Atara Lichtdesign a3bau
Als zentrales Element nützt die Künstlerin Heike Stuckstedde Lichtleiter, die sowohl Sonnenlicht als auch LED als Hybrid-Technik nutzen
© Atara Design

In neuem Licht betrachtet

Die vielfältigen Möglichkeiten, den Raum durch Beleuchtung hervorzuheben, zu akzentuieren oder perfekt zu beleuchten, sind ein wichtiger Faktor im Designprozess. Innovationen – sowohl in energietechnischer als auch ästhetischer Hinsicht – sorgen dafür, dass die Möglichkeiten wachsen, erklärt Lichtarchitektin Heike Stuckstedde.

Licht ist einer der Hauptkomponenten der Architektur. Zeugnis dieses Bewusstseins sind mehr und mehr Universitätslehrgänge und -seminare, die Grundkenntnisse über die physikalischen Grundlagen des Lichts sowie die Bedeutung psychologischer und physiologischer Einflüsse seiner Wahrnehmung vermitteln. Darüber hinaus erfordern komplexe Lichtarchitekturen vermehrt Grundregeln einer sinnvollen Lichtplanung. Innovationen – sowohl in energietechnischer als auch ästhetischer Hinsicht – sorgen dafür, dass die Möglichkeiten wachsen. Lichtarchitektin Heike Stuckstedde versteht es, diese Möglichkeiten zu nutzen. Es scheint im buchstäblichen Sinn so, als würden ihre skulpturalen Gebilde mit dem Betrachter sprechen, meist nicht laut, sondern flüsternd.

Heike Stuckstedde
Lichtarchitektin Heike Stuckstedde

Die Objekte kommunizieren raumgreifend und halten diese Konversation meist subtil. Dass sie dies leisten, ist einerseits der Physik und andererseits dem ästhetischen Verständnis der Künstlerin geschuldet. Buchstäblich lässt sich dadurch der Raum in neuem Licht betrachten, denn das Thema Atmosphäre ist für Heike Stuckstedde zentral.

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Als zentrales Element nützt die Künstlerin Lichtleiter, die sowohl Sonnenlicht als auch LED als Hybrid-Technik nutzen


Sie arbeitet an der Schnittstelle von Kunst, Architektur und Design und entwirft unter dem Markennamen Atara ausschließlich Unikate: „Als zentrales Element verwende ich Lichtleiter, die sowohl Sonnenlicht als auch LED als Hybrid-Technik nutzen, um eine charismatische Atmosphäre im Raum zu schaffen und dabei Energie zu sparen. Die Lichtleiter sind mit einer Fülle an Materialien zu Unikaten verbunden und können alle erdenklichen Formen schaffen.“ Dieses stilistische Repertoire ist der Phantasie und der ausgeprägten Reisetätigkeit der in Wien lebenden Deutschen zu verdanken.
Ein kulturhistorischer Reichtum hallt in den polymorphen Objekten wider, manchmal sind es archaische Formen, manchmal ethnologische Konnotationen. Dabei könnten die zur Anwendung kommenden Materialien kaum unterschiedlicher sein.

Luzide Materialien

Stuckstedde hat für das Objekt Light\Trace No. 1 die Lichtleiter in handgeschöpfte Strohseide eingebettet. Diese aus der Rinde des Maulbeerbaums gewonnene Strohseide ist ausgesprochen fein und weich. Mit bloß 25 Gramm pro m² ist die Leichtigkeit offenbar. Gewonnen wird dieses luzide Material durch das Schälen der Baumrinde. Diese wird gekocht, geschlagen, gewalkt und dann ausgestrichen sowie mehr und mehr mit Wasser verdünnt. Aus dieser breiigen Konsistenz gewinnt man die Papierbögen. „Das qualitative Merkmal eines handgeschöpften Papiers sind die Fasern“, erklärt Stuckstedde Details. „Strohseide ist sicherlich primär in Innen­räumen anwendbar. Doch auch hier kann ich das Material verstärken und die Oberfläche mit Firnis versehen. So ist sie besser vor Staub und Feuchtigkeit geschützt. Darauf ist außerdem Palladium aufgetragen. Damit gewinnt das grundsätzlich dünne Objekt an Körper und somit Tiefe.“

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Für das Objekt Light/Trace No. 1 hat die Lichtplanerin Stuckstedde die Lichtleiter in handgeschöpfte Strohseide eingebettet

Besonderes Geschick ist beim Arrangement der Lichtleiter nötig. Schließlich liegen die Lichtleiter bei diesem Unikat geschichtet über- und nebeneinander. Selbst eine periphere Intervention hat Konsequenzen für das Ganze. Der Arbeitsaufwand bei dieser Lichtinstallation wie auch bei anderen war dementsprechend enorm. „Ich habe diese Lichtinstallation außerdem in eine Vertiefung in der Wand gesetzt. Dadurch erziele ich einen wunderbaren Effekt durch die Schattenfuge. Wo die Lichtleiter über den Rand laufen, entstehen magische Lichtreflexe, die lebendig sind“, beschreibt die Lichtarchitek­tin anschaulich, welche Details ein markantes Mehr an Originalität schafft. „Darüber hinaus schütze ich die Rückseite des Objekts mit einer Polycarbonat-Platte. Die gewonnene Stabilität nimmt nichts vom schwebenden Charakter des Objekts, verstärkt jedoch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Verletzungen der Oberfläche.“

Licht & Wärme

So lichtintensiv diese Installationen auch sind, so wenig ändern sie an der Raumtemperatur. Die Lichtleiter machen genau dies, sie leiten Licht, Wärme transportieren sie jedoch keine. Ein spürbarer Vorteil auf der Haut, aber auch im Portemonnaie und beim Carbon footprint, denn zusätzliche Kühlung bei sommerlicher Überhitzung fällt dadurch weg. „Die Energiekosten können im Einzelfall halbiert werden“, betont Stuckstedde. Gespeist werden die Lichtleiter entweder über das Sonnenlicht mittels Suntrackern im Freien, die das Licht über Fresnellinsen – also großflächige Stufenlinsen aus Kunststoff – in den Innenraum leiten. Neigt sich der Tag zu Ende, kommt die Stunde der LED-Technik. Die Suntracker haben eine maximale Kabellänge von 150 Metern und erzeugen einen Licht-Output von bis zu 5.400 Lumen. Dieses Hybrid reguliert automatisch, welche Lichtquelle gerade zu nutzen ist. Die Atmosphäre des Sonnenlichts in den Objekten, das von gleißend Weiß bis Orange-Rot reicht, ist atemberaubend.

Bei einer Anwendung im Freien ist eine Ummantelung der Lichtleiter nötig, da der direkte Einfluss des UV-Lichts kontraproduktiv ist, eine gelbstichige Lichtatmosphäre wäre die Folge. Doch die Ummantelung bewahrt nicht nur davor, sie leistet auch höhere Homogenität bei der Lichtabgabe. „Ich kann hier nicht so partiell arbeiten wie bei der Installation in Innenräumen, erhalte so aber eine optisch veränderte Wirkung, die ich bereits beim Entwurf einbeziehen muss“, erklärt die ungewöhnliche Lichtinstallateurin ein wesentliches Detail.

Für Light\Trace No. 8 durchzieht Perlon, verbunden mit schwarzen Kunststofffäden, ein kreisrundes Objekt. Es ist ein fast transparentes Material und verfügt über eine spannende Elastizität. Während es in eine Richtung biegsam ist, verhält es sich in die andere steif. „Mit diesen Qualitäten spiele ich, mache sie mir gestalterisch zunutze und schaffe so eine reizvolle Ambivalenz von Präsenz und Luftigkeit“, betont Stuckstedde die Facetten. „Es ergibt sich durch das Wechselspiel von externem Licht und den Perlonfäden ein Moiré-Effekt, wodurch die Ansicht sich immer wieder erneuert und das Objekt zum Leben erweckt wird.“ Das kreisrunde Objekt verfügt zwar über einen Durchmesser von 1,70 Meter, wiegt jedoch bloß acht Kilogramm. Es ruht verlässlich auf einem Standfuß. Stabilität bei gleichzeitiger Fragilität ist eine weitere Qualität der Atara-Installationen. Der Name bezieht sich übrigens auf die hebräische Sprache, wo das Wort „Krone“ bedeutet. „Mir ging es darum, dass die     »
Krönung der Architektur das Licht ist. Im Grunde macht das Licht die Architektur erst sichtbar“, verrät Stuckstedde.

Interventionen für lichte Momente

Mit dem beliebig skalierbaren Light\Trace No. 8 steht dem Kunstliebhaber aber auch ein markantes Objekt zur Raumgestaltung zur Verfügung, über eine reine Raumteilung hinaus schafft gerade diese ­Lichtinstallation
Intimität, Betonung oder auch Fülle, wo sonst Leere wäre. Schließlich lassen sich viele Objekte der Künstlerin ebenfalls abhängen. „Insbesondere im Bestand habe ich dadurch bei Modernisierung oder Sanierung die einmalige Chance, eine Intervention zu leisten, selbst wenn Decken nicht viel Spielraum bieten“, betont die versierte Innenarchitektin.

Dass ihre Arbeiten mit Preisen belohnt werden, überrascht nicht. 2017 erhielt sie beispielsweise den German Design Award für Light\Trace No. 2. Das Lichtobjekt mit seiner feinen Gewebestruktur wirkt wie ein organisches Gebilde aus der Natur. Bei dem Gewebe handelt sich um Garn, das in einer Gitterstruktur eine leicht psychedelische Wirkung auf den Betrachter ausübt, da Lichtleiter in zwei verschiedene Richtungen eingeflochten sind, und pendelt von körperlicher Fülle und schwebender Eleganz. Das Gewebe setzt sich aus Kohlefaser, Fiberglas, Zylon, Technoral und Basalt zusammen.

Auch im Außenbereich ist dieses Material einsetzbar, weil es durch Beschichtung an Festigkeit gewinnen kann. Materialkunde ist ein wichtiger Teil von Stucksteddes Arbeit, sie ist per se nicht abgeschlossen. Im Zentrum steht allerdings immer die Frage nach dem Licht. „Licht ist eine grundlegende Quelle des Lebens und verändert so viel an der Wahrnehmung der Räume und auch wie wir uns durch diese bewegen und darin fühlen,“ formuliert sie ihr Credo. „Es braucht in der Regel eine Grundbeleuchtung und Akzent­beleuchtungen, um sich wohl zu fühlen, offen zu sein und dem Auge letztlich etwas Faszinierendes zu bieten. Meine Lichtobjekte erzeugen als leuchtende Skulpturen eine atmo­sphärische Spannung im Raum.“

Eine besonders enigmatische Installation ist augenblicklich für den Frankfurter Flughafen geplant. Hier erarbeitet Stuckstedde innerhalb dieses Jahres für den Terminal 1 ein Licht­objekt, das zwei Ebenen kongenial miteinander verbindet, die sonst beziehungslos blieben. Die Passagiere entwickeln aufgrund ihrer eigenen Bewegung unterschiedliche Perspektiven auf den sonst statischen Raum, das Licht­objekt füllt diesen per se leeren Raum aus und schafft so Orientierung sowie Verbindung – ohne Licht tappt man eben im Dunkeln.

Mehr Informationen: www.atara-design.com