Baustellendokumentation
© AdobeStock

Baustellen-Dokumentation in Corona-Zeiten

Durch die staatlichen Zwangsmaßnahmen im Zuge von Covid-19 sind bei vielen Baustellen Störungen aufgetreten. Doch jeder noch so berechtigte Anspruch hilft dem Anspruchsteller nichts, wenn er ihn nicht beweisen kann, weil seine Dokumentation nicht ausreicht.

Durch die staatlichen Zwangsmaßnahmen im Zuge von COVID 19 sind bei vielen Baustellen Störungen der Leistungserbringung und Erschwernisse aufgetreten: Materialien konnten nicht oder nicht rechtzeitig angeliefert werden, Baustellenpersonal konnte nur unter erschwerten Bedingungen die Baustelle erreichen, der Bauablauf wurde gestört, weil die Arbeiter erhöhte Hygiene- und Abstandsvorschriften beachten müssen, Subunternehmer haben aus unterschiedlichen Gründen ihre Leistungen eingestellt, manche Baustellen wurden sowohl von AG als auch von AN eingestellt.

Covid-19 hat in verschiedenen Publikationen zu manchen juristischen Höhenflügen geführt, weil viele Juristen „Höhere Gewalt“ nur aus Lehrbüchern kennen und damit für unsere Breiten eher exotische Begriffe wie „Krieg“, „Terrorismus“ oder „Naturkatastrophen“ verbinden. Aber eine Epidemie, oder noch ärger eine „Pandemie“? Wer hat sich damit schon rechtlich ernsthaft auseinandergesetzt?

Störung der Leistungserbringung

Dennoch gilt der altbewährte Grundsatz: Keep it simple. Auch eine Pandemie kann – wie viele andere alltägliche Ursachen auch – zu einer Störung der Leistungserbringung führen. Für solche Behinderungen trifft sowohl das ABGB als auch die ÖNORM B 2110 ausreichende Risikozuordnungen. Im Rahmen dieses Beitrags soll weder auf Mehrkostenansprüche der ausführenden Unternehmen noch auf Pönale-Forderungen der Auftraggeber wegen Terminüberschreitungen eingegangen werden. Vielmehr soll in Erinnerung gerufen werden, dass jeder noch so berechtigte Anspruch dem Anspruchsteller nichts hilft, wenn er ihn nicht beweisen kann, weil seine Dokumentation nicht ausreicht.

Leider wird der Dokumentationspflicht auf der Baustelle noch immer nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Es ist nicht so, dass die Beteiligten nicht wissen, dass Dokumentation für den wirtschaftlichen Erfolg wichtig ist.

Mitunter wird in der Praxis zwischen Standarddokumentation und Nachtragsdokumentation unterschieden. Diese Unterscheidung ist nicht sinnvoll. Jede Baudokumentation muss das dokumentieren, was der Unternehmer benötigt, um seine berechtigten Ansprüche durchzusetzen. Das gleiche gilt natürlich für den Bauherrn. Jede Dokumentation muss das Bau-SOLL und das Bau-IST dokumentieren.

Damit ist gemeint, dass die Dokumentation bereits im Zeitpunkt der Kalkulation und des Vertragsabschlusses beginnt. Es ist zweckmäßig die Angebots- und später die Vertragskalkulation dem Bauherrn vor oder bei Vertragsabschluss offenzulegen, um spätere Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Wenn eine Vertragskalkulation nicht vorliegt oder nicht offengelegt wurde, bleibt im Prozess nichts anderes übrig, als die Kalkulation nachträglich anzufertigen. Der Werkunternehmer muss also beweisen, wie er seine Preise kalkuliert hat.

"Nachgeschnitzte" Kalkulationen häufig als unplausibel eingeschätzt

Die nachträglich angefertigte Vertragskalkulation unterliegt aber der richterlichen Beweiswürdigung. Die Praxis lehrt, dass Gerichte oder genauer gesagt vom Gericht bestellte Sachverständige „nachgeschnitzte“ Kalkulationen häufig als unplausibel abtun. Eine Offenlegung bei Vertragsabschluss vermeidet solche Diskussionen. Es kann nicht deutlich genug betont werden, wie wichtig die Dokumentation des Bau-SOLL in einer späteren Auseinandersetzung über Mehrkosten ist.

Nach Vertragsabschluss ist standardmäßig eine Baudokumentation anzufertigen. Über Art und Umfang der Dokumentation sind die vertraglichen Regelungen und gegebenenfalls die Regelungen der ÖNORM B 2110 zu beachten. Eine Baudokumentation muss

  • baubegleitend
  • vorgangsorientiert und damit auch störungsorientiert
  •  integrierend und
  • elektronisch

sein. Baubegleitend bedeutet, dass die Dokumentation laufend geführt werden muss. Nachträgliche Nachweise sind nur schwer zu führen. Vorgangsorientiert und damit auch störungsorientiert ist eine Dokumentation, wenn für jede einzelne Störung gesonderte Dokumentationen angelegt werden, die fortlaufend zu nummerieren und mit einer eigenen Bezeichnung zu versehen sind. Die integrierende Wirkung der Dokumentation ist dadurch zu erzielen, dass sich sämtliche Dokumente auf Vorgänge im SOLL-Terminplan und dessen Fortschreibung zu beziehen haben.

Elektronische Dokumentation absolutes Muss

Nur durch eine elektronische Dokumentation ist es möglich, die Dokumente gezielt nach Sachverhalten abzulegen und schnell wiederzufinden. Das reine Führen eines - wenn auch elektronischen - Bautagebuches oder das Schreiben von Behinderungsanzeigen reicht bei Weitem nicht aus, um die Erfordernisse einer gerichtsfesten Dokumentation zu erfüllen. Nur eine elektronische Dokumentation erlaubt es über die Dokumentennummer eine Verbindung zum Dokumentenmanagement sicherzustellen. Viele Anbieter stellen EDV-Lösungen zur Verfügung, die alle Dokumentationsmittel verknüpfen.

Es wäre schade, wenn – trotz klarer Rechtslage – die Durchsetzung von berechtigten Ansprüchen der Vertragsparteien an der Beweisfrage scheitert, und dann nicht selten ein fauler Kompromiss geschlossen werden muss. Die abwegige Illusion, dass es beim konkreten Bauvertrag schon zu keinen Streitigkeiten kommen wird, darf nicht zur Vernachlässigung der Dokumentation führen. Die ursprüngliche Euphorie ist bald vergessen, wenn sich für einen Vertragspartner unerwartete Kosten ergeben. Auch das alte Schlagwort „ein Mann, ein Wort“ gilt leider nicht mehr. Der berühmte Vertragsabschluss durch Handschlag ist in der heutigen Baupraxis leider zu vernachlässigen. Daher: Wer schreibt, der bleibt!