Wiener Wohnungsmarkt: Gebremste Dynamik
Auslöser für die drohende Abflachung sind Entscheidungen von Politik und Justiz, die die Rahmenbedingungen für Grundbesitzer, Bauträger und Vermieter wesentlich beeinflussen.
- Vorgezogene Verschärfung der Abbruchbestimmungen für Gründerzeithäuser: Die neuen Restriktionen beim Abbruch werden die Möglichkeiten zum Neubau in traditionellen Wohnlagen einschränken. Wesentlicher aber ist, dass das blitzartige Inkrafttreten der Vorschrift im Juli 2018 Investoren und Bauträgern deutlich vor Augen geführt hat, wie sehr sie im Bereich der Vollanwendung des MRG von schwer kalkulierbaren politischen Rahmenbedingungen abhängen. Diese Planungsunsicherheit wird die Investitionsbereitschaft in diesem Marktsegment empfindlich dämpfen.
- OGH-Urteil zu Lagezuschlägen und neue Lagezuschlagskarte: Die Entscheidung des OGH zum Lagezuschlag im Richtwert und die daraus resultierende neue Lagezuschlagskarte der Stadt Wien führt dazu, dass sowohl Investoren als auch Mieter verunsichert sind. Als Konsequenz werden mehr Wohnungen leer stehen oder statt vermietet verkauft werden. Dieser Effekt wird rasch auf dem Markt spürbar werden.
- Höherer Anteil geförderter Wohnungen bei Neuwidmungen: Mit dieser in der neuen Bauordnung enthaltenen Vorschrift kann zwar langfristig die gewünschte Dämpfung der Bodenpreise erreicht werden, aber Grundbesitzer werden bereits geplante Verkäufe verschieben, daher können weniger Projekte gestartet werden und das wird sich mit etwas Verzögerung negativ auf die Fertigstellungszahlen durchschlagen.
„Für den Wohnungsmarkt, der seit Jahren wegen des kontinuierlichen Bevölkerungswachstums von einem deutlichen Nachfrageüberhang geprägt ist, sind das keine guten Nachrichten,“ erklärt Sandra Bauernfeind, Geschäftsführende Gesellschafterin der EHL Wohnen GmbH. „Langfristig mag das politisch gewünschte Ziel, den Anstieg der Bodenpreise zu bremsen, durchaus erreicht werden, aber kurz- und mittelfristig wird das Wohnungsangebot negativ beeinflusst. Damit könnte auch die leichte Entspannung bei den Wohnungspreisen und Wohnungsmieten ein Ende nehmen.“
Für 2018 zieht Bauernfeind eine uneingeschränkt positive Bilanz: Die Zahl der Fertigstellungen stieg im Jahresvergleich auf rund 11.500 Einheiten, damit setzte sich der seit 2013 feststellbare Aufwärtstrend weiter fort. Verantwortlich dafür war vor allem eine ganze Reihe bemerkenswerter Großprojekte in den Stadterweiterungsgebieten. Zu nennen sind hier beispielsweise das Hoch33 (1100 Wien, 341 Einheiten, Erste KAG), das 5in22 (1220 Wien, 265 Einheiten, SIGNA) oder die Bautätigkeit verschiedener Bauträger in der Seestadt Aspern.
Die gestiegene Bautätigkeit kann den in den letzten Jahren aufgestauten Wohnungsengpass (aufgrund der gestiegenen Bevölkerungsentwicklung) zwar nicht ganz ausgleichen, führte aber immerhin dazu, dass der Anstieg der Mieten und Wohnungspreise nur moderat ausfiel. Im quantitativ wichtigen mittleren Preissegment stiegen die Mieten im wienweiten Schnitt um rund 5 Prozent, die Wohnungspreise legten teilweise um bis zu 6 Prozent zu.
2019 wird die Fertigstellungszahl durch die genannten Änderungen der Rahmenbedingungen noch nicht nennenswert beeinflusst. Bauernfeind rechnet mit einer Stabilisierung der Fertigstellungszahl auf dem hohen Niveau von ca. 11.500 Einheiten, der Anstieg der Mieten und Wohnungspreise wird zumindest nicht wesentlich höher als die Inflationsrate ausfallen. „Auch 2019 wird der Neubau von zahlreichen freifinanzierten Großprojekten geprägt. Wohnen wird nicht billiger werden, aber Wohnungssuchende können aus einer großen Vielfalt sehr unterschiedlicher Projekte mit hoher Qualität wählen.“