Entsetzte Frau unleistbares Wohnen
Wohnen wird immer teurer
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Unleistbares Wohnen

Die starke Wohnungsnachfrage und die dadurch überdurchschnittlich hohe Neubauleistung führten zu einem starken Anstieg der Baukonjunktur und dadurch zu einem ungewöhnlich raschen Baukostenanstieg. Die Kombination mit stark steigenden Grundkosten macht den leistbaren Wohnbau zu einer Herausforderung. Vor allem in den Ballungsräumen sind halbwegs günstige Wohnungen daher ein rares Gut geworden.

Seit Jahren brandet die Diskussion über „leistbares Wohnen“ hin und her, so stark wie derzeit ist sie allerdings noch nie hochgeschwappt. Häufig ist die Diskussion auch ideologisch besetzt, besonders in Wien, wo die hohe Zahl von 220.000 Gemeindewohnungen allerdings für eine Alleinstellung in Europa sorgt. Viele Wohnbau-Beteiligte können „leistbares Wohnen“ schon nicht mehr hören, weil es über weite Strecken zum Schlagwort verkommen ist. Wenn aber bereits die Gemeinnützigen Wohnbauträger vor „Wohnungsnot“ warnen, dann ist ein sehr genauer Blick auf die aktuelle Situation angebracht.

Der von der Statistik Austria festgelegte Wert für leistbares Wohnen liegt bei 25 Prozent des Haushaltseinkommens, was gemessen am Medianeinkommen von knapp 2.000 Euro nicht wirklich viel ist, nämlich rund 500 Euro. Wobei 25 Prozent vielen Wohnenden nicht einmal mehr ein müdes Lächeln entlockt, denn sie leben bereits mit 35 Prozent Wohnkosten und darüber.

Fast gleichzeitig hat die Statistik Austria auch festgestellt, dass in den letzten zehn Jahren die Hauptmieten im nicht geförderten Wohnbau um 36,4 Prozent gestiegen sind. Mit anderen Worten: Von 7,70 Euro pro Quadratmeter auf 10,50 pro m², inklusive Betriebskosten, Energie und Instandhaltung.  Auf dem freien Wohnungsmarkt – wohlgemerkt.

Wohnen um 36,4 Prozent teurer

Der Durchschnittswert über alle Wohnformen gerechnet liegt bei 15,6 Prozent, denn auch das Wohnen in Genossenschaftswohnungen ist seit 2008 signifikant teurer geworden, nämlich um 25,4 Prozent, was die Quadratmeter-Belastung von 7,10 Euro auf 8,90 ansteigen ließ. In Gemeindewohnungen stieg die Quadratmeter-Belastung um 30 Prozent, von 6,70 Euro auf 8,70 Euro pro m² – und auch Wohnen in den eigenen vier Wänden wurde signifikant teurer: Im Hauseigentum um 15,4 Prozent auf drei Euro pro m², also nur ganz knapp unter dem Medianwert, im Wohnungseigentum aber gleich um 28,6 Prozent auf 5,40 Euro pro Quadratmeter.

Gleichsam als Draufgabe kommt noch dazu, dass einerseits die Wohnkosten regelmäßig stärker steigen als die allgemeine Preissteigerung und andererseits im Verbraucherpreis VPI nur unzureichend, nämlich unterrepräsentiert, abgebildet sind, wie Ökonomen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) eben festgestellt haben: Nur 0,18 Prozentpunkte hätten die Mieten zur Inflationsrate von 2,1 Prozent im Vorjahr beigetragen.

Allein bei den Gemeinnützigen warten derzeit baureife Projekte für mehr als 1.500 Wohnungen auf „akzeptable Kostenangebote“, weil die zuletzt überdurchschnittlich stark gestiegenen Baupreise im Rahmen des geförderten Wohnbaus nicht mehr unterzubringen seien, wie jüngst erst Karl Wurm, der Obmann des Dachverbandes der Gemeinnützigen erklärte: „Im Zusammenspiel mit den gestiegenen Anforderungen im energetisch-technischen Bereich hat der Anteil der Technikkomponenten an den Baukosten mittlerweise schon 20 Prozent erreicht. Die Erfüllung einer steigenden Zahl von Normen und Auflagen trägt ebenfalls zu Kostensteigerungen bei.“ Die Gemeinnützigen sehen derzeit – trotz 17.100 Wohnungsübergaben im Vorjahr und ähnlich vielen heuer –  aktuell eine Lücke von 7.000 Wohnungen.

„Wir brauchen eine Billigschiene“

Zwischen 2010 und Ende 2017 sind tatsächlich die Arbeiten im Gas- und Wasserbereich um 36 Prozent teurer geworden, die Heizungs- und Lüftungs-Installationen um 29 Prozent und Elektroinstallationen um 27 Prozent. Fazit Wurms: „Wir brauchen eine Billigschiene, bei der die Kunden wissen, was sie bekommen und was nicht. Es muss nicht überall die gleiche Qualität drinnen sein und die Bauordnungen sichern dennoch eine hohe Qualität“. Ähnlich sieht man das in Oberösterreich, wo man in Zukunft Billigstwohnungen forcieren will, wobei die Miete wahrscheinlich unter 270 Euro für 45 m² liegen wird. Überdies soll in den nächsten Monaten die Wohnbauförderung an das Baurecht angeglichen werden, sodass es kaum „Extra-Regelungen“, sprich OIB-Richtlinien, geben soll.

Grundpreise gehen durch die Decke

Ein zweiter Grund für die derzeitige Misere sind die Grundpreise, die nach einhelligen Experten-Feststellungen „durch die Decke gegangen“ sind. Für die Gemeinnützigen ist das insofern ein Riesenproblem, als sie beispielsweise in Wien nur 300 Euro Grundkosten in die mit 1.800 Euro gedeckelten Gesamtkosten hinein rechnen dürfen. Weshalb sie immer öfter auch in den frei finanzierten Wohnbau ausweichen, um solcherart eine Art Querfinanzierung zu schaffen. Was wiederum einen klassischen Zielkonflikt illustriert, sollten doch mit den OIB-Richtlinien eine Reihe von Qualitätskriterien garantiert werden, etwa das Verbot von Kunststofffenstern.

Mit der Neuregelung der Wiener Wohnbauförderung sollen sowohl die hohen Bau-, als auch die Grundstückskosten „reduziert“ werden: Die Obergrenze von 1.800 Euro, in der Praxis mit Zusätzen von rund 2.000 Euro, wird komplett gestrichen und dafür ein anderes Limit eingezogen: Die Mietzinsobergrenze darf in Zukunft 4,87 Euro pro Quadratmeter und Monat betragen, Bauträger, die mehr verlangen, bekommen keine Förderung mehr. Wie das in der Praxis wirken wird, muss sich erst erweisen. Und: Kunststofffenster sind erlaubt, frühere Umweltschutz-Bedenken gibt es keine mehr.

„Es braucht staatliche Eingriffe“

Einen anderen Weg will Ruth Becher gehen, die Wohnbausprecherin der SPÖ. Sie meint etwa, dass es staatliche Eingriffe gegen die spekulationsgetriebene Preisexplosion beim Wohnen brauche und denkt auch über ein Spekulationsverbot für Bauland nach schweizerischem und dänischem Muster nach. Ein ganz anderer Lösungsweg ist das Bauen auf Baurechtsgründen. Auch das Horten von Bauland zu verteuern könnte preismindernd wirken, wie Wolfgang Amann meint.

„Und s’is alles nicht wahr, s’is alles nicht wahr“ ist man mit Karl Kaus versucht zu sagen, wenn über einen anhaltenden Fehlbestand günstiger Wohnungen berichtet wird: Laut AK Wien gehe aus einer „Studie“, die aus 89 Experten-Befragungen besteht, nämlich hervor, „dass allein auf den vorhandenen Grundstücken der Gemeinde- und Genossenschaftsbauten rund 2.000 Wohnungen mehr pro Jahr gebaut werden könnten“, womit vermutlich eine Verdichtung gemeint ist. Weiteres Potenzial für rund 23.000 neue Wohnungen sieht die AK „in den privaten Gründerzeit-Altbauten“. Investoren haben das längst erkannt und nützen dieses Potenzial mit teilweise brachialen Methoden.

Der Problemkatalog der fehlenden günstigen Wohnungen ist damit allerdings noch längst nicht komplett: Etwa teilweise katastrophales Leerstands-Management, keine Mietanpassung nach längerer Mietdauer – ausgehend von ursprünglich Einkommens-angepassten Mieten, die nicht mit dem Einkommen mitgewachsen sind – teilweise völlig unverständliche Eintrittsrecht, usw.

Übrigens: Am 1. Jänner 2019 sollen erste Änderungen im bestehenden Mietrecht in Kraft treten, welche, ist noch offen. Bis zum Sommer wollen die Koalitionspartner die Details klären. Die wievielte Mietrechtsnovelle wird das dann eigentlich sein?