steuerung, eingebaute Haushaltsgeräte, Einrichtungen für automatische Regulierung der Raumlufttemperatur innerhalb des Gebäudes und Sensoren für Raumluftqualität und Belüftung)
- sowie positive Auswirkungen vorhandener Kommunikationsnetze, insbesondere hochgeschwindigkeitsfähiger gebäudeinterner physischer Infrastrukturen wie zum Beispiel eines Breitbandkabels und eines Zugangspunkts für Gebäude mit mehreren Wohneinheiten.
Wer macht mit?
Ignorieren oder aktiv mitgestalten? Zwischen diesen beiden Optionen haben sich etliche Mitgliedsstaaten offenbar für ersteres entschieden. Mit ein Grund, weshalb der bisherige SRI-Fahrplan womöglich nicht hält. Zudem ist mit Sylvain Robert ein wichtiger Befürworter des Intelligenztests für Gebäude und Gebäudetechnik abhandengekommen. Als Projektmanager bei CINEA (European Climate, Environment and Infrastructure Executive Agency) sorgte er für die Förderung von Forschungs- und Innovationsprojekten im Bereich energieeffizienter und nachhaltiger Gebäude.
Dennoch befanden sich Anfang September immerhin 16 EU-Länder in einer nationalen Testphase. 30 Gebäude mit unterschiedlicher Nutzung und in verschiedenen klimatischen Zonen umfasst das entsprechende Sample in Italien. Projektpartner wie die Technologie- und Energieagentur ENEA, die Universität Cassino sowie Normungsorganisationen untersuchen den Zusammenklang zwischen der Einstufung gemäß Smart Readiness Indicator und dem Energieausweis.
Im Rahmen des EU-geförderten Smart Square-Projekts, an dem acht Länder beteiligt sind, wird ein standardisiertes Auditverfahren zur SRI-Bewertung ausgearbeitet. Dieses integriert Bestandteile der europäischen Norm für Energieaudits EN 16247. Parallel dazu wurde ein virtuelles Training Center rund um die Smart Readiness gestartet. Die interaktive Plattform bietet Lerneinheiten, Fallstudien und Übungen. Wer den achtstündigen Online-Kurs erfolgreich beendet, erhält ein Zertifikat.
Abseits einiger EU-Mitgliedsstaaten, die in SRI-Winterstarre verharren, mangelt es also nicht an Aktivitäten, um das Bewertungstool und damit die Aufwertung gebäudetechnisch intelligenter Bauwerke in Stellung zu bringen. Noch im Oktober finden auf europäischer Ebene zwei Veranstaltungen dazu statt: Vertreter der Industrie werden zur Sustainable-Places-Konferenz erwartet – von 8. bis 10. Oktober in Mailand. Thema wird eben die Umsetzung des Smart Readiness Indicators in der Industrie sein.
Der politische Umsetzungspfad und die Empfehlungen der Mitgliedsstaaten sind Gegenstand eines Workshops, der am 22. Oktober in Brüssel abgehalten wird. Dort werden auch die Ergebnisse des Smart-Square-Projekts sowie von easy SRI, tunES und SRI2Market präsentiert. Österreich wird ebenfalls vertreten sein.