Merkmalserver
Es ist nicht so kompliziert, aber auch gar nicht so einfach. Was bisher geschah: Um dreidimensionale Gebäudemodelle mit Informationen und Parametern ausstatten und diese gemeinsam mit dem Modell zwischen verschiedenen Büros und Softwaresystemen austauschen zu können, ist eine Vereinheitlichung der Parameterstruktur erforderlich. Anders ausgedrückt: Alle im BIM-Gebäudemodell verwendeten Baumaterialien, Systeme, Anforderungen für den Einbau etc. sind standardisiert hinterlegt. Es geht um ein „einheitliches Inhaltsverzeichnis“, auf das alle am Prozess Beteiligten ihre individuellen und firmenspezifischen Inhalte „mappen“ können und somit die Voraussetzung geschaffen wird, in der digitalen Welt des Bauens miteinander eindeutig zu kommunizieren.
Dieser Standardisierung hat sich das Normungsinstitut „Austrian Standards“ (ASI) angenommen. „Unter dem Komitee 011 Hochbau wurde eine Arbeitsgruppe 09 eingerichtet, in der zahlreiche Vertreter des privaten und des öffentlichen Sektors vertreten sind. Diese Experten arbeiten an internationalen, europäischen und (ergänzend) nationalen Normen zu BIM“, erklärt Elisabeth Stampfl-Blaha, Managing Director ASI. Seit 2015 wird die für die Anwendung der BIM-Norm (ÖNORM A 6241-2 „Digitale Bauwerksdokumentation – Teil 2: Building Information Modeling – Level 3-iBIM“) notwendige und referenzierte Datenbank auf einem Server der Forschungsgruppe Datenbanken und Informationssysteme des Instituts für Informatik der Universität Innsbruck kostenlos zur Verfügung gestellt.
Einheitliche Parameterstruktur
Das ist der sogenannte ASI-Merkmalserver, der über eine einheitliche Parameterstruktur verfügt, die den Hochbau inzwischen weitgehend abdeckt und auch die Projektphasen berücksichtigt. Diese Parameterstruktur wird am ASI-Merkmalserver (db.freeBIM.at) veröffentlicht, der von der „freeBIM-Forschungsgruppe“ an der Uni Innsbruck gemeinsam mit dem ASI entwickelt wurde. Diese Parameterstruktur kann auch bereits für verschiedene Softwaresysteme wie REVIT, ArchiCAD etc. heruntergeladen werden. Die Nutzung ist kostenfrei und ermöglicht den Austausch von parametrisierten Gebäudemodellen, die in der Zielsoftware dann auch wieder eingelesen und verstanden werden können. Mit diesem Technologie-Fortschritt hat Österreich bislang ein Alleinstellungsmerkmal. Soweit zur Vorgeschichte.
Mit Ende März steht dieser ASI-Propertyserver unter der Open-Source-Lizenz „aGPL 3.0“ zwar wie bisher kostenfrei und nun auch zur uneingeschränkten Nutzung (keine Copyrights etc.) zur Verfügung. Die strukturellen Probleme des Merkmalservers sind aber weiterhin nicht gelöst, wie Stampfl-Blaha bestätigt: „Die kürzlich erfolgte Weiterentwicklung zu Open Source wurde grundsätzlich von der Branche begrüßt. Es gibt jedoch noch sehr unterschiedliche Meinungen der Branche darüber, welche Lösung für einen solchen Merkmalserver für die Branche in Zukunft tauglich ist.“
Wer hat die Hand auf dem Server?
Hinter den Kulissen spielt sich aktuell ein Kompetenzstreit ab, zwischen den bisherigen Betreibern des Servers, der Uni Innsbruck, und einer Initiative, hinter der die Österreichische Bautechnik Vereinigung (öbv) steht. Und dann gibt es noch Christoph M. Achammer (von der TU Wien und CEO von ATP architekten ingenieure), der im Herbst vergangenen Jahres mit einem industriefinanzierten Modell für den Merkmalserver aufhorchen ließ.
Allen diesen Konzepten liegt der Wunsch einer „öffentlichen digitalen Infrastruktur“ zugrunde, an deren Realisierung die öffentliche Hand aber offenbar weder Interesse noch Mittel hat, sagt Achammer.
Warum überhaupt nach den vielen Jahren, in denen am freeBIM-Server gearbeitet und weiterentwickelt wurde, über einen neuen Merkmalserver diskutiert wird, erklärt Otto Handle, Geschäftsführer von inndata, die als Projektpartner des freeBIM-Servers wesentlich an der Entwicklung beteiligt waren, so: „Vor rund einem halben Jahr haben Diskussionen mit dem ASI stattgefunden, wo es um technische und formalrechtliche Fragen ging. Letztere betraf auch die Eigentumsrechte an den Inhalten des Servers.“ Für Handle sind alle diese Fragen aber letztendlich geklärt worden: „Die liegen natürlich beim ASI, in Innsbruck hat man nie die Ansprüche auf diese Rechte gestellt. Das war ein Missverständnis.“ Auch in der Frage der Langfristigkeit der Verträge konnte die Uni Innsbruck als Vertreter der öffentlichen Hand mit einer Zusage von mehr als zehn Jahren die Zugänglichkeit der Daten gewährleisten.
Ende Jänner dieses Jahres sollte es jedenfalls im ASI zu einer Entscheidung über die Fortsetzung des Merkmalservers kommen. Achammer dazu: „Es war die mit dem ASI vereinbarte Konzeption, einen industriefinanzierten Server in einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft des ASI – auf Basis des unter starker Mitwirkung von ATP architekten ingenieure entstandenen Uni-Servers in Innsbruck – zu installieren, da dieser aufgrund mangelnder Mittel und Anwendertauglichkeit seit Jahren keine Resonanz gefunden hat. Das ASI hat allerdings trotz schriftlicher Zusagen im Jänner einen Rückzieher gemacht und nun werden vom ÖBV andere Wege gesucht, dieses Konzept umzusetzen.“
Im Zentrum der Diskussion stand einmal mehr die Garantie einer stabilen Infrastruktur. Gerüchte, wonach das Wirtschafts-, mittlerweile Digitalisierungsministerium, die langfristige Finanzierung übernehmen würde, lösten sich in Luft auf. Worauf sich das ASI für die „sicherere“ Variante aussprach, nämlich vorläufig mit dem bestehenden BIM-Merkmalserver der Uni Innsbruck weiterzuarbeiten.
Sand im Getriebe
Auch wenn es den Beschluss des Normungsausschusses vom Jänner für die Fortsetzung des freeBIM-Servers in Innsbruck gibt, die Meldung, wonach die Bauindustrie über die öbv eine Initiative für einen eigenen Merkmalserver starten möchte, brachte jedenfalls wieder Sand ins Getriebe. Handle: „Natürlich ist die öbv eine gewichtige Gruppierung mit enormer Schlagkraft und daher nicht zu unterschätzen. Sie stellt für mich aber auch schon ein Bedrohungsbild für die Neutralität der Normung dar. Eine derart wesentliche Infrastruktur wie der Merkmalserver muss in der öffentlichen Hand sein, nicht in Händen von Interessensgruppen.“
Nicht nur Handle sieht den Merkmalserver als hoheitliche Aufgabe lieber in öffentlichen Händen, um die Chancengleichheit für alle Beteiligten zu gewährleisten. Laut Stampfl-Blaha hat sich das ASI noch nicht festgelegt: „Austrian Standards International ist über einige Initiativen für den Aufbau eines Merkmalservers informiert und steht für alle Lösungen offen, welche die Bedürfnisse der Branche erfüllen.“
Ärgerlich ist jedenfalls, dass Österreich drauf und dran ist, in Sachen BIM-Normung die Marktführung in Europa aus der Hand zu geben. Wir hatten hier wirklich über Jahre einen Technologievorsprung, den man jetzt verspielt, weil der Merkmalserver nicht rasch genug weiterentwickelt wird. Spätestens wenn etwa Frankreich oder eines der skandinavischen Länder mit einem Merkmalserver startet, haben wir diese historische Chance vertan. ■