© Thomas Max

Lieferketten-Round-Table

Die dramatischen Anstiege bei den Bau- und Energiekosten lassen die Alarmglocken in der Bauwirtschaft schrill läuten. a3BAU lud namhafte Vertreter entlang der Wertschöpfungskette ein, um über die Preissteigerungen bei Baumaterial und Störungen in den Lieferketten, aber auch über altbekannte Themen wie Fachkräftemangel und Bürokratieabbau zu sprechen.

Die Teilnehmer

Bauträger / Auftraggeber
MICHAEL PECH
Vorstandsvorsitzender ÖSW AG
Stellvertretender Landesgruppenobmann GBV-Wien

Bauindustrie / Auftragnehmer
HUBERT WETSCHNIG 
CEO Habau Group

Ausführendes Gewerbe /Subunternehmer
RICHARD OBERMAYR   
GF Perchtold Trockenbau
Vorstand im Verband Österreichischer Trockenbauunternehmen (VÖTB)

Baustoffindustrie
PETER GIFFINGER
CEO Saint Gobain

Baustoffhandel
SUSANNE AIGNER-HAAS
Geschäftsführerin Verband der Baustoffhändler Österreichs (VBÖ)

Unternehmensberatung
STEFAN BERGSMANN
Partner & Managing Director
Horváth Unternehmensberatung

a3BAU: In den vergangenen 16 Monaten – im Zeitraum Dezember 2020 bis April 2022 sind die Baukosten insgesamt um knapp 23 Prozent gestiegen, der Preisanstieg bei Baumaterial betrug 42,5 Prozent.  Können Sie jeweils kurz schildern, wie Ihre Branche den Preisanstieg erlebt hat …

Michael Pech:  Ich darf kurz die Dramatik der Baukostenentwicklung aus Sicht der Auftraggeber schildern: Gerade wir gemeinnützigen Bauvereinigungen haben die Jahre bis Ende 2020 die Steigerungen der Baukosten mit niedrigen Zinsen und dem Einsatz von gering verzinsten Eigenmitteln subsumieren können. Das Wiener Wohnbauförderungsmodell mit den zuletzt 50% Smart-Wohnungsanteil hat nur dadurch noch halbwegs funktioniert. Jetzt hat sich dieses sensible Gefüge mit den aktuellen Zinsentwicklungen und steigenden Baukosten völlig entkoppelt. Insgesamt haben wir in den letzten 16 Monaten 23 Prozent Steigerung in den Baukosten, die Materialkosten sind um 42,5 Prozent angestiegen – bei moderaten Lohnentwicklungen, die nur etwa bei 2,7 Prozent lagen. Der zusätzliche Preisdruck durch steigende Lohnkosten, ausgelöst durch die aktuell hohe Inflation, wird erst kommen. Den gemeinnützigen Wohnbau trifft diese Entwicklung besonders hart, da die steigenden Herstellungskosten nicht in Form höherer Wohnungsmieten weitergegeben werden können. Daher ist die Baubranche umso mehr gefordert, weitere Effizienzsteigerungen und Standardisierungen umzusetzen, wie beispielsweise die Digitalisierung aller Prozesse auf der Baustelle und die Erhöhung des Vorfertigungsgrads.

a3BAU: Herr Wetschnig, gibt es gewisse Materialien gar nicht, oder sind sie „nur“ sehr teuer?

Hubert Wetschnig: Wir haben in Österreich, aber auch in Deutschland, von kleineren bis größeren Projekten keines, das steht. Es ist also in der Regel nicht so dramatisch, dass wir Material gar nicht bekommen. Welche Herausforderungen haben wir aktuell? Wir müssen in unserer Industrie schauen, dass wir unsere Mitarbeiter nicht überfordern. In unserer Generation war klar, dass wir die Extrameile gehen müssen, um erfolgreich zu sein. Die jungen Leute heute, so habe ich das Gefühl, ticken ganz anders. Da geht es um Work-Life-Balance. Als ich zu arbeiten begonnen habe, wusste ich gar nicht, dass es so etwas gibt. Warum ist das für uns eine Herausforderung? Wir haben zum einen noch immer die Covid-Situation, die für alle Mitarbeiter sehr herausfordernd war, weil die Projekte weiterlaufen mussten. Wenn der eine oder andere Mitarbeiter ausgefallen ist, mussten andere dessen Aufgaben mit übernehmen. Das ist schon eine große Belastung für die Mannschaft gewesen. Jetzt kommen diese enormen Preissteigerungen hinzu, wo wir das Gespräch mit unseren Partnern suchen und schauen, wie wir das Thema Preisanstieg fair angehen können, um diese Sondersituation zu lösen. Wir haben derzeit eine Situation, wo man fragen muss: ist das Wirtschaftswachstum in Gefahr? Wir hatten gottseidank in der Bauindustrie in den letzten Jahren eine gute Situation, sodass wir einen sehr hohen Auftragsbestand haben. Das beruhigt zunächst, weil wir in einer guten Ausgangssituation sind. Aber wenn wir in den nächsten Monaten nicht auf ein vernünftiges Preisniveau kommen, werden unsere Kunden sagen: Ich will zwar bauen, ich hätte auch Projekte, die baureif sind, aber nur um 2.300 Euro pro Quadratmeter, auf Wiener Preisniveau, geförderter Wohnbau – darüber wird kein gefördertes Projekt gestartet. Davon sind wir zurzeit weit weg. Wir bewegen uns bei bis zu 3.000 Euro pro Quadratmeter, je nachdem wie groß die Projekte sind. Da müssen wir alle gemeinsam schauen, wie wir wieder zu dieser Benchmark zurückkommen. Bei Bewehrungen – einer der Kostentreiber im Rohbau hatten wir in den letzten 2,5 Monaten seit Beginn der Ukraine-Krise Kostensteigerungen von 100 Prozent. Das sind in absoluten Beträgen rund 1.000 Euro/Tonne Steigerung. Bei einem aktuellen Projekt sind wir um 15 Prozent mit dem Preis heruntergekommen. Damit ist das Preisniveau zwar immer noch viel zu hoch, aber es bewegt sich in die richtige Richtung. Was ich auch merke, dass es Unterschiede in den Regionen gibt. Ostösterreich ist anders, wesentlich höher vom Preisniveau. In Oberösterreich bringen wir über die ganze Lieferkette noch Preise zusammen, die auch im geförderten Wohnbau baubar sind, weil Lieferanten, Subunternehmen, alle Gewerke offensichtlich teilweise auf einem anderen Preisniveau agieren. Man kann die aktuelle Preissituation von Vorarlberg bis ins Burgenland nicht über einen Kamm scheren, es gibt große regionale Unterschiede. Wie können wir also alle gemeinsam wieder auf ein vernünftiges Niveau kommen? Aktuell hat keiner etwas davon, denn wir erhöhen die Gewinne dadurch nicht. Teilweise haben wir die Situation, dass wir nur Tagespreise bekommen, bei tausenden Tonnen von Bewehrung ist das ein Kostenfaktor von mehreren Millionen Euro. Nicht zu wissen, ob man das Material bekommt und zu welchem Preis, das ist eine ganz ungewohnte Situation.

Der Trockenbau ist als Gewerk dem Hochbau nachgelagert. Wie sieht die Situation in Ihrer Branche aus?

Richard Obermayr: Wir sind erst in der zweiten Hälfte oder dem letzten Drittel einer Bauphase angesiedelt, daher sind die Projekte schon lange im Laufen, wenn wir auf die Baustelle kommen. Wir sehen trotz der Preissteigerungen noch immer noch eine hohe Nachfrage, erwarten aber, dass ein Einbruch kommt, weil die Kunden nicht mehr bauen. In der Regel sind die Materialien derzeit verfügbar, aber wir sind daran gewöhnt, dass wir Ware just in time bekommen. Bei Produkten, die früher in einer Woche lieferbar waren, sind wir jetzt bei 4-8-12-Wochen Lieferzeit, aber wir bekommen sie. Wir stehen zwischen dem Kunden, der uns einen Festpreis abverlangt und der Baustoffindustrie oder dem -handel, wo wir keine Jahrespreise bekommen, weil die sie nicht geben können. Derzeit haben wir einen hohen Auftragsstand. Diese Tagespreise, über die gesprochen wurde, sind bei uns Monatspreise oder 3-Monatspreise. Bei den Verhandlungen mit der Industrie – ob das Gipskartonplatten sind oder Dämmstoffe, was immer wir brauchen, gibt es enorme  Preiserhöhungen – beim Stahl hatten wir Preissteigerungen von 65 auf 180 Euro pro Tonne, also fast eine Verdreifachung. Die einzige Möglichkeit, dem zu entgehen, ist, dass wir aufhören zu bauen, aber wir haben Verpflichtungen gegenüber unseren Mitarbeitern und unseren Auftraggebern. Vor Corona waren die Mitarbeiter unsere gläserne Decke. Je nach Mitarbeiterstand konnte man Aufträge annehmen. Jetzt haben wir zusätzlich Corona und den Ukraine-Krieg – das stellt uns vor große Herausforderungen. Das Pendel wird wieder in die andere Richtung ausschlagen, aber ob der Preis wieder dorthin geht, wo er vorher war, kann ich mir nicht vorstellen. Mir kommt auch vor, dass in touristischen Gebieten im Westen, vor allem in Tirol und Salzburg viel mehr Geld vorhanden und der Zwang da ist, etwas Neues zu bauen. Im Wohnbau im Osten sind wir momentan eher weniger tätig, weil hier der Preis nicht höher sein darf. Im Westen, speziell im Hotelbau, kommt mir vor, spielt der Preis keine Rolle. Wenn zu Projektbeginn der Trockenbau mit 120.000 Euro kalkuliert wurde und wir jetzt bei 350.000 Euro sind – ist das ganz egal, Hauptsache wir machen es. Aber der höhere Umsatz bringt uns nichts, weil wir ja auch die höheren Kosten haben. Wir sind bei Materialpreissteigerungen von über 40 Prozent in den letzten 18 Monaten. Der Materialanteil liegt bei uns beim Wohnbau bei rund 30 Prozent, im höherwertigen Trockenbau liegen wir bei 70 Prozent.

Herr Giffinger, warum steigen die Preise so exorbitant und wie wird es weitergehen?

Peter Giffinger: Wir haben keine einfache Lösung für die aktuelle Situation. Ich teile die prinzipielle Einschätzung, dass wir vor Corona ein sehr positives Umfeld für den Hochbau hatten. Unser einziges Problem wäre wahrscheinlich der Facharbeitermangel gewesen, um die Projekte auch realisieren zu können. Wir haben derzeit ein Dreigestirn der Krisen – nämlich Corona, Ukraine-Krieg und die Klimakrise. Diese drei Dinge überlagern sich, haben unterschiedliche Auswirkungen und werden uns nicht nur länger beschäftigen, sondern auch zu einer Transformation der Wirtschaft und des Bauens führen. Die Corona-Krise hat mit dem Einfluss auf die Lieferkette begonnen. Weil Material nicht verfügbar war, gab es Preissteigerungen, weil etwa Containerschiffe nicht da waren, Frachtkosten sich verdoppelt haben. Jetzt sehen wir Richtung Shanghai, wo Containerschiffe nicht kommen. Wir müssen uns diese Abhängigkeit von asiatischen Lieferketten in der Lieferkette eingestehen. Das wird sich nicht von heute auf morgen ändern. In den USA wurde eine ganze Saison kein Holz eingebracht, das wiederum hat zu einer enormen Nachfrage am amerikanischen Markt geführt, der Europa leer gekauft hat. Da gab es Entwicklungen im Holzpreis oder bei Paletten. Nun fehlen die Nägel aus der Ukraine. Was auf der gerade gezeigten Kurve der Baukostenentwicklung fehlt, ist der Energiepreis – damit wäre die Skala tatsächlich zu klein. Wir haben eine Verzehnfachung der Energiekosten und wir bauen nun einmal energieintensiv – mit Glas, Stahl, gefolgt von Zement, Kalk. Da braucht man viel, viel mehr Energie als bei einer Gipskartonplatte. Bei Saint Gobain in Österreich liegt der Energie-Anteil bei 25 bis 30 Prozent der Produktkosten. Da haben wir wenig Chance, das müssen wir entsprechend weitergeben. Diese Preiserhöhungen sind jedenfalls energiegetrieben. Unsere Produktpreiserhöhungen waren in den letzten Jahren unter der Inflationsrate. Jetzt ist der Einfluss durch die Energiepreise da. Schließlich bedeutet die Klimakrise auch, dass wir CO2-Bepreisungsthemen haben, die auf die Energiepreise noch on top dazu kommen. Ich denke, wir müssen in Sachen Nachhaltigkeit weg von der Freiwilligkeit hin zu einer Verpflichtung kommen, um diese Themen anzugehen. Wir werden viel mehr darauf schauen müssen, wie wir bauen und wie wir als Baubranche auch den CO2-Ausstoß reduzieren können.

Frau Aigner-Haas, die Baustoffhändler stehen zwischen der produzierenden Industrie und der Bauindustrie. Welche Wahrnehmung haben Sie bei der aktuellen Preissituation?

Susanne Aigner-Haas: Wie Sie richtig sagen, stehen wir dazwischen, sind quasi der Puffer. Einfach ist die Situation nicht, weil es auch schwierig ist, den Kunden zu erklären, dass wir enorme Preissteigerungen haben, ohne dass irgendjemand in der Lieferkette mehr verdient. Im Baustoffhandel haben wir zusätzlich das Problem, dass die Läger massiv aufgestockt wurden. Damit geht aber eine Erhöhung der Kapitalbindung einher und werden letztendlich Kapazitätsgrenzen erreicht. Jeder einzelne Geschäftsfall ist unglaublich aufwändig geworden, weil es nur mehr Tagespreise gibt. Teilweise wird Ware in ganz Europa besorgt, um die Lieferfähigkeit zu gewährleisten. Man verabschiedet sich nicht vom Stammlieferanten, aber man sucht anderweitig nach Lösungen. Ich hoffe, dass es in der gesamten Wertschöpfungskette auch erkannt wird, dass der Baustoffhändler als Problemlöser agiert und welche wichtige Rolle wir hier aktuell einnehmen.  Wir sehen natürlich auch das Facharbeiterproblem. Krisen sind immer auch Chancen und es gilt jetzt, die Zeit zu nutzen, um unsere Mitarbeiter zukunftsfit zu machen, ihnen die Skills mitzugeben, die man in der Zukunft braucht – und das werden andere sein wie jene, die jetzt noch gefordert werden, vor allem sind das Digitalisierungsthemen. Das ist im Handel eine riesengroße Herausforderung. Das neue Motto lautet: Früher war der Kunde König, jetzt ist es auch der Mitarbeiter. Was die Delle der Bauprojekte anbelangt, so sind wir als Händler am nächsten beim privaten Kunden und da merken wir bereits, dass Bauvorhaben zurückgestellt werden. Logisch, weil auch in der Kreditvergabe einiges passiert ist. Kein Häuslbauer kann heute zur Bank gehen und sagen, so schaut meine Planung für das Haus aus und das wird es kosten. Kann er nicht, weil er die Preise gar nicht hat – und wenn doch schafft er vermutlich die erhöhte Eigenkapitalquote nicht. Da sehen wir jetzt schon enorme Veränderungen. Weil auch das Ost-West-Gefälle in der Diskussion angesprochen worden ist: Bei unseren Konjunkturerhebungen sehen wir, was den Absatz anbelangt, dass der Westen ein durchwegs gleichbleibendes, hohes Niveau hat und die Schwankungen, die es im Osten gab, nie im vollen Umfang mitgemacht hat – wie z.B. den letzten Bau-Boom, den es im Osten gegeben hat. Jetzt gleicht sich das ein wenig aus und die Rückgänge in den Projekten sind daher vor allem im Osten zu verzeichnen.

Herr Bergsmann, wir haben jetzt von Rohstoffengpässen, Preiserhöhungen, Logistikproblemen, Fachkräftemangel gehört – wo drückt bei Ihren Kunden am meisten der Schuh?

Stefan Bergsmann: Die Lieferketten sind sicher irritiert und sind der Auslöser, dass wir viele Dinge bemerken, aber sie sind nicht das Hauptproblem. Diese werden sich wieder einschwingen. Bei unserer jährlichen Umfrage durch Interviews mit 270 bis 300 CEOs bestätigen alle, dass die Lieferketten ein Stauproblem haben. Aber auch im Stau, der zugegeben unangenehm ist, kommt man irgendwie durch. Die Bauindustrie hat ja gute Leute, die immer wieder Wege finden, Ware zu beschaffen. Das Material wäre nach meiner Einschätzung schon aufzutreiben – schwieriger als früher, aber man bekommt es. Die Verfügbarkeit ist daher nicht das Problem, sondern zwei andere Dinge: Was wir eventuell übersehen, ist die Lohnkurve, denn langfristig ist das Personal das Hauptproblem in der Baubranche. Die Jobs sind für die jungen Leute – Herr Wetschnig hat es betont – mit der neuen Einstellung nicht mehr attraktiv und langfristig ist das die Hauptherausforderung. Die Lohnsteigerung wird noch einen ordentlichen Preisschub geben, die läuft nach, wie Herr Pech gesagt hat, das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Das geht ein wenig unter, weil wir alle aufs Material schauen. Beim Material – und jetzt komme ich zum zweiten Punkt – ist das Problem, dass wir in der Bauwirtschaft lernen müssen, mit Volatilitäten zu leben und zu diese managen. Da sind wir in Westeuropa und gerade in der Bauwirtschaft verwöhnt, dass man immer alles sauber kalkulieren kann. Andere Branchen und andere Regionen kennen das nicht so. Da geht es mit den Preisen rauf und runter. Unternehmen in der gesamten Wertschöpfungskette werden lernen müssen, mit dieser Volatilität zu leben. Ich glaube nicht, dass die Materialpreise langfristig so hoch bleiben, aber ich glaube, dass sie deutlich volatiler sein werden. Das heißt man muss im Einkauf anders, professioneller agieren – schwierig, gerade für kleinere Unternehmen – man muss sich vermutlich auch im Finanzbereich umstellen. Das Thema Hedging zum Beispiel, das in anderen Industrien etabliert ist und zum Tagesgeschäft gehört, ist in der Bauwirtschaft noch nicht überall angekommen. Das Thema Pricing ist ebenso eine große Herausforderung: Wie kalkuliere ich meine Preise? Und wie ziehe ich auch nach. Und auch das Thema Vertragsmanagement wird ein wesentlicher Punkt sein. So schlimm das jetzt auch für die Unternehmen ist, die Projekte bauen, ich glaube, die fix kalkulierten Preise wird es langfristig nicht mehr geben – es wird Risk-sharing-Modelle und Verträge mit größeren Flexibilität geben, auch was Materialsubstitution und Laufzeiten betrifft.

Pech: Das stimmt, im geförderten Bereich sind wir seit Jahrzehnten Fixpreisangebote aus der Bauwirtschaft gewohnt, die auch notwendig waren, weil wir als gemeinnützige Bauvereinigung gegenüber den Kunden aufgrund der Förderungen eine Obergrenze einhalten müssen. Das ist in den Bundesländern jeweils etwas unterschiedlich. In Wien ist ganz klar: Die Miete und der Finanzierungsbeitrag sind in der Zusicherung auf den Cent genau festgelegt. Da befinden wir Gemeinnützigen uns in einem sehr engen Korsett. Aber ich habe auch Verständnis dafür, dass Bauunternehmungen nicht sagen können, wie viel in einem Jahr z. B. der Parkettboden kosten wird. Wir handhaben das momentan so: Wenn wir freifinanzierte Eigentumswohnungen bauen, haben wir zur Kenntnis genommen, dass Fixpreisangebote derzeit nicht zu einem vernünftigen Preis oder nur mit extrem hohen Sicherheitsaufschlägen zu erhalten sind. Wir gehen hier den Weg, dass wir ca. 75-80 Prozent der Gewerke mit Festpreisen fixieren. Das beauftragte Unternehmen bestellt dann beispielsweise Stahl zum aktuellen Preis, dann hat er diesen abgesichert – das lässt sich für einige Produkte relativ gut bewerkstelligen. Bei 20-25 Prozent ist das nicht machbar – Stichwort Parkett, Fassaden- und Dämmstoffe und andere derzeit schwer verfügbare Materialien – da gehen wir dann in eine gewisse Flexibilität hinein: zunächst werden mit unseren Kunden nur unverbindliche Anwartschaftsverträge abgeschlossen, und die Kaufverträge dann erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Gesamtbaukosten mit ausreichender Sicherheit feststehen. Der Kunde hat ein kostenfreies Rücktrittsrecht, wenn der endgültige Kaufpreis über dem in Aussicht gestellten Preis liegt. Das ist in der geförderten Miete wie gesagt völlig anders. Hier ist es derzeit tatsächlich nicht möglich, zu den derzeit angebotenen Preisen Bauaufträge zu vergeben. Insofern fahren wir zweigleisig und beobachten die weitere Entwicklung am Markt aufmerksam.

Wetschnig: Wenn ich noch ergänzen darf – ich glaube, die jungen Mitarbeiter interessiert es gar nicht mehr, zu claimen und ums Geld zu streiten. Wenn sie in die Bauwirtschaft gehen, möchten sie etwas Nachhaltiges schaffen. Deshalb wird sich immer mehr das Faire, das partnerschaftliche mit Handschlagqualität durchsetzen, wo man sagt, man hat ein gleiches Ziel. Das wird notwendig sein, sonst werden wir die Leute nicht mehr bekommen. Zum anderen bin ich davon überzeugt, wenn Risiken und Schwierigkeiten in Projekten auftauchen, aber beide das gleiche Interesse haben, diese wegzubekommen oder zu lösen, dass jeder etwas davon hat. So entstehen gewisse Kosten gar nicht mehr und die ausführende Seite, die Auftragnehmerseite, hat das Interesse, mitzuwirken, weil man vielleicht bei einem Bonus mitpartizipieren kann.

Pech: Die beste Lösung ist sicher, einen partnerschaftlichen Weg zu gehen, der einerseits rechtlich abgesichert sein muss, aber andererseits auch das Miteinander fördert, mit dem gemeinsamen Ziel, das Bauprojekt innerhalb der vereinbarten Kosten und der Zeittangente zu errichten und dabei Risiken, aber auch Chancen zu teilen.

Obermayr: So wie es bisher war, dass man versucht hat, die Schwächen des anderen Vertragspartners auszunützen, das wird es in dieser Art nicht mehr geben. Wir sehen, dass wir oft mehr Geld verlieren, wenn wir gegeneinander arbeiten. Wenn ich einen friktionsfreien Bauablauf habe, dann schaffen wir es weit leichter, mit den geplanten Kosten auszukommen. Ein Großteil unserer Wertschöpfung ist die Arbeit – im Schnitt 50 Prozent. Da habe ich viel mehr zu verlieren, wenn Probleme auftauchen, als die Materialpreissteigerungen ausmachen. Noch dazu mit unserer Personalknappheit.

Herr Giffinger, Sie haben gesagt, Sie glauben nicht, dass die Materialpreise wieder auf ein geringeres Niveau sinken wird – wie kann Bauen dann leistbar bleiben?

Giffinger: Wir sind massiv von Energiekosten abhängig. Wir sind aber auch eine kapitalintensive Industrie, die in Anlagen mit 20 Jahren investiert. Ich würde gerne wissen, welchen Energieträger ich auch noch in 20 Jahren nutzen kann. Wird das Erdgas sein? Wir brauchen hier Planungssicherheit. Die Energiefrage ist jetzt virulent geworden. Was wichtig ist, dass wir das Dreigestirn der Krisen wirklich ernst nehmen und uns überlegen, was wir daraus lernen? Es wird nicht so sein, dass die aktuellen Krisen vorbeigehen werden und wir wie vorher bauen. Wenn wir so bauen, dass wir kaum Energie fürs Heizen im Wohnbau verbrauchen, dann müsste man den Menschen nicht 150 Euro-Gutscheine schicken. Wir reden sehr viel über den Neubau, aber die Energie wird in der Nutzung verbraucht. Wir haben die Möglichkeiten, sehr energieeffizient zu bauen, bei den Industrieprozessen haben wir die Lösung oft nicht.  

Pech: Beim Wohnungsneubau ist der energetische Standard bereits sehr gut, da gibt es meiner Meinung nach wenig Verbesserungsbedarf. Das Problem, das immer wieder zitiert wird, wenn es um den CO2-Ausstoß der Gebäude geht, liegt im Altbestand. Wir haben in der ÖSW-Gruppe eine Offensive gestartet, Bestandsgebäude mit Photovoltaik-Anlagen und Speicherbatterien nachzurüsten. Das funktioniert sehr gut, bestes Beispiel ist unsere Unternehmenszentrale aus der Gründerzeit. Der erzeugte Solarstrom entspricht im Optimalfall – sprich bei Sonnenschein – gut dem Doppelten des täglichen Energiebedarfs. Energie wird just in time verbraucht, wo etwa Klimaanlagen betrieben werden, und der Rest wird über Speicherbatterien gepuffert. Und es gibt produzierende Unternehmen, die aus Erdgas herauswollen und überlegen, Photovoltaik-Anlagen im großen Stil zu errichten, aber hier braucht es eben noch die entsprechende Weiterentwicklung der Technologien. 

Giffinger: In der Industrie ist das nicht so leicht. Die Photovoltaik-Anlagen, die man für energieintensive Produktionen braucht, bekommen Sie in der Fläche nicht. Wir reden hier über Energiedichten, da ist Photovoltaik nicht die Antwort. Was die Sanierung betrifft, da haben Sie recht – wir liegen seit vielen Jahren bei 1,5 Prozent Sanierungsrate und wissen, dass wir für die Erreichung der Klimaziele drei Prozent brauchen würden. Was den Fachkräftemangel betrifft, so sehe ich einen Trend zur Vorfertigung. Wir werden nicht alles auf der Baustelle zusammenschrauben. Wir werden Wandelemente pre-assembled oder ganze Räume an die Baustelle bringen. Und da sehe ich auch den Trend zum Leichtbau, weil leichter Bauen mit einem Faktor 1:4 weniger Energie verbraucht. Mit dem Leichtbau kann ich auch in die Verdichtung gehen – Flächenverbrauch ist ja ebenso ein Thema. Weiteres Thema ist der Primärressourcenbedarf: 40 Prozent davon – 19 Tonnen pro Kopf pro Jahr – kommen aus dem Ausland. Wenn wir über Lieferketten reden und uns fragen, wie wir resilienter werden können, dann müssen wir mehr in die Kreislaufwirtschaft investieren.

Um zurückzukommen auf die Lieferketten und Preissteigerungen: Worauf müssen sich die Bauindustrie und das Gewerbe einstellen?

Giffinger: Wir haben genug Kapazitäten, zumindest kann ich da für unsere Branchen sprechen – sei es Mörtel, Gipskarton oder Dämmstoffe. Wir agieren hier sehr lokal und fahren nicht sehr weit mit unseren Produkten. Bei Dämmstoffen, in unserem Fall Mineralwolle, hat man in der Regel sehr große Kapazitäten verfügbar, weil es energetisch sinnvoll ist, große Anlagen zu haben und entsprechende größere Märkte zu versorgen. Durch die Ukraine-Krise gibt es keinen Materialfluss von Russland in die Ukraine oder andere osteuropäische Länder. Das wird eine Nachfrage generieren. Andere Länder gehen das Thema Sanierung sehr offensiv an – Italien oder Frankreich etwa – da gibt es Direktförderungen für die Dämmung von Gebäuden. Da wird enorme Nachfrage geschaffen. Und dann gibt es noch Themen, die mit Lieferengpässen beginnend mit Corona gekommen sind: Davor war man gewohnt, dass ein Trockenbauer seine zwei Paletten Gipskartonplatten am nächsten Tag auf die Baustelle geliefert bekommt. Da gab es keine Überlegungen – weder im Baustoffhandel noch auf der Baustelle – etwas einzulagern. Jetzt hat sich das gedreht. Heute verlangen Auftraggeber, dass Baustoffe schon vor Ort sind, bevor der Bau begonnen wird. Das hat eine Nachfrage geschaffen, die kurzfristig zu längeren Lieferzeiten geführt hat. Generell glaube ich aber, dass wir auf ein normales Niveau zurückkommen werden, wenn sich all diese Effekte wieder nivelliert haben.

a3BAU: Herr Obermayr, sind das auch Ihre Erfahrungen auf der Baustelle?

Obermayr: Im Großen und Ganzen ja. Wir waren es gewohnt, die Ware just in time zu bekommen. In Corona-Zeiten haben viele begonnen, Ware zu horten, was zusätzlich zu höheren Lieferzeiten geführt hat. Das Ganze – aus einer gewissen Vorsicht heraus, weil sonst die Baustellen stehen. Wir haben das Thema Gas – wird das kontingentiert werden? Nur rund 20 Prozent des österreichischen Gasverbrauchs geht in Haushalte, fast die Hälfte geht in die produzierende Industrie. Wenn es weniger Gas gibt, werden viele Industrien nicht mehr produzieren – Gipskarton, Stahl, Dämmstoffe. Betrifft das alle oder nur einen Teil. Aber wenn auch nur einer nicht liefern kann, steht die ganze Baustelle. Man wird die Materialien dann zwar noch bekommen, aber nicht mehr in acht, sondern in 16 Wochen. D.h. wir blockieren dann die Baustelle. Wir haben bei manchen Produkten einen Wochenvorrat, bei anderen  für bis zu vier Wochen auf Lager. Was die Preise betrifft, so haben wir derzeit für gewissen Waren von der Industrie zumindest für drei Monate einen Preis, aber mit der Ankündigung, dass wir im September schon wieder die nächste Erhöhung haben werden, und wahrscheinlich im Jänner die nächste. Das sind zumindest die Ankündigungen.

Wie geben Sie das dem Kunden weiter?

Obermayr: Indem wir keine Fixpreise mehr geben können. Ich habe das im vergangenen Jahr 2020/21 gesehen: Der Deckungsbeitrag beim Material ist trotz der steigenden Baukosten um sechs Prozent niedriger – und der Deckungsbeitrag beim Material ist ungefähr die Hälfte von meinem Ertrag. Wir kalkulieren niedrige Ergebnisspannen – das fällt uns auf den Kopf, damit können wir nicht gut wirtschaften. Wir müssen daher die höheren Materialpreise weitergeben im fair use-Prinzip. Das heißt, wir vereinbaren zwar einen Preis, orientieren uns dann aber an festgelegten Preisumrechnungen oder Indexanpassungen.

Wie gesprächsbereit sind die Kunden dahingehend, einen Teil der gestiegenen Materialkosten zu übernehmen?

Obermayr: Im B2B-Bereich, im Unternehmergeschäft eher weniger, weil jeder einen Fixpreis haben will. Da steht dann die Frage im Raum, ob man das Geschäft machen möchte. In einer Hochkonjunktur mit einer extrem hohen Nachfrage, tut man sich da etwas leichter, weil man nicht auf jeden Auftrag angewiesen ist.

Das heißt, Sie würden im Zweifelsfall den Auftrag nicht annehmen?

Obermayr: Genau. Dann würden wir als Unternehmen weniger leisten. In der öffentlichen Hand hat es sich mittlerweile durchgesetzt, dass durchwegs mit veränderlichen Preisen ausgeschrieben wird. Das erzeugt zumindest ein Gefühl der Sicherheit. Inwieweit das dann wirklich sicher ist, kann man nicht sagen, weil man nicht weiß, wo der Index in einem Jahr hingeht. Ich kann mir aber auch nicht für eine Baustelle, auf der ich in einem Jahr tätig bin, die Materialien sichern. Ich kann mir nicht zehntausende Quadratmeter Platten auf Lager legen fürs nächste Jahr.

Wetschnig: Wir haben gute Kundenkontakte und Gespräche gibt es immer. Mir ist bewusst, dass sich das Verständnis und die Begeisterung in Grenzen halten. Keiner will höhere Preise auf seiner Seite akzeptieren, wenn er anders kalkuliert hat – was bleibt dann für eine Rendite? Was hat der Bauträger für Mieten etc.? Wir versuchen andere Wege zu gehen: Unsere Nachunternehmer, Lieferanten, Partner stehen unter Druck und wir müssen in der Regel Lösungen finden, ohne dass wir davor eine Lösung mit unserem Endkunden gefunden haben, weil manche Firmen es nicht aushalten würden. Das ist derzeit unsere Rolle, wenn wir Generalunternehmer sind. Wir stehen hier in der Mitte und treten in Vorlage. Dass ich 100 Prozent der Kosten weitergeben kann, ist unmöglich. Partnerschaft heißt ja nicht, dass nur einer alles trägt. Wir machen es aber auch oft aktuell so, dass wir unseren Kunden empfehlen, dass wir nur Teile des Materials bei den Herstellern abrufen und noch gar nicht die volle Menge, weil wir daran glauben, dass der Preis runter geht. Sicher nicht auf das ursprüngliche Preisniveau, und auch die Energiekosten – da bin ich voll bei Ihnen –  werden sich leider nicht so schnell reduzieren. Wir haben aktuell höhere Energiepreise als Deutschland, weil wir Energie – also Strom – nicht einfach direkt aus Deutschland beziehen können, da unsere Netze zu schwach sind – ein Versäumnis der letzten Jahre. Also wir finden Lösungen, indem wir Preissteigerungen teilweise weitergeben, dann gehen wir weg von einem Fixpreis und gehen in eine open book Lösung, das heißt wir verhandeln gemeinsam mit den Nachlieferanten und sagen: Legen wir die Kosten offen und definieren einen Zuschlag. Damit arbeiten wir auf beiden Seiten transparent.

Herr Bergsmann, ist der Weg jetzt aufbereitet für Partnering-Modelle?

Bergsmann: Würde ich annehmen, ja. Ich denke, das angesprochene Korsett muss man ein Stück aufschnüren und mehr Partner einbinden, mehr Flexibilität in diesen partnerschaftlichen Konstrukten schaffen, sodass man für Eventualitäten gewappnet ist, weil die sicher kommen werden. Daher muss man Möglichkeiten haben, sowohl in der Zusammenarbeit – das ist das Stichwort Partnerschaft von Herrn Wetschnig – als auch in der Vertragsgestaltung ein bisschen auszugleichen und auszuweichen.

Aigner-Haas: Was bei all diesen Entwicklungen auf der Strecke bleibt, ist der leistbare Wohnbau, der im Regierungsprogramm steht. Wie schon vorher angemerkt, der frei finanzierbare Wohnbau kann weiterlaufen, aber bei der Gemeinnützigkeit hat man jetzt schon das Problem, dass man mit den Baukosten nicht mehr zusammenkommt. Wir haben jetzt mehrmals gehört, dass sich die Preise nicht wirklich nach unten bewegen werden, und das Thema Nachhaltigkeit wird uns dauerhaft beschäftigen. Der Kunde ist aber auch nicht bereit, mehr für Nachhaltigkeit zu bezahlen, die derzeit einfach noch mehr kostet. 

Giffinger: Das ist eine Frage der Betrachtung über den Lebenszyklus.

Aigner-Haas: Das ist richtig, aber wenn man sich heute anschaut, welche Wohnungen am Markt eigentlich abgehen, dann ist das der leistbare Wohnbau und nicht der freifinanzierte, wo es noch immer genügend Anleger gibt, die Angst vor der Inflationsentwicklung haben. Geld ist nach wie vor am Markt, mit dem Wohnungen gekauft werden, die dann oft leer stehen. Da gibt es ja auch schon entsprechende Regierungsprogramme auf Landesebene – Stichwort Leerstandsabgabe. Tatsache ist, dass sich derzeit viel am Markt vorbei entwickelt und das kann vertraglich nicht geregelt werden. Wir müssen uns Gedanken machen, wo die Reise im Wohnbau hingeht.

Giffinger: Wenn man die Baukosten vom freifinanzierten Eigentum in Wien über die angezeigte Kurve der Baukostenentwicklung von 2016 bis 2020 legen würde, dann sieht man, dass die Materialien an dieser Entwicklung nicht beteiligt waren. Da gibt es schon unabhängig von den Gestehungskosten eine Reihe von anderen Preistreibern.

Bergsmann: Ich teile, dass Wohnen leistbar sein muss. Im internationalen Vergleich ist Wohnen in Österreich aber deutlich billiger als in den meisten anderen westlichen Ländern, allen voran im städtischen Bereich. In Wien können Sie so billig leben wie in kaum einer anderen westeuropäischen Hauptstadt. Ich glaube, die Preise werden notgedrungen steigen. Im sozialen Wohnbau wird wahrscheinlich die öffentliche Hand eine Risikopufferfunktion übernehmen müssen.

Pech: Wir haben tatsächlich ein Auseinanderdriften von verschiedenen Sphären. Das eine ist der freifinanzierte Wohnbau, der zum großen Teil anlegergetrieben ist. Dort sinkt derzeit die Rendite für den Anleger in Richtung zwei Prozent. Nur – und das merken wir schon – werden damit ganz bestimmte Produkte geschaffen: 2-Zimmer-Wohnungen mit 45 Quadratmetern. Aber auch mit nur einem Kind ist eine 2-Zimmer-Wohnung nicht das, was man unter qualitätvollem Wohnen versteht. Im sozialen Wohnbau gibt es bereits überwiegend die Nachfrage nach 3-Zimmer-Wohnungen. Aber diese nachgefragten Wohnungen sind mit den derzeitigen Herstellungskosten nicht abbildbar. Ich bin daher sehr froh, als wir vor kurzem von Frau Stadträtin und Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál gehört haben, dass Wien jetzt auch wie andere Bundesländer eine Erhöhung der Wohnbauförderung angekündigt hat. Wir bekommen in Wien, vereinfacht gesagt, in der Hauptförderungsschiene 300 Euro mehr Förderung. Das wird uns ein bisschen vom Druck nehmen, aber das Problem nicht wirklich lösen. Und was die Klimaoffensive betrifft, brauchen wir – unabhängig davon, ob das ein gewerblicher Bauträger, privater Vermieter oder eine gemeinnützige Bauvereinigung ist – echte finanzielle Anreize. Da gehört viel Geld in die Hand genommen und in den Bestand investiert, unabhängig davon, wer der Eigentümer ist. Die Klimaziele nicht zu erreichen und Strafzahlungen nach Brüssel zu geben, kann nicht der Weg sein.

Aigner-Haas: Es braucht nicht nur Geld, sondern man müsste mit dem rechtlichen Rahmenprogramm etwas schneller und flexibler umgehen. Wenn man schaut, wie lange es in Österreich dauert, ein Mietrechtsgesetz zu überarbeiten und so zu gestalten, dass es für beide Seiten Sanierung attraktiv macht, das ist ein Marathonlauf.

Pech: Das haben wir bis heute mit der mittlerweile vierten Regierung nicht geschafft.

Wünsche an die Politik – was sind die dringendsten Anliegen aus Ihrer Sicht?

Pech: Aus der Sicht der Gemeinnützigen ist schon einiges passiert, da einzelne Bundesländer auf die Kostensteigerungen mit einer Erhöhung der Wohnbauförderungsmittel reagiert haben. Aber es wird weitere finanzielle Unterstützung vor allem für den Gebäudebestand  benötigt werden, um die Klimaziele zu erreichen.

Wetschnig: Ich darf noch ergänzen: Auch wenn die Situation im Westen etwas entspannter ist. In Oberösterreich sind wir so bei 1.550/1.600 Euro pro Quadratmeter gewesen, und da ist man jetzt mit einer Erhöhung von 20 Prozent, so 300 Euro nach oben gegangen. Aber das ist im Vergleich noch immer zu wenig. Und es müssten österreichweit die anderen Bundesländer nachziehen. Mein Wunsch an die Politik ist daher, dass man österreichweit agiert, nicht nur in einzelnen Bundesländern. Wichtig wäre für mich auch, am Thema Entbürokratisierung dran zu bleiben, damit wir viel effizienter agieren können. Und das dritte Thema ist das Personal – wie sie gesagt haben, nicht nur der Kunde, sondern auch der Mitarbeiter ist König. Es war früher undenkbar, dass wir uns als Firma an den Universitäten um die besten Studenten bewerben. Da hat sich der Markt gedreht. Wir brauchen auch im Personalbereich eine Flexibilisierung – alles was uns mehr oder weniger einschränkt, hindert uns an Reaktionen auf die aktuelle Situation.

Obermayr: Der arbeitende Mensch ist bei uns seit jeher die gläserne Decke. Wir haben jetzt schon viele hunderttausende Menschen aus dem Ausland in Österreich, die Wertschöpfung erbringen und das wird noch steigen, weil die Nachfrage da ist. Ich habe keine Lösung, wie das weiter gehen soll. Die Frage ist, wie weit geht man in den Osten, um Leute nach Österreich zu holen, die für unsere Unternehmen arbeiten. Bürokratie ist ein Thema, wo wir uns als eigentümergeführtes Unternehmen fragen – was musst und sollst du alles leisten als kleines Unternehmen? Ich bin kein Konzern, der für jedes Thema eine eigene Abteilung hat. Da bleibt vieles an mir hängen. Und da muss man dann entscheiden, ist das wirklich wichtig, mache ich das oder lasse ich es liegen, „vergesse“ ich das oder warte ich, bis dass mir irgendjemand sagt, dass ich das noch nicht gemacht habe. Das sind Entscheidungen, wo wir auf einem schmalen Grat wandeln. Wir wollen ja grundsätzlich alle Vorgaben erfüllen, müssen aber nicht immer als erstes damit beginnen.

Wetschnig: Kurzarbeit ist auch so ein Thema. Frau Es-Ministerin Schramböck ist ja mittlerweile zurückgetreten und hat mir nicht mehr helfen können. Der Wahnsinn für mich ist die unterschiedliche Behandlung je nach Bundesland. Im konkreten Fall ging es um das Thema Kurzarbeitsvergütung. In den ersten Tagen von Covid musste ja alles sehr schnell gehen. Da gab es die Auskunft, nehmt die Mitarbeiter, die ihr sonst stempeln schickt, auf und schickt sie danach gleich in die Kurzarbeit. Wir haben Tausende Mitarbeiter aufgenommen. Als es dann zur Abrechnung gekommen ist, war das dann in Oberösterreich anders als ursprünglich kommuniziert, weil das AMS in Oberösterreich die Regelungen anders gelebt hat. Das hat uns 1,5 Millionen Euro gekostet. Diese Ungleichbehandlung kann nicht sein. Das ist nur ein Beispiel – verursacht durch unterschiedliche Regelungen in neun Bundesländern, so wie die neun Bauordnungen etc. etc.

Giffinger: Was wir von der Politik brauchen, ist an erster Stelle Planungssicherheit. Wir als Saint Gobain waren eines der ersten Unternehmen, das sich CO2-Neutralität 2050 weltweit in allen Ländern, in denen wir tätig sind, vorgenommen hat. Wir haben einige Vorzeigeprojekte, unter anderem werden wir eine Glaswanne in Deutschland CO2-neutral umstellen, ebenso wie das erste CO2-neutrale Gipskartonplattenwerk in Norwegen. All das geht aber nur mit Unterstützung. Herr Obermayr wird mir nicht drei statt 2,5 Euro am Quadratmeter zahlen, nur weil wir CO2-neutral sind. Für neue Technologien, für Innovation braucht es eine Förderung und entsprechende Rahmenbedingungen. Es fehlt auch an Mut, Unternehmen, die hier einen Beitrag leisten, direkt zu unterstützen. Das gilt auch für die Kreislaufwirtschaft. Wir werden in einer Partnerschaft mit zwei renommierten Unternehmen eine Recycling-Anlage für Gipskartonplatten im Raum Ostösterreich entwickeln. Aber auch da braucht es Unterstützung und geeignete Rahmenbedingungen. Es ist leichter, Bauschutt zu vergraben oder auf die nächste Deponie zu bringen, aber der Rohstoff ist dann für die nächsten Generationen verloren. Der letzte Punkt ist: Wir bemühen uns alle, Produkte im Kreislauf zu führen und Recyclinganteile an den Produkten zu erhöhen. Wir werden aber nach wie vor Zugang zu Rohstoffen brauchen. Auch da braucht es ein Commitment, dass wir unsere Rohstoffe hier in Österreich gewinnen, nicht unsere Probleme auslagern und Rohstoffe von wo anders hereinbringen. Da wäre es für die produzierende Industrie wichtig, Unterstützung und Planbarkeit zu haben. Wir reden da nicht von ein, zwei Jahren – oder einem Zyklus wie in der Automobilindustrie von zehn Jahren – unsere Produkte sind die nächsten 80 oder 100 Jahre verbaut. Wir bauen in ganz anderen Lebenszyklen.

Aigner-Haas: Ich kann alles bisher Gesagte nur unterstreichen. Das Wort Rahmenbedingungen ist jetzt öfter gefallen. Wenn ich Ziele festschreibe oder sie teilweise von europäischer Ebene vorgegeben bekomme, dann ist es einfach notwendig, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, die das Erfüllen dieser Ziele ermöglichen. Das ist in Österreich derzeit nicht gegeben, gerade was das Thema Sanierung anbelangt. Ein weiterer Wunsch, aber nicht nur an die Regierung, sondern auch an die Medienlandschaft: Ich habe das Gefühl, dass gerade im letzten Jahr das Thema Bauen an sich extrem negativ besetzt ist. Was geht durch die Medien? Zweitwohnsitze, Flächenversiegelung, das Einfamilienhaus, das von der Infrastruktur her für die Gemeinden nicht mehr leistbar ist. Was in den Medien kursiert, ist negativ für die Bauwirtschaft. Aber die Bauwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Österreich und sollte das auch in Zukunft bleiben, muss sie auch, sonst haben wir ein Problem. Wir müssen alle gemeinsam daran arbeiten, dass das Thema Bauen wieder positiver besetzt ist – gerade im Hinblick darauf, dass die Bauwirtschaft die Energiewende mitträgt, dass sie zur Klimaneutralität positiv beitragen kann, was auch mit Zahlen belegbar ist. Das gehört wieder mehr in den Vordergrund gerückt.

Giffinger: Noch ein Satz zur Ergänzung: Wir haben eine Reihe von Produkten, wo der Fußabdruck innerhalb von drei Monaten nach Einbau schon wieder kompensiert ist.

Bergsmann: Ich würde mir für die Bauindustrie wünschen, dass Anreize und Förderungen für die Kreislaufwirtschaft geschaffen werden. Das ist ein essenzieller Punkt für die Bewältigung der Klimakrise und würde uns auch auf der Materialseite ein bisschen Entspannung bringen. Sie haben die Platten angesprochen, Betonrecycling, Plastikrohre – da ist sicherlich vieles möglich. Zweitens: Bei den Rahmenbedingungen würde ich mir strukturelle Änderungen wünschen statt immer nur Symptome zu bekämpfen. Beispiel: Anreize im Mietrechtsgesetz wären dringend notwendig statt Gutscheine, die man durch die Gegend schickt. Das dritte ist die Lohnnebenkostensenkung, weil auch die mithelfen würde, die Bauwirtschaft wieder attraktiver zu machen.

Aigner-Haas: Der Wunsch nach einer Lohnnebenkostensenkung ist schon so alt, dass ich schon ganz vergessen habe, diese zu erwähnen.

Bergsmann: Aber jetzt lebt die Chance …

Letzter Aufreger in der Bauindustrie war der Sager von Frau Gewessler, wonach bei Gasengpässen Haushalte zuerst versorgt werden, jedenfalls vor der Industrie. Ist das eine Kampfansage an die Industrie und wie kann man gegensteuern?

Bergsmann: Völlig verkehrt aus meiner Sicht.

Wetschnig: Auch Sicht eines Vertreters einer Industrie würde es eine dramatische Entwicklung nehmen, wenn die Industrie zum Erliegen kommt, die Auswirkungen in der Kette undenkbar. Die ganze Folgewirkung …

Giffinger: … wäre fatal. Wir reden da natürlich über eine Notfall- oder Krisensituation, die sich keiner wünscht. Aber ich weiß nicht, was passiert, wenn das Gas ausfällt. Wir sind extrem davon abhängig und ich habe schon die Hoffnung, dass die Botschaft angekommen ist. Ich habe in gewissem Maße Verständnis dafür, dass die Gas Connect ihre Pläne nicht offenlegt, aber andere Länder machen das proaktiv und besser. Die große Gefahr ist – Sie haben es angesprochen – wenn große Industrien stehen, dann steht die Lieferkette, dann können keine Gebäude fertiggestellt werden. Die Auswirkungen wären fatal. Ich werde mich hüten der Politik einen Ratschlag zu erteilen. Aber wir sollten das Thema wirklich ernst nehmen, Maßnahmen festlegen und langfristige Pläne machen. Man kann das Thema nicht der Industrie überlassen. Ich sehe mich nicht in der Verpflichtung, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, welchen Energieträger ich in 15 Jahren bekommen werde. Da brauchen wir eine sehr fundierte Planung. Was meine ich damit? Wenn wir als Saint Gobain sagen, wir wollen 2050 CO2-neutral sein, dann haben wir Zwischenziele, dann wollen wir 2030 33 Prozent Reduktion erreichen, dann habe ich eine Road Map, wie ich dort hin komme. Und ich glaube, wir brauchen auch in Österreich eine Road Map, wie die Energieversorgung sichergestellt werden kann, um den Unternehmen eine gewisse Planungssicherheit zu geben. Ich würde es als große Gefahr sehen, wenn wir solche Unsicherheiten zulassen – das ist investitionsfeindlich für die Industrie in Österreich. Wir brauchen Sicherheit für einen stabilen Standort – der Österreich ja zweifellos ist – der es auch der Industrie ermöglicht, hier zu produzieren und in die Zukunft blicken zu können.  

Wetschnig: Was mir auffällt: Die Reduktion der Abhängigkeit von Gas aus Russland hat in Deutschland eine gewaltige Dynamik ausgelöst. Die tun einfach mehr. Wo es normalerweise mehrere Jahre dauert, wurde für ein Projekt innerhalb von Monaten eine UVP durchgezogen. Da merkt man, da ist die Politik dahinter, dass etwas passiert. Von dieser Dynamik spüre ich in Österreich, außer dass wir nahezu jede Woche einen neuen Minister haben, nichts.

Giffinger: Das entscheidende ist tatsächlich, dass man dort, wo man die Möglichkeiten und die Technik hat, so rasch wie möglich raus aus dem Gas geht – und das ist der Hochbau, schon seit 15 Jahren. Ich denke, dass wir im Hochbau mit entsprechender Sanierung kein Gas brauchen. In der Industrie ist das nicht so einfach. Da sind wir viel zu weit davon entfernt. Da brauchen wir  noch sehr viel Innovation und es braucht auch noch viel Geld, dort hin zu kommen. Mit ein bisschen Photovoltaik und Wasserstoff ist es da nicht getan.

Bergsmann: Noch eine Ergänzung: Wenn wir über die Industrie im Zusammenhang mit der Gasabhängigkeit sprechen, betrifft das nicht nur die Großindustrie, sondern es sind genauso die KMUs, die Gas brauchen. In Österreich sind das 7.500 bis 8.000 Betriebe, die von Gas abhängig sind. Das ist nicht allein das Thema der Großindustrie.

Giffinger: Wir haben thermische Prozesse, wo es keinen Sinn macht, Strom in Wärme umzuwandeln, das ist nicht energieeffizient. Und es macht auch keinen Sinn, in einem Gaskraftwerk Wärme in Strom umzuwandeln. Das sind die ineffizientesten Prozesse. Vielmehr wäre es sinnvoll, die Technologien dort anzuwenden, wo man sie gut einsetzen kann.

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