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Liebherr unter neuer Führung

Nach 44 Jahren in der Baumaschinenbranche – davon 20 Jahre in der Geschäftsführung der Liebherr-Werk Bischofshofen Gmbh – verabschiedet sich Otto Singer aus dem aktiven Berufsleben. Ihm folgt Peter Mayr, der zuletzt für Liebherr in Amerika tätig war. Im Interview skizzieren der neue und der scheidende Geschäftsführer, wie die Zukunft der Baumaschinen aussehen wird.

a3BAU:Herr Mayr, Sie lösen Herrn Singer in Kürze als Geschäftsführer ab. Sie sind in Österreich ein noch wenig beschriebenes Blatt. Erzählen Sie über ihre bisherigen beruflichen Stationen …

Peter Mayr: Ich bin seit ziemlich genau 20 Jahren bei Liebherr. Begonnen habe ich als Produktverantwortlicher und zur Vertriebsunterstützung bei Schub- und Laderaupen in Spanien, wo ich bereits nach meinem Universitätsabschluss für Internationale Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck ein Auslandsjahr verbracht hatte.  Vor Liebherr war ich für die Jenbacher Gasmotoren, tätig. Nach Spanien wechselte ich für Liebherr nach England, wieder zunächst als Produktverantwortlicher für Schub- und Laderaupen, später als Geschäftsführer der Liebherr-Gruppe in Großbritannien und Irland, bis schließlich das Angebot kam, nach Amerika zu gehen, in die Hauptniederlassung in Newport News an der Ostküste, südlich von Washington D.C. Schließlich ergab sich vor zwei Monaten die Gelegenheit, als Geschäftsführer für Österreich in die Heimat zurückzukehren.

Herr Mayr ist auch Geschäftsführer der Liebherr Österreich Vertriebs- und Service GmbH. Welchen Grund hat es für die kürzlich erfolgte Abspaltung dieser Gesellschaft gegeben?

Otto Singer: Die Technologie, die in dem Liebherr Radlader verbaut wird, hat sich weltweit am Markt sehr gut etabliert. Wir werden daher mittelfristig am Standort Bischofshofen, rund 7000 Einheiten, bauen. Der Standort Bischofshofen kann aber geografisch nicht mehr erweitert werden, also werden Produktion und Vertrieb getrennt – das ist eigentlich bei Liebherr weltweit so üblich. Die tatsächlich örtliche Abspaltung wird in etwa drei Jahren erfolgen. Wir haben etwa 40 Kilometer nördlich von Bischofshofen ein entsprechendes Grundstück gekauft und werden dort eine hochmoderne Vertriebszentrale für die rund 300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Liebherr Österreich Vertriebs- und Service GmbH bauen, circa 130 davon werden in Puch Urstein arbeiten. Rund 900 Personen bleiben am Produktionsstandort Bischofshofen, der aufgrund der erwähnten höheren Nachfrage ausgeweitet und optimiert wird.

Kommen wir zu den Baumaschinen, Stichwort Digitalisierung. Liebherr bietet vom Crane Planner, über LIPOS oder LiDAT Systeme für digitalisierte Prozesse an. Wie stark wird das von Kunden genützt bzw. gewünscht?

Singer: Assistenzsysteme finden Sie heute überall. Liebherr war da einer der ersten, der Rückfahrvorrichtungen, Personenerkennungen, etc. eingebaut hat, um Unfallrisiken auf den Baustellen zu reduzieren. Ich glaube, man tut gut daran, solche Systeme einzubauen, auch wenn es nicht alle nutzen. Um wettbewerbsfähig zu sein, sind wir verpflichtet, immer weiterzuentwickeln und den neuesten Stand in Sachen Sicherheit oder Verbrauch zu bieten.

Mayr: Die Systeme, die Sie angesprochen haben, werden von den Kunden sehr wohl genützt. Beim Datenübertragungssystem LiDAT ist man dabei, eine neue Version herauszubringen, die noch besser funktioniert und in höherer Frequenz mehr Daten überträgt. Es gibt Kunden, die nützen das regelmäßig, wie Otto Singer sagt, andere haben es, aber nützen es gar nicht.

Welche Entwicklungen erwarten uns im Baumaschinenbereich noch?

Mayr: Maschinendaten abzufragen, das wird sicher noch verbessert in Richtung Wartungsintervalle – nicht nur für Service, sondern auch für Verschleiß an gewissen Komponenten. Das sieht man schon im Mining Bereich bei den richtig großen Maschinen, dass teilweise Daten übertragen werden können, die anzeigen, wie weit das Bauteil aktuell verschlissen ist und wann es überholt werden muss.

Damit die Maschine nicht steht, denn das ist ja das Hauptproblem für den Kunden.

Mayr: Richtig. Und wichtig sind alle Steuerungs- und Sicherheitssysteme – GPS-Systeme, 360-Grad-Kameras, Radarsysteme, die erkennen, wenn jemand hinter der Maschine vorbeigeht. All das wird mehr und mehr kommen für die Sicherheit der Umgebung und des Fahrers und die Optimierung der Produktivität.

Stichwort Produktivität. In der Logistik liegt großes Potenzial. Gibt es Überlegungen mit Logistikunternehmen zusammenzuarbeiten, um mehr in diesem Bereich anbieten zu können?

Mayr: Wir bieten an, dass unsere Baumaschinen miteinander kommunizieren können, beispielsweise der Radlader mit dem ladenden Truck. Ansonsten fokussieren wir uns auf die Produktion von Baumaschinen mit hoher Qualität und Produktivität.

Singer: Unsere Kunden haben ganz klare Vorstellungen, wo heute logistisch Probleme zu lösen sind, da gibt es sehr enge Kooperationen mit unseren Großkunden. Aber auch für die sogenannte 3D- oder 4D-Baustelle bietet Liebherr schon seit geraumer Zeit fertige Lösungen für das punktgenaue Beliefern von Großbaustellen. Bei der letzten Bauma wurde bereits gezeigt, wohin die Zukunft führen wird und dass auch Fremdprodukte integriert werden können. Das autonome Fahren ist ja nicht nur ein Schlagwort bei den PKW, sondern auch in unserer Branche. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Die Abstimmung mit dem Kunden, nämlich was er wirklich braucht, ist uns ein hohes Anliegen. Am Ende des Tages soll der Kunde mit unserem Gerät Geld verdienen können. Das ist unser Ansatz.

Am Ende des Tages soll der Kunde mit unserem Gerät Geld verdienen können. Das ist unser Ansatz

(Otto Singer)

Apropos Service: Welchen Stellenwert hat das Mietgeschäft für Liebherr in Österreich?

Singer:  Das Mietgeschäft ist schon über viele Jahre natürlich eine tragende Säule im Erfolg der österreichischen Vertriebsgesellschaft. Die Vorteile für den Kunden liegen klar auf der Hand: Spitzen für limitierte Zeiträume abzudecken. Liebherr hat sich darauf eingestellt. Sehr oft erfolgt nach sechs Monate Miete, wenn es dann Folgeaufträge gibt, der Mietkauf. Und dann spielen noch andere Faktoren wie Liquidität eine Rolle.

Mayr: Das muss auf die Sparten heruntergebrochen werden. Im Mobilkranbereich macht Liebherr gar keine Miete, das machen unsere Kunden. Da gehen eigentlich die meisten Geräte, die von uns verkauft werden, in die Mietflotten. Bei der Erdbewegung geht in Österreich sehr viel in den Verkauf, aber auch schon ein gewisser Grad Miete, zum Beispiel bei Geräten für den Winterdienst. Zusammengefasst: Der Trend geht zur Miete, aber der Verkauf wird nie ganz weggehen, weil jedes Bauunternehmen einen gewissen eigenen Maschinenpark braucht. So viele Mietmaschinen gibt es dann doch nicht, wenn ein großer Auftrag hereinkommt.

Plant Liebherr auch über Online-Plattformen zu vermieten oder zu verkaufen?

Singer: Unsere Erfolge, die wir weltweit feiern, basieren auf dem Beziehungsmanagement zum Kunden. Wir bieten ja keine Ware, die man beim Greißler kauft. Oft kommt der Kunde mit gewissen Vorstellungen zu einer bestimmten Maschine zu uns, aber in Wirklichkeit kauft er etwas anderes. Die Beratung ist ein wesentlicher Bestandteil. Der Kunde kommt zu uns und sagt, schaut her, das ist der Grundrissplan, das muss ich lösen. Bitte sagt mir, welche Krangröße brauche ich und wo stelle ich den Kran dann hin, damit die Logistik funktioniert. Wir haben die Erfahrung, wir haben die Leute, die hier die Beratungen vor Ort durchführen. Er kriegt von uns einen Vorschlag, welches Gerät er braucht. In der Seestadt Aspern waren rund 40 Liebherr Krane im Einsatz. Da geht es auch um Überschneidungen, dass ein Kran den anderen nicht berühren darf, damit keine Unfälle passieren.

Mayr: Die Online-Plattformen funktionieren eventuell bei standardisierten kleineren Geräten. Da macht das Sinn. Ich sehe da momentan keinen Bedarf, in Online-Plattformen zu investieren. Unsere Stärke ist nicht zu warten, bis einer eine Online-Bestellung schickt und alles ist digital. Sondern unsere Stärke ist, zum Kunden zu gehen, diesen zu beraten und ihm das zu geben, was er braucht, um Geld zu machen.

Wie sehen Sie den Trend zur Elektrifizierung von Baumaschinen? Liebherr hat gleich mal mit den großen Geräten wie dem LB 16 und Raupenkränen begonnen. Welche Strategie steckt dahinter?

Mayr: Liebherr ist bekannt für den großen Baumaschinenbereich, nicht für den kleinen. Man hat immer schon für den stationären Betrieb elektrische Maschinen angeboten. Die hängen aber am Kabel, fix zum Netz. Liebherr startet daher von einer sehr guten Ausgangsposition. In der aktuellen Diskussion übersieht man oft, dass wir massive Kraftstoffersparnissen erzielen konnten, beispielsweise bei den Radladern oder den Umschlaggeräten mit dem patentierten Energierückgewinnungssystem ERC. Es wird eine Elektrifizierung geben, aber es wird auch andere Wege geben für den größeren Motorenbereich – das kann die Brennstoffzelle, das kann wasserstoffbetrieben sein.

Singer: Die Hybridlösungen, die Liebherr erarbeitet hat, sind sehr erfolgreich, auch in Österreich. Zum Beispiel am österreichischen Erzberg, wo sechs Stück 100-Tonnen-Muldenkipper mittlerweile den Betrieb aufgenommen haben. Der steirische Erzberg wurde zum Teil elektrifiziert, ähnlich wie bei Bahnen mit Stromoberleitungssystemen ausgerüstet. Die Liebherr Muldenkipper fahren elektrisch rauf und runter. Und nur wenn sie das Stromnetz verlassen, weil sie beladen werden müssen oder eben zum Brecher fahren, koppeln sie ab. In dem Moment springt automatisch der Verbrennungsmotor an. Das funktioniert reibungslos.

Herr Singer, nach so langer Zeit Abschied zu nehmen, fällt vermutlich nicht leicht. Welche Botschaft bleibt?

Singer: Mein Wunsch oder meine Bitte ist, dass es auch meinem Nachfolger Peter Mayr gelingt, trotz Schwierigkeiten am Markt – wir haben mal eine Hochkonjunktur, dann läuft es schlechter, wir haben Covid – am Ruder das große Schiff durch alle Stürme lenken kann und dass sich das Unternehmen Liebherr so gut weiterentwickelt, wie es momentan in der 3. Generation der Familie der Fall ist. Es war mir vergönnt, Erfolg und Spaß im Unternehmen zu haben. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe das Glück, dass ich zu einem Zeitpunkt Abschied nehme, wo das Unternehmen sehr, sehr gute Bilanzzahlen an den Eigentümer abliefern kann. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei meiner Ehefrau bedanken, die immer Verständnis für meinen Job hatte. Schließlich möchte ich mich auch bei der Familie Liebherr – für die man nicht nur eine Nummer im Konzern ist, sondern mit denen man sich persönlich austauschen konnte – bedanken, dass ich für ein so renommiertes Unternehmen arbeiten durfte und den Erfolg in Österreich vorantreiben konnte. Und last but not least: Ich hatte immer eine Vertriebsmannschaft um mich, die mich unterstützt hat. Mit dieser Mannschaft hat man Power und kann man nur gewinnen …

Für uns ist es wichtig, beim Kunden zu sein und nicht hinter dem Bildschirm

(Peter Mayr)

Mayr: Da gebe ich Otto Singer völlig Recht. Ich habe schon einige Mitarbeiter aus der Vertriebsmannschaft kennengelernt – alle hoch motiviert, gut ausgebildet, haben die richtige Einstellung und auch Spaß an der Arbeit und am Zusammenarbeiten im Team. Das sind tolle Voraussetzungen. Die Kunden sind sehr loyal, wir haben hohe Marktanteile in vielen Bereichen. Mein Satz ist immer: Für uns ist es wichtig, beim Kunden zu sein und nicht hinter dem Bildschirm. Es muss für unsere Kunden leicht sein, eine Maschine bei Liebherr zu bestellen und das soll eine Entscheidung sein, die er nicht bereut. Ich mag keine komplexen Prozesse, sondern wir sollten alle Spaß haben bei der Arbeit und den werden wir haben – dann kommt der Erfolg von ganz allein.