Mann auf Fahrrad
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Tik Tak Tokenisierung

Der Token ist ein Transportmedium von Rechten und Pflichten. Im Interview erklärt Alexander Rapatz, Founding & Managing Partner, welchen Nutzen Tokenisierung in der Immobilienbranche bringen kann.

a3BAU: Der Begriff Tokenisierung taucht immer wieder im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen und der fortschreitenden Digitalisierung auf, ist aber ein noch recht neues Thema. Können Sie kurz mit einfachen Worten erklären, was sich hinter dem Begriff Tokenisierung verbirgt?

Alexander Rapatz: Der Token ist im Wesentlichen ein Transportmedium von Rechten und Pflichten. Was früher auf einem Blatt Papier festgeschrieben wurde, ein Eigentumsvertrag, Aktien oder sonstige Rechte an einem anderen Objekt, können wir jetzt auf der Blockchain verbriefen und im Token hinterlegen. Warum stellt dies nun eine Innovation dar? Auf der Blockchain ist es erst mal möglich, nicht nur digitale Kopien, sondern auch Originale zu transportieren. Was meine ich damit? Wenn ich Ihnen heute eine E-Mail mit einem Dokument im Anhang schicke, ist das Dokument eine digitale Kopie.  Schicke ich Ihnen aber etwas über die Blockchain – einen Bitcoin zum Beispiel – habe ich das Eigentum an diesem Bitcoin auf Sie übertragen und besitze ihn nicht mehr. Ich kann also Vermögenswerte tatsächlich von A zu B übertragen und nicht nur digitale Kopien. Wenn ich also Rechte und Pflichten auf der Blockchain in einem Token verbriefe – und das kann ein Eigentumsrecht an einer Immobilie sein oder ein Partizipationsschein, ein Genussrecht, was auch immer – kann ich das auch rechtmäßig übertragen.

Imagebild Immobilien

Das heißt der Wert einer Immobilie kann beispielsweise in beliebig kleine Teile geteilt werden und diese Teile sind Token?

Ja, korrekt. Dies ist insbesondere für Kleinanleger spannend. Viele können sich eine Investition in eine Immobilie (Haus, Wohnung) nicht leisten, aber Sie können ihr Portfolio dennoch diversifizieren, in dem sie sich zum Beispiel in ein paar Quadratmeter einer Immobilie über Immobilien-Token einkaufen und daran partizipieren. Dies eröffnet somit Kleinanlegern ganz neue Möglichkeiten. Bei unserem ersten Projekt im Jahr 2019 in Berlin konnten Kleinanleger ab 500 Euro in die Projektentwickler-Rolle schlüpfen und als Eigenkapital-Investoren an der Wertsteigerung des Immobilienprojekts von der grünen Wiese bis zum Verkauf der Eigentumswohnungen teilhaben.

Oft wird im Zusammenhang mit Tokenisierung von Crowdfunding gesprochen, wo liegen die Unterschiede?

Das kommt ein bisschen auf die Ausgestaltung an. Wenn ich hauptsächlich Kleinanleger ansprechen will, kann ich die Emission als Crowdfunding strukturieren. Crowdfunding bedeutet ja nur, dass ich eine größere Investoren-Anzahl für ein Projekt möchte. Bei den meisten Crowdfunding-Projekten handelt es sich in der Regel um Nachrangdarlehen. Durch die Tokenisierung kann man auch andere Eigenkapital-Instrumente begeben, eben Genussrechte oder sonstige Partizipationsrechte. Hierdurch erwirtschaftet der Investor nicht nur eine fixe Rendite, sondern kann auch die Wertsteigerungen im Markt mitnehmen. Zudem erfolgt die komplette Transaktions-Abwicklung auf der Blockchain. Darüber hinaus kann man auch Trading auf Sekundärmärkten anbieten, was die Token somit auch während der Laufzeit handelbar macht. Das geht bei Crowdfunding in der Regel nicht, da ist mein Investment in einer Immobilie drei, vier, fünf Jahre geblockt.

Derzeit stockt der Wohnbau – ist die Tokenisierung eine Alternative für die Immobilienfinanzierung?

Ja, durchaus. Wir haben genau genommen zwei Zielgruppen zu betrachten. Die eine ist der Investor, der kleinteilig Eigentumsrechte erwerben kann. Auf der anderen Seite sind die Projekt-Entwickler, die dadurch Ihr Eigenkapital stärken können. Eine Zeitlang ging es bei unseren Projekten rein um Eigenkapital, jetzt werden Fremdkapital-Emissionen auch wieder interessanter, weil die Zinsen gestiegen sind. Das war bis vor ein paar Jahren, als wir angefangen haben, nicht so spannend, weil die Banken noch günstige Finanzierungen angeboten haben. Jetzt ist das wieder  vor allem für uns um einiges spannender und je nach Ausgestaltung kann ich mir in der Bilanz über eine Tokenisierung auch Eigenkapital holen und dies mit Fremdkapital weiter hebeln.

Sie haben gesagt, als Investor kann man an der Wertsteigerung des Projekts mitpartizipieren – was genau meinen Sie damit?

Die meisten Projekte, die wir gemacht haben und die wir auch sonst am Markt sehen, sind als tokenisierte Genussrechte strukturiert, weil direktes Eigentum über den Token im Grundbuch noch nicht eintragen werden kann.  Bei einem Genussrecht partizipiert der Investor am Gewinn oder an sonstigen Erträgen der Gesellschaft mit. Als Beispiel: ein Haus wird gebaut, die Wohnungen anschließend verkauft und die Wertsteigerung, die am Quadratmeter dadurch generiert wird, nimmt der Investor mit – nicht wie bei den meisten Crowdfunding-Projekten, wo man eine fixe Rendite bekommt. Natürlich ist sowas mit mehr Risiko verbunden, weil der Markt auch nach unten gehen kann. Aber man kann als Investor mehr in diese Entwicklerrolle hineinschlüpfen. Wenn man in ein Bestandsgebäude investiert, kann man auch langfristig an den Mieteinnahmen partizipieren, das heißt ich bekomme auf meine investierten Quadratmeter  monatlichen Ausschüttungen.

Wie Sie gesagt haben, kann man die Token nicht im Grundbuch eintragen. Wie funktioniert dann die grundbücherliche Sicherstellung?

In der Regel gibt es eine Zweckgesellschaft für die Projekte. Man kann dann bei der Token-Ausgestaltung schon auch die Rechte im Lastenblatt eintragen, wenn es z.B. ein Fremdkapital-Produkt ist. Alternativ könnte es auch über einen im Grundbuch eingetragenen Treuhänder aufsetzen. Aber ab einem gewissen Punkt muss man sich auch fragen, wie viel Sinn das macht. Man möchte ja mit der Tokenisierung auch Kosten sparen. Die derzeit am Markt sehr geläufigen Genussrechte sind eine schöne Lösung, weil ich wirtschaftlich wie ein Eigentümer gestellt, nur nicht im Grundbuch besichert bin. Für Kleinanleger ist die Besicherung in der Regel weniger wichtig als für professionelle Investoren.

Können Sie die Rechte und Pflichten kurz skizzieren?

Im Prinzip sind diese frei ausgestaltbar. Ich kann Stimmrechte und sonstige Mitbestimmungsrechte, theoretisch auch eine Nachschusspflicht, auf Gesellschaftsebene einräumen. Aber bei den meisten Projekten am Markt, geht es nur um wirtschaftliche Rechte am Profit, am Umsatz, an den Mieteinnahmen, etc., aber keine Pflichten der Investoren. Bei unserem ersten Projekt in Berlin haben wir jedoch „Goodies“ ausgegeben. Wenn jemand beispielsweise zumindest 25.000 Euro investiert hat, bekam er ein Vorkaufsrecht auf die Wohnung, die gebaut wurde. Man kann hier ruhig auch kreativ sein im Marketing.

Was kostet die Tokenisierung?

Wir haben hier mehrere Kostenstränge. Einerseits wird eine rechtliche Dokumentation benötigt, diese fällt immer unterschiedlich aus, je nachdem welchen Investorentyp angesprochen werden soll. Für Kleinanleger benötige ich andere Angebots-Dokumente (im aufsichtsrechtlichen Sinn) als für professionelle Investoren. Diese Kosten hat man aber bei jeder Emission. Und dann gibt es natürlich auch technische Kosten. Da kommt es darauf an, welche Technologie man verwendet. Zum Beispiel, ob man irgendwelche Schnittstellen zu anderen Dienstleistern, wie Banken, Vermögensverwalter, etc. benötigt. Die Kosten können zwischen 10.000 und 30.000 Euro liegen, je nach Komplexität. Dafür bekommt man aber schon seine eigene Stand-Alone-Investmentplattform mit allen Prozessen. Das heißt der komplette Investoren Onboarding-Prozess von Identifikation bis zu den Geldwäsche-Prüfungen, die komplette Transaktionsabwicklung inklusive Zahlung erfolgt dann über diese Plattform. Den Emittenten bieten wir eine Komplettlösung an.

Das heißt die Kosten hängen nicht von der Projektgröße ab?

Nein, die Fixkosten nicht. Wir versuchen daher auch keine Projekte unter fünf Millionen Euro zu machen, weil man einfach gewisse Basiskosten hat. Es gibt aber auch variable Kosten, wie Platzierungs-Kosten, die nur im Falle einer erfolgreichen Platzierung anfallen, sofern der Kunde Unterstützung im Vertrieb wünscht.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Black Manta?

Wir sind relativ klein, was die Mitarbeiteranzahl betrifft. Es sind um die zehn Leute, weltweit verstreut, aber wir holen uns je nach Projekt Berater aus unserem Netzwerk dazu – etwa bei einem Fischfarmprojekt in Namibia oder bei Gold-Tokenisierung in Australien. Wir fokussieren uns dann auf die kapitalmarktrechtliche Seite und holen uns für die einzelnen Asset Klassen Experten dazu. Über die digitale Abwicklung können wir sehr viel hebeln und brauchen nicht so viel Manpower. Auf der anderen Seite haben wir aber auch nicht den Anspruch, 100 Projekte im Jahr zu machen. Wir machen ein Dutzend Projekte pro Jahr, diese jedoch mit vollem Einsatz und einem hohen Qualitätsanspruch.

Wie finanziert sich ein Tokenisierer – über den Emittenten oder den Anleger?

Anleger zahlen nichts. Wir arbeiten mit den Emittenten in der Platzierung.  

Was ist aus Ihrer Sicht für den Emittenten das ausschlaggebende Argument, in die Tokenisierung zu gehen und nicht eine herkömmliche Emission zu begeben?

Die ersten Emittenten vor vier, fünf Jahren waren vor allem an der Technik an sich interessiert, wollten mit der Tokenisierung einfach etwas Neues ausprobieren. Mittlerweile sind wir an einem Punkt, wo die Leute schon die Vorteile in der Transaktionsabwicklung erkennen, wo man sich einfach sehr viel Zeit spart, wenn man alles quasi zentralisiert dezentral hat. Viele Emittenten nutzen die Tokenisierung auch für Marketing-Zwecke, insbesondere bei B2C Unternehmen.

Das heißt aus der Ecke „Das ist was Unbekanntes und da werden viele ihr Geld verlieren“ ist man raus?

Mit dem herkömmlichen Kryptomarkt, auf den Sie anspielen, hat Tokenisierung gar nichts zu tun, außer die kryptographisch-verschlüsselte Blockchain-Technologie. Es ist immer das reale Asset, wie z.B. die Immobilie, die hinter einem Token steht. Also wir bauen nicht etwas, das aus Luft oder ein paar Codeschnipsel besteht – sondern es ist eine neue Form der Immobilien-Transaktionsabwicklung.

Beschäftigt sich Black Manta auch mit Bestandsobjekten?

Wir haben auch Bestandshalter, die über die Tokenisierung eine Refinanzierung machen, zum Beispiel Einkaufszentren oder Hotelprojekte. Es muss also nicht immer die Entwicklung neuer Projekte sein, es können auch Bestandsobjekte sein oder natürlich auch hinten raus im Abverkauf. Wenn der Bestandshalter, der 100 Prozent der Liegenschaft besitzt, neuen Cashflow braucht und X Prozent über eine Tokenisierung verkaufen möchte, können wir ihn dabei unterstützen. Eine Tokenisierung ist also in jeder Phase im Leben einer Immobilie möglich.

Wie groß ist das Interesse an Tokenisierung im österreichischen Markt?

Die Projekte sind an einer Hand abzählbar. Wir als Black Manta waren eine der ersten Tokenisierungsplattform in Europa überhaupt und sind sehr international ausgerichtet. Wir machen - auf Immobilien bezogen - gerade zwei Projekte in Indien, eines in den USA, und eines in Luxemburg, weitere sind in der Pipeline. Es gibt Interesse und wir haben in Österreich auch schon Projekte gemacht, aber es könnte natürlich immer gerne mehr sein.

BEGRIFFE rund um Tokenisierung

Tokenisierung

Tokenisierung ist der Prozess, bei dem reale Vermögenswerte oder Rechte in digitale Tokens umgewandelt werden. Diese Tokens werden dann auf einer Blockchain gespeichert und gehandelt. Die Tokenisierung ermöglicht es, traditionelle Vermögenswerte in digitale Form zu bringen, was verschiedene Vorteile mit sich bringt, wie eine erhöhte Liquidität, niedrigere Transaktionskosten und eine schnellere Abwicklung von Transaktionen.

Blockchain

Die Blockchain speichert Informationen in Blöcken und verknüpft diese Blöcke miteinander. Jeder Block enthält neben den Informationen einen speziellen Code, der ihn eindeutig identifiziert. Wenn ein neuer Block von Nodes hinzugefügt wird, wird er mit dem vorherigen Block durch Hashing (Verkettung) verknüpft. Das bedeutet, dass, wenn jemand versucht, einen Block zu ändern, alle nachfolgenden Blöcke ebenfalls geändert werden müssten, was praktisch unmöglich ist.

Hash

Ein Hash ist wie ein digitaler Fingerabdruck des Blocks - er ist einzigartig und wird durch eine mathematische Funktion aus den Daten des Blocks generiert. Jeder Block enthält auch den Hash des vorherigen Blocks. Dadurch entsteht eine Kette von Blöcken, daher der Name "Blockchain".

Nodes

Nodes (Knoten) sind Computer oder Server, die eine Kopie der gesamten Blockchain speichern und dazu beitragen, das Netzwerk zu betreiben, Transaktionen zu verarbeiten und die Integrität der Blockchain zu gewährleisten.

Der Tokenisierer

Mag. Alexander Rapatz ist Mitbegründer und Managing Partner von Black Manta Capital Partners. Als Rechts- und Finanzexperte bringt er mehr als fünfzehn Jahre Berufserfahrung in führenden Anwalts- und Risikokapitalgesellschaften mit. Zu seinen Fachgebieten gehören die rechtliche Strukturierung von Anlageprodukten, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sowie die Unternehmens- und Projektfinanzierung. Darüber hinaus ist er Vorstandsmitglied des European Super Angels Club, Dozent am Business Angel Institute und unabhängiger Expertenberater für das Horizon Europe Programm der Europäischen Kommission.

Black Manta Capital Partners (BMCP) ist eine Next Generation Investment Bank, die sich auf digitale und tokenisierte Vermögenswerte konzentriert und eine regulierte Investitionsplattform für Emissionen im europäischen Kapitalmarkt betreibt. Als Full-Service-Anbieter für alle technischen, finanziellen und rechtlichen Aspekte der Tokenisierung bietet BMCP auch traditionelle Investmentbankdienstleistungen wie Börsennotierung, Strukturierung und Platzierung an. BMCP wurde 2018 in Luxemburg gegründet und betreibt die BMCP GmbH in München als BaFin reguliertes Wertpapierinstitut. Neben München ist BMCP auch in Wien, Luxemburg, Cork und Shanghai tätig.