Mit KI die Gebäudeperformance steigern
Im Rahmen einer Studie kam die EnOcean Alliance bereits vor einigen Jahren zum Schluss, dass sich gewerbliche Gebäude mit Unterstützung durch Künstliche Intelligenz besonders effizient automatisieren lassen. Erzielbar sei damit eine Energie- und CO2-Einsparung von bis zu 30 Prozent sowie eine Reduzierung der Raum- und Betriebskosten von bis zu 40 Prozent. KI-basierte Software-Lösungen, deren Algorithmen Wetterdaten, Strompreise und Gebäudenutzung in Echtzeit analysieren, um die Heizungs-, Klima- und Lüftungssteuerung situativ anzupassen, machen aus Gebäuden selbstlernende Energiesysteme. Der Energieverbrauch wird automatisiert optimiert, Kosten lassen sich dadurch deutlich senken.
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Künstliche Intelligenz im Gebäudebestand
Wie es gehen kann, zeigt etwa das nunmehr abgeschlossene Projekt „Prelude“ der Forschung Burgenland. Angewendet werden dabei KI-Methoden wie datengetriebene modellbasierende Regelungsstrategien (MPC) und Predictive Maintenance. Neben einem proaktiven Optimierungsservice für unterschiedlichste Gebäudetypen schafft Prelude die automatisierte Evaluierung von Bestandsgebäuden, für die somit kosteneffiziente Sanierungsmaßnahmen abgeleitet werden können. „In Österreich haben wir 98 Prozent Bestandsgebäude und nur zwei Prozent Neubauten“, erklärt Christian Heschl, der Leiter des Studiengangs Gebäudetechnik und Gebäudemanagement an der Fachhochschule Burgenland.
Die entwickelten Methoden und Werkzeuge wurden anhand des Living Labs „Energetikum“ entwickelt und mittels Langzeittest seit 2018 validiert. Das Energetikum, ein Bürogebäude in Pinkafeld, weist eine eigentlich ungünstige Kombination baulicher und energietechnischer Elemente auf: Die große Glasfassade sorgt für massive Erwärmung der Innenräume im Sommer. Die Erdwärmetauscher sind für die Beheizung unterdimensioniert, weshalb in der Vergangenheit mit Gas geheizt werden musste. Bauteilaktivierung macht das Gesamtsystem träge.
Kühlenergie: minus 79 %
Umso beeindruckender fällt nun das Resultat des Optimierungsprozesses aus: „Den Gaskessel konnten wir komplett abschalten“, so Heschl. Der Energieverbrauch für die Heizung ging um 35 Prozent, jener für die Kühlung gar um 79 Prozent zurück. Die CO2-Ersparnis lag in Summe bei 85 Prozent. Zusätzliche Hardware wurde dazu nicht im großen Stil installiert. Was es brauchte, waren lediglich zentrale Gateways, um die Produkte unterschiedlicher Hersteller zu einem Gesamtsystem zusammenzufassen und dieses zu optimieren. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die vorausschauende Steuerung inklusive Wettervorhersage-Modellen und prädiktiver Steuerung anhand von Messdaten. „Ein Großteil der Daten ist durch die Gebäudeautomatisierung bereits verfügbar. Er muss bloß entsprechend interpretiert werden.“
Geheizt wird rechtzeitig – dann, wenn genügend Sonnenstrom der Photovoltaik-Anlage vorhanden ist – und die Wärme für später gespeichert werden kann. Auch der Sonnenschutz orientiert sich an der Wetterprognose.
Die Optimierung kann nach unterschiedlichsten Gesichtspunkten erfolgen – im Hinblick auf Eigenverbrauch, Energiebedarf oder Kosten. Während der Pandemie kamen plötzlich neue Aspekte hinzu: „Da ging es darum, anhand von Occupancy Modelling das Nutzerverhalten zu erfassen und den hygienischen Lüftungsbedarf zu prognostizieren.“ Der Effekt: Die Raumluft konnte verbessert und gleichzeitig der Betrieb der Klimaanlagen effizienter gestaltet werden.
Maschine an Maschine
Dem Gebäudebestand der öffentlichen Hand widmet sich ein kürzlich gestartetes Forschungsprojekt der Technischen Hochschule Köln gemeinsam mit Industriepartnern. „Ziel der Gebäudeautomation ist, dass Algorithmen automatisch und ohne menschliches Zutun den Zustand eines Objekts und seiner technischen Gebäudeausrüstung erkennen und regelbasiert optimieren“, erläutert Michael Krüttgen vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung.
In der Praxis passiert dies häufig nicht, weil jeder Hersteller seine Anlagen informationstechnisch anders beschreibt. So kann die digitale Version eines ansonsten technisch identen Heizkreises je nach Anbieter unterschiedliche Bezeichnungen, Einheiten oder semantische Ausprägungen haben. Die Folge: Viele öffentliche Gebäude werden ineffizient betrieben, da Optimierungspotenziale nicht gehoben werden können. Im Rahmen des Projektes OpTGA4.0 soll daher eine Grundlage in Form eines maschinenlesbaren informationstechnischen Standards geschaffen werden, um TGA-Anlagen einheitlich zu beschreiben.
Krüttgen: „Damit die heute bereits verbaute Technik künftig besser geregelt werden kann, trainieren wir eine Künstliche Intelligenz. Diese soll in der Lage sein, die heterogene Beschreibung von Datenpunkten im Bestand zu interpretieren und in einen homogenen Standard zu übersetzen, der von den Regelungsalgorithmen verstanden wird.“ Die KI fungiert quasi als Übersetzer von Maschine zu Maschine.
Die Forschungsergebnisse validiert das Projektkonsortium an Gebäuden in den Köln und Hamburg. Zum Einsatz kommen dabei regelbasierte und automatisierte Energiemonitoring- und Instandhaltungsanwendungen. Die bestehende Facility-Management-Software wird dafür um den neu geschaffenen IT-Standard erweitert.
KI kommuniziert mit KNX
Auf dem Gebäudeautomationsstandard KNX fußt ein weiteres Projekt, das an der belgischen Thomas More University of Applied Sciences umgesetzt wird. Hier wird ein KI-gestützter intelligenter Energiemanager entwickelt, der es erlauben soll, so viele Technologien und Geräte wie möglich in einer Wohnumgebung zu steuern. „Das selbstlernende System soll im Neubau wie auch im Bestand implementiert werden können, ohne dass aufwändige Installationen vonnöten sind“, schildert Universitätsprofessor Jan Derua. „Ziel ist es, alle im Haus vorhandenen Anwendungen zu visualisieren und zu steuern – vom Wechselrichter über den Warmwasserbereiter bis zur intelligenten Steckdose.“
Die Kommunikation zwischen der KI-fähigen Hardware und den Geräten erfolgt über das Feldbus-System KNX. Lediglich für die Wettervorhersage und für die Vorhersage der PV-Stromerzeugung ist eine Internetverbindung erforderlich.
Entwickelt wurden vorerst drei Testfälle. Der erste bezieht sich auf einen nahezu energieneutralen Neubau mit PV-Modulen, Wärmepumpe und Batteriespeicher. Derua: „Hier liegt der Schwerpunkt auf der Optimierung der Energieflüsse und der Begrenzung von Verbrauchsspitzen, da von diesen zum Teil auch die Stromtarife in Flandern abhängen.“ Monatlich konnten so mehrere hundert Euro an Energiekosten eingespart werden.
Der zweite Testfall betrifft ein älteres Gebäude mit Photovoltaikanlage samt Speicher und einem Pelletskessel für Beheizung und Warmwasserbereitung. „Die Steuerung erfolgt über das von uns entwickelte aasem-Gerät via KNX.“ Ein weiterer Testlauf wird im KNX-Schulungs- und Forschungslabor der Universität durchgeführt. Dieses ist mit PV-Modulen, einer 7,5-kWh-Batterie und einer Ladestation ausgestattet. „Durch die Steuerung des Systems ist das Labor energieautark.“
Keine Chance für Cyber-Piraten
KI-Systeme können Energieverbrauchsmuster analysieren und vorhersagen, um beispielsweise HLK-Systeme optimal zu steuern. Sie sind jedoch auch ein mögliches Einfallstor für Cybercrime-Aktivitäten. Großen Wert auf den Sicherheitsaspekt legt daher der Technologiekonzern Honeywell. „In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen Informations- und Betriebstechnik zunehmend verschwimmen, ist es besonders wichtig, Gebäude vor Bedrohungen von außen zu schützen“, sagt Steve Kenny, Vice President und General Manager bei Honeywell Building Management Systems.
Bei seiner Plattform Advance Control for Buildings setzt Honeywell auf Mikrocontroller des Halbleiterherstellers NXP, die für Anwendungen auf Basis maschinellen Lernens optimiert sind. Diese bieten die notwendige Flexibilität für etwaige Upgrades. „Mit unseren ersten Anwendungen reagieren wir aber nicht nur auf den Sicherheitsaspekt, sondern auch auf die Verlagerung des Fokus von Neubauten hin zu Bestandsimmobilien.“
Alte Kabel, neue Technologien
Dafür wurde eine weitere Kooperation mit dem Halbleiterhersteller Analog Devices (ADI) geschlossen, um die vorhandene Verkabelung in der modernen Gebäudeautomation weiter nutzen zu können. Möglich wird dies, da die ADI-Technologie den Einsatz von Single Pair Ethernet (SPE) unterstützt. Das Übertragungsverfahren ermöglicht Datenraten von bis zu zehn Megabit pro Sekunde über herkömmliche Kupferdrähte. Kenny: „Das heißt, wir können die 20 oder 30 Jahre alte Verkabelung für Edge-Fähigkeiten nutzen.“ Parallel zur Datenübertragung erlaubt es die Technologie, Geräte mit Strom zu versorgen. „Wir können jede Steckdose einzeln steuern“, erklärt der Honeywell-Manager. Die KI erkennt zudem, welche Geräte angeschlossen sind. Ein Anwendungsbeispiel: An einer Universität können sämtliche Drucker, Bildschirme und Getränkeautomaten nachts automatisch abgeschaltet werden.
Insgesamt erfasst das System 27 Werte pro Steckdose, darunter auch die Temperatur. So hilft KI dabei, einen Kurzschluss oder Brand schon im Entstehen zu erkennen. Abweichungen der Werte können darüber hinaus bei der vorausschauenden und vorbeugenden Wartung unterstützen. Das ist jedoch erst der Anfang, so Kenny: „Wir werden diesen Bereich gemeinsam mit unserem Partnernetzwerk und den Endnutzern weiterentwickeln, um Gebäude in Richtung Klimaneutralität voranzubringen.“