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Simulation als neuer Planungsstandard

Mit computerbasierten Simulationen können das Fluchtverhalten von Personen und der Verlauf eines Brandes realistisch dargestellt werden. Mithilfe von Daten zu Dichte, Temperatur oder Geschwindigkeit eines Brandes wird es möglich für jeden Punkt eines Gebäudes Aussagen über die Rauchgaskonzentration, den CO2-Gehalt in der Luft oder die thermische Belastung zu treffen. Der Einsatz dieser Ingenieurmethoden eröffnet neue Möglichkeiten, um die Brandschutzplanung perfekt an das jeweilige Projekt anzupassen und für den Bauherrn ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erzielen.

Die mit rund 3.600 Schüler/innen größte Schule Europas – die HTL in Mödling – wurde von 2012 bis 2014 erweitert und saniert. Um das Gebäude auf dem neuesten Stand der Technik zu halten, finden im Auftrag der BIG weiter Sanierungen und Evaluierungen statt – das betrifft auch die Fluchtwege. Hier hat der beauftragte Brandschutzplaner zuletzt zwei neue Treppenhäuser gefordert, weil er nach der OIB-Richtlinie 4 eine Überlastung der bestehenden Treppenhäuser festgestellt hat. „Da die jährlichen Räumungsübungen aber zeigen, dass das Gebäude innerhalb weniger Minuten evakuiert ist, sollten wir die Entfluchtung mit einer Simulation überprüfen“, erklärt Werner Hoyer-Weber, Geschäftsführer von Hoyer Brandschutz, die Ausgangslage.

Hoyer Brandschutz simulierte die Entfluchtung auf Basis der bestehenden Architektur und in einem zweiten Szenario mit zwei zusätzlichen Treppenhäusern. Zu den Parametern zählten die Gehgeschwindigkeiten in der Ebene bzw. treppauf-und abwärts, die Reaktionszeit oder die Schulterbreiten, die im Modell die Flächen pro Person definieren. Die Simulation zeigte, dass die einzelnen Geschoße und das gesamte Gebäude im bestehenden Zustand innerhalb eines sicheren Zeitraumes verlassen werden können und es nicht zu relevanten Staubildungen kommt. Fazit: Die zwei weiteren Treppenhäuser würden keinen wesentlichen Beitrag zur Entfluchtung leisten.

„Dieses Beispiel zeigt, dass das reine Richtlinienstudium in vielen Fällen nicht ausreicht“, so Hoyer-Weber. Deskriptive Methoden beinhalten in den Vorschriften immer wieder Sicherheitsfaktoren, während die Ingenieurmethoden ein wesentlich präziseres Abbild bringen. Hoyer-Weber: „Die Simulation hat uns bei der HTL Mödling die Nachweisführung ermöglicht, um die beiden angedachten Treppenhäuser entfallen zu lassen. Das hätte mit rein tabellarischen Nachweisverfahren nicht funktioniert.“

Der Gesetzgeber lasse auch Abweichungen von den Richtlinien zu, wenn die Schutzziele durch kompensierende Maßnahmen erreicht werden – in Brandschutzkonzepten sei das gängige Praxis, um für Bauherren die technisch und wirtschaftlich beste Lösung zu finden. „Dafür können wir den Nachweis deskriptiv erstellen oder unsere Argumente im 3D-Modell veranschaulichen. Fakt ist, dass Simulationen wissenschaftlicher und technisch sauberer sind“, so Hoyer-Weber. Während sich die Richtlinie im Fall der HTL Mödling auf die Gegenüberstellung von Personenzahlen und Fluchtwegsbreiten beschränkt, lieferte die Simulation die tatsächliche Entfluchtungszeit und zeigt zudem Bereiche mit Gefahr einer Staubildung auf.

Die Anwendung von Ingenieurmethoden ist nicht neu. Auch in der Statik ist man von den reinen tabellarischen Auswahlverfahren weggegangen. Im Brandschutz hat sich diese Art von Nachweis bisher aber noch nicht durchgesetzt, obwohl diese Methode viele Vorteile bringt, bedauert Hoyer-Weber, der als Mitglied im Verein zur Förderung von Ingenieurmethoden im Brandschutz (www.vib-brandschutz.de) das Thema voranzutreiben möchte.

Einer der Vorteile ist, dass in den Programmen ganz unterschiedliche Personengruppen simuliert werden können, was wesentlich für das Entfluchtungsverhalten ist. In einer Schule gibt es hauptsächlich jüngere Personen im Gegensatz zu einem Pflegeheim, wo der Hauptanteil mobilitätseingeschränkt ist. Es können auch Personen im Rollstuhl oder bettlägerige Personen, die transportiert werden müssen, simuliert werden.

Kosten versus Nutzen

„Es ist wichtig, dass wir in enger Zusammenarbeit mit der Behörde diesen Nachweis so plausibel und real wie möglich führen“, so Hoyer-Weber, was auch eine große Verantwortung bedeutet. Die Parameter, die in der Simulation eingegeben werden, sind verantwortungsvoll zu wählen. Mitunter fehle es beim Gegenüber aber an Kenntnissen, um auf dieser hohen technischen Ebene den Nachweis nachzuvollziehen. Hoyer-Weber: „Es passiert oft, dass wir Simulationen anregen, diese aber im Erstgespräch abgelehnt werden. Das liegt an technischen Hürden, an Ausbildungshürden etc.“

In Abstimmung mit der Behörde wird das Brandszenario definiert, festgelegt, an welcher Stelle ein Entstehungsbrand passieren könnte und wo das größte Risiko oder Gefahrenpotenzial, das man untersuchen möchte, vermutet wird. In mehreren Berechnungsdurchläufen wird anschließend das Brand- oder Fluchtverhalten ermittelt.

Die Simulation ist daher mit einem höheren Aufwand verbunden, als das beim beschreibenden Brandschutzkonzept der Fall ist, und wird dem Kunden daher nur vorgeschlagen, wenn komplexe Fragestellungen vorliegen oder sich kostenintensive bauliche Maßnahmen vermeiden lassen, so Hoyer-Weber: „Den höheren Kosten wird der erwartbare Nutzen gegenübergestellt. Bei der HTL hat sich das durch die Einsparung von zwei Treppenhäusern abbilden lassen.“

Was jedenfalls für die Simulationsmethode spricht, ist die zunehmend komplexere Architektur. Während Richtlinien auf Standardwerten beruhen, erlaubt die Simulation eine punktgenaue Untersuchung. Das spielt vor allem beim Thema Rauchausbreitung eine Rolle, wenn sich bei komplexen Geometrien in atrienähnlichen Hallen oder Gebäudebereichen die Rauchausbreitung nicht mehr mit einfachen Handrechenformeln ausrechnen lässt. Daher werden hier gerne Simulationen eingesetzt. Sinnvoll ist der Einsatz auch im Bestand, um eine Nachweisführung für eine unter Umständen maßnahmen- und kostenschonendere Durchführung zu erbringen.

Ungeliebte Sprinkleranlagen?

In Österreich und generell in Europa ist von der Philosophie her der bauliche Brandschutz höher eingeschätzt und insbesondere in klassischen Nutzungen wie Büros und Wohnungen oder auch Bildungseinrichtungen beliebter als der anlagentechnische Brandschutz. Die Argumente, die beispielsweise gegen Sprinkleranlagen vorgebracht werden, sind: hohe Installationskosten, laufende Wartungskosten, Angst vor Wasserschäden. „Aus meiner Sicht unbegründet, aber in den Köpfen drinnen“, so Hoyer-Weber. Derzeit laufe bei Hoyer-Weber ein Vergleichsprojekt, um zu untersuchen, welche baulichen Maßnahmen man sich durch den Einsatz einer Sprinkleranlage ersparen kann und inwieweit dadurch ein wirtschaftlich besseres Ergebnis erzielt werden könne.

Den Sprinkleranlagen haftet zudem zu Unrecht ein schlechtes Image an. Spontanauslösungen von Sprinkleranlagen seien nicht bekannt, so Hoyer-Weber, und im Brandfall müsse man sich vor Augen führen, dass das Wasser, das durch den Sprinklerkopf den Entstehungsbrand bekämpft nur ein Bruchteil von dem Wasser sei, das die Feuerwehr in das Gebäude einbringt, wenn es zu einem größeren Brandereignis kommt. Mittlerweile gäbe es auch modernere Niederdruck- und Hochdrucknebellöschanlagen, die mit einem Bruchteil des Wassers der Sprinkleranlage auskommen, um das gleiche Löschergebnis zu erzielen.

Neue Herausforderungen

Laufend wird geforscht, um die Anlagen auf der einen Seite effizienter zu machen – also mit weniger Wasser das gleiche Löschergebnis zu erzielen – und sich auf der anderen auch hier den aktuellen Erfordernissen anzupassen, wie beispielsweise in der Lagerlogistik. Hoyer-Weber: „Wenn man sich heute ein automatisch beschicktes Regallager von großen Logistikunternehmen anschaut, finden sich keine Schächte oder Leerräume mehr, die wir früher für die Löschanlagen nutzen konnten, um ein entsprechendes Sprühbild entfalten zu können. Es wird immer kompakter gelagert und die Herausforderung ist, die Sprinkler so zu positionieren, dass wir ausreichend Löschwirksamkeit erreichen. Die Gefahr bestehe darin, dass sich der Entstehungsbrand dermaßen rasch und intensiv  ausbreite, dass die Sprinkleranlage diesen nicht mehr unter Kontrolle halten kann.

Bei Hoyer Brandschutz beschäftigt man sich auch mit den Herausforderungen, die mit dem Klimawandel zwangsläufig auf die Branche zukommen: Stichwort ökologische Baustoffe, Fassadenbegrünungen, aber auch der Trend zu Holz- und Holzmodulbau. Hoyer-Weber: „An sich ist der Baustoff Holz im Brandfall genial, weil er berechenbar ist. Ansonsten stehen uns auch hier die anlagentechnischen Maßnahmen zur Verfügung.“ Man müsse aber dazu sagen, dass die vertikalen Fluchtwege, sprich die Treppenhäuser, standardmäßig massiv, nicht brennbar gebaut werden. Das mache auch Sinn. Holztreppenhäuser seien ein Gefahrenpotenzial. Eine Riesen-Thema für den Brandschutz liege in der zunehmenden Elektromobilität z.B. beim Löschen von in Brand geratenen Lithium-Ionen-Akkus, so Hoyer-Weber: „Machbar ist prinzipiell alles, aber wir müssen uns im Brandschutz auf die sich laufend ändernden Rahmenbedingungen einstellen.“