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„Innovation braucht Vision, Marktverständnis – und Soft Skills“

Wie bringt man eine gute Idee so auf die Straße, dass sie auch ins Ziel kommt? Für Vladimir Vlahovic, Experte für Business Development in der Bauindustrie, liegt die Antwort nicht in der Technologie allein. Entscheidend sind klare Visionen, der Mut, unternehmerisch zu handeln – und die Fähigkeit, mit Menschen zu kommunizieren und Ver­trauen aufzubauen. Im Interview erklärt er, was erfolgreiche Innovationen ausmacht und wie sie – besonders als Spin-offs oder Joint Ventures (JVs) – den Sprung vom Konzept in den Markt schaffen.

a3BAU: Sie begleiten die Vermarktung von Innovationen sowohl bei Konzernen als auch bei Spin-offs und Joint Ventures. Wo genau setzen Sie an?

Vladimir Vlahovic: Ich steige entweder ganz am Anfang ein – wenn eine Innovation kommerzialisiert werden soll – oder wenn das bestehende Set-up nicht ausreicht, um neue Märkte schnell und nachhaltig zu erschließen. Dabei geht es nicht nur um mein Netzwerk oder meine Soft- und Closing-Skills, sondern darum, Markt- und Kundenzugang, Marketing, Vertrieb und Key Account Management so miteinander zu verbinden, dass daraus eine schlagkräftige Einheit entsteht. Ohne die richtige Kommunikation sprechen beide Seiten häufig aneinander vorbei. Das führt zu Missverständnissen, ­Frustration und im schlimmsten Fall zum Scheitern von Projekten, die großes Potenzial hätten.

Welche typischen Fehler sehen Sie?

Egal ob interne Projekte, Spin-offs oder JVs – Innovationen werden wegen des Alltagsdrucks oft stiefmütterlich behandelt. Häufig bleiben sie auf interne oder lokale Umsetzungen beschränkt, oft von Ingenieuren geführt, die ihre Zeit zwischen Konzernprojekten aufteilen. Ohne Markt- oder Existenzdruck findet kein Kurswechsel statt. Vertrieb und Marketing laufen nebenbei. Das schafft eine Komfort­zone und die Illusion von Fortschritt – bis Jahre vergehen und Budgets aufgebraucht sind. Typisch sind fehlende Kommunikationsfähigkeiten im Team, keine externe Perspektive, Präsentationen voller technischer Details ohne Bezug zu den tatsächlichen Kundenbedürfnissen. Hinzu kommen starre, überkomplexe Angebote, verzerrtes Marktfeedback durch interne Aufträge und ein zu beschränkter Blick auf den Heim- oder den D-A-CH-Markt.

Sie sprechen oft auch über Unternehmenskultur …

Ja, weil Kultur entscheidet, ob Innovationen wachsen oder scheitern. Wenn Vorschläge von Mitarbeitern ignoriert werden, sendet das ein klares Signal: „Alles bleibt, wie es ist.“ Die Besten gehen dann – nicht aus Illoyalität, sondern weil sie dort arbeiten wollen, wo ihre Ideen zählen. In Zeiten von Fachkräftemangel und hohem Tempo kann sich das kein Unternehmen leisten. Und selbst mit der besten Kultur gilt: Ohne konsequente Umsetzung bleibt vieles Theorie.

Was ist für Sie der entscheidende Erfolgsfaktor gelungener Innovation?

Liegt eine Innovation nah am Kerngeschäft, sollte sie intern als Wettbewerbsvorteil genutzt werden. Falls nicht, sollte der Konzern seine internationalen Netzwerke aktivieren und sie als Spin-off oder JV vermarkten – schnell, fokussiert, mit klarem Vertriebsplan und einem Team, das Technik und Business verbindet. Das heißt: Entwicklung mit klarem Ziel und tragfähigem Geschäftsmodell, dem Markt zuhören und konsequent hinterfragen – welches Problem lösen wir? Wie groß ist es? Wer hat es? Gibt es bereits Lösungen und wie gut sind diese? Und: Sind Kunden oder unsere Mitarbeiter bereit, ihre Arbeitsweise zu ändern?

Wie setzen Sie das in der Praxis um?

Ich checke den Wagen und das Team – wie in der Formel-1: Als Bauingenieur muss ich zuerst das Potenzial einer Technologie erkennen und als Business Developer das Vermarktungs- und Teampotenzial bewerten. Daher arbeite ich mit klaren Strukturen, einem Devils-Advocate-Fragenkatalog – einer strukturierten Liste kritischer Fragen, die blinde Flecken aufdeckt –, marktgetesteten Strategien und Kooperationen, die ich auf gemeinsam definierten Zielen basiere – nicht auf Arbeitszeit. Konkret öffne ich Märkte, organisiere Pilotprojekte, platziere Lösungen auf Konferenzen, trainiere Teams in Vertrieb und Kommunikation, begleite Abschlüsse und nutze mein Netzwerk in Europa, im Nahen Osten und darüber hinaus.

Sie nutzen oft die Formel-1-Analogie …

Wir bauen oft den perfekten Formel-1-Wagen – leicht, schnell, mit modernster Technik. Aber indem er in der Garage bleibt und wir alle Details präsentieren, gewinnen wir kein Rennen. Und noch etwas: Die Konstrukteure fahren nicht selbst im Rennen – man gewinnt mit den besten Piloten und einem eingespielten Boxenteam, das in Sekunden Reifen wechselt und tankt.

Warum messen Sie Spin-offs und JVs so große Bedeutung bei?

Start-ups erkennen durch Quereinstieg oft Probleme, finden kreative Lösungen – verstehen aber nicht immer die gesamten Prozesse. Zudem liegen deren größte Hürden bei Ressourcen, Vertrauen und Vertrieb. Konzerne hingegen riskieren, dass Kommerzialisierung zur Nebentätigkeit von Ingenieuren wird – und so Momentum und Marktchancen verpasst werden. Spin-offs und JVs – wenn richtig geführt – verbinden Vorteile beider Welten. Erfolgreiche Spin-offs und JVs agieren schnell, denken von Tag eins an international, setzen auf erfahrene Leute und arbeiten mit starken lokalen Partnern, um in neuen Märkten schnell zu skalieren.

Was unterscheidet internationale Märkte bei Innovation?

Das Mindset. In Dubai setzen große Baukonzerne 40 bis 50 Pilotprojekte pro Jahr um. In der D-A-CH-Region sucht man oft erst Gründe, warum etwas nicht geht. Mit derselben Energie hätte man längst getestet – und gelernt.

Und Österreich?

Österreich hat starke Förderungen, international aktive Unternehmen, exzellente technische Ausbildung und weltweit erfolgreiche ConTechs. Zudem sind Konzerne aktiver mit M&A, Corporate VC und Innovationsstrukturen. Ein zusätzlicher Vorteil ist der direkt angebundene D-A-CH-Markt mit führenden Messen, relevanten Konferenzen und wachsendem VC-Interesse an ConTech.

Zum Abschluss: Drei schnelle Tipps für erfolgreiche Spin-offs und JVs?

Gründen wie das beste Start-up – mit Top-Leuten und voller operativer Freiheit.

Alles messen – und schnell anpassen.

Von Anfang an auf internationale Skalierung setzen – und Profis ins Rennen schicken.

Zur Person

Dipl.-Ing. Vladimir Vlahovic, MBA

ist Gründer von Solventry GmbH, einer Wiener Business-­Development-Firma für die Bauindustrie mit Fokus auf Corporate Spin-offs, Joint Ventures und Expansion. Er ist Vorstandsmitglied mehrerer ConTech-Verbände in Deutschland, Frankreich und Saudi-Arabien sowie international als Autor, Speaker und Moderator aktiv.

Begriffsklärung

Von der Idee zum Markt: Modelle der Ausgründung

Corporate Spin-off (Ausgründung): Vom Konzern ausgegründetes Unternehmen, hier „Bau-Start-up“ bzw. ConTech, das eine Innovation kommerzialisiert und anfangs Ressourcen der Mutter nutzt (IT, Buchhaltung, Marketing etc.).

Joint Venture (JV): Hier geht es nicht um eine Projekt-­ARGE, sondern um die Kommerzialisierung von Innovationen: Zwei oder mehr Unternehmen mit komplementären Stärken gründen ein gemeinsames Unternehmen, um neue Lösungen zu entwickeln, zu skalieren und erfolgreich in den Markt zu bringen – zum Beispiel ein Baukonzern mit einem KI- und Robotikunternehmen.